1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Herzschrittmacher: Herzschrittmacher: Ein Lebensretter seit 52 Jahren

Herzschrittmacher Herzschrittmacher: Ein Lebensretter seit 52 Jahren

Von Ulrike v. Leszczynski 12.09.2010, 15:08

Berlin/dpa. - Was am 8. Oktober 1958 als Notlösung für einen Patienten mit Herzrhythmusstörungen gedacht war, hat sich seitdem als Lebensretter für Millionen Menschen weltweit entwickelt. Heute reicht ein halbstündiger Routineeingriff, um Patienten mit Hilfe eines modernen Schrittmachers ein langes Leben ohne große Einschränkungen zu ermöglichen. Die kleinsten Geräte sind nur so groß wie eine Zwei-Euro-Münze und haben die Fähigkeiten von Mini-Computern.

Es ist nur eine Hautbeule unterhalb des rechten Schlüsselbeins, die Sven Schneider an seinen Herzschrittmacher erinnert. Schneider ist 39 Jahre alt, Familienvater und arbeitet in einem Berliner Elektronikfachmarkt. «Ich lebe kaum anders als gesunde Menschen», sagt er. Nur schwere Fernsehgeräte trägt er nicht allein, Handytelefonate hält er kurz - und beim Herumtollen mit seiner vierjährigen Tochter muss er ein bisschen aufpassen. Denn Herzschrittmacher regieren nicht nur empfindlich auf elektromagnetische Wellen, sondern auch auf auf Stöße.

Sven Schneider weiß, dass er ohne die moderne Medizin nicht mehr leben würde. Er kam als «blaues Baby» auf die Welt, als Junge mit einem angeborenen Herzfehler, bei dem Sauerstoffmangel im Körper zur bläulichen Färbung der Haut führte. Mit sechs Jahren wurde Schneider zum ersten Mal operiert, drei weitere Eingriffe folgten, davon zwei große Herzoperationen. Seit rund zehn Jahren hilft ihm zusätzlich ein Schrittmacher, um das Herz regelmäßig schlagen zu lassen. «Meinen Kontrolleur», nennt er das Gerät.

Für Björn Peters, Oberarzt in der Abteilung für angeborene Herzfehler am Deutschen Herzzentrum Berlin, ist das keine ungewöhnliche Krankengeschichte. Das Einpflanzen eines Schrittmachers ist für ihn Routine - oft ambulant und mit örtlicher Betäubung. Was Patienten ohne Schrittmacher droht, hat sich in 50 Jahren dagegen kaum verändert. Wenn das Herz zu langsam schlägt oder Pausen macht, kann es ohne «Kontrolleur» zu Schwindelanfällen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Im schlimmsten Fall droht bei Anstrengungen der Herzstillstand, der ohne Notarzt-Einsatz zum Tod führen kann.

«Von der Idee her hat sich an den Geräten seit 50 Jahren nichts verändert», erläutert Peters. Wie eine kleine Maschine treibe der Schrittmacher das Herz noch immer durch elektrische Impulse an. Unterhalb des Schlüsselbeins werden isolierte Drähte über ein Brustgefäß zum Herzen durchgesteckt und im Herzmuskel verankert. Impulse aus dem Schrittmacher stimulieren dann das Herz.

Seit Oktober 1958, als der schwedische Arzt Åke Senning und der Ingenieur Rune Elmquist den ersten Schrittmacher testeten, hat es mehrere große Fortschritte in der Medizintechnik gegeben. «Der erste Schrittmacher arbeitete starr wie ein Metronom», berichtet Herzspezialist Peters. Die heutigen Geräte könnten sich auf den Kreislauf der Patienten einstellen. Sie messen zum Beispiel die Herzfrequenz und geben ihre Impulse nur bei Bedarf ab.

Zu den Zweikammer-Systemen, die mit zwei Drähten zum Herzen vor allem bei Rhythmusstörungen helfen, sind Ende der 90er Jahre Dreikammer-Schrittmacher gekommen. Die dritte Elektrode schaltet sich ein, wenn die rechte und linke Herzkammer nicht im Takt schlagen. Damit kann Patienten auch bei Herzmuskelschwäche geholfen werden. Dazu kommen neue diagnostische Funktionen. Moderne Schrittmacher können den Druck im Herzen oder das Lungenwasser messen.

Hielt der erste Test-Schrittmacher gerade einmal zwei Tage durch, schaffen die heutigen Batterien bis zu zehn Jahre. Peters pflanzt die kleinen Geräte inzwischen schon herzkranken Babys ein. Die meisten Schrittmacher-Patienten in Deutschland sind jedoch über 60 Jahre alt. Nach Angaben des Bundesverbandes Medizintechnologie erhalten in der Bundesrepublik jedes Jahr 100 000 Herzkranke ein solches Gerät.

Sven Schneider hat im vergangenen Jahr seinen dritten Schrittmacher bekommen, ein modernes Dreikammer-System. Er hat seinen Lebensrhythmus seiner Krankheit angepasst, er beschreibt sich als langsam und gewissenhaft. Zu seinen Hobbys gehören Lesen und Puzzles legen. Ein wenig mulmig wird ihm nur, wenn er ins Ausland reist. Werden Notärzte ihm dort so schnell helfen können wie in Deutschland?

Auch die Geschichte des ersten Schrittmacher-Patienten des Jahres 1958, des Schweden Arni Larsson, kann Menschen mit Herzstörungen nur Mut machen: Er starb erst 2002 im Alter von 86 Jahren - mit seinem 22. Schrittmacher in der Brust. Larsson überlebte sogar seinen Arzt Åke Senning um zwei Jahre.