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Herzinfarkt Herzinfarkt: Die Überlebenschance ist gering

Von Julia Ranniko 09.06.2005, 15:31

Frankfurt/Main/dpa. - Das Krankheitsbild ist dramatisch: DerPatient fällt plötzlich zur Seite, ist bewusstlos und im Schnitt nachacht bis zehn Minuten tot. Am plötzlichen Herztod, auchSekundenherztod oder Herzschlag genannt, sterben in Deutschland jedesJahr mehr als 100 000 Menschen. «Die Dunkelziffer liegt aber weitaushöher. Der plötzliche Herztod zählt damit vor Krebs und Schlaganfallzu den häufigsten Todesursachen», sagt Prof. Hans-Joachim Trappe vomVorstand der Deutschen Herzstiftung in Frankfurt. Nur drei bis achtProzent der Betroffenen überleben die zu dem jähenHerz-Kreislauf-Stillstand führenden Symptome.

Ursache des plötzlichen Herztods ist eine Herzrhythmusstörung. DasHerz erhält dabei keine regelmäßigen elektrischen Impulse mehr, diezur Kontraktion des Herzmuskels führen. Es gerät aus seinem gewohntenRhythmus, die Zahl der Herzschläge steigt meist drastisch an: vonnormalerweise 60 bis 80 Schlägen auf teilweise mehr als 300 Schlägepro Minute. Bei dem daraus resultierenden Kammerflimmern ziehen sichdie einzelnen Herzmuskelfasern völlig unkoordiniert zusammen, so dassdas Herz kein Blut mehr pumpt.

«Das ist eine völlig chaotische elektrische Erregung desHerzens», erklärt Herzspezialist Trappe, der die Kardiologie amMarienhospital der Universitätsklinik Bochum leitet. «Das Herz stehtmechanisch still, das Gehirn erhält keinen Sauerstoff mehr.» DieÜberlebenschance verschlechtert sich pro Minute, die ein Patient imKammerflimmern ist, um zehn Prozent.

Dem unerwarteten Herzversagen liegt meist eine Herzkrankheit oderein Herzinfarkt zu Grunde. Etwa 70 Prozent der plötzlichen Herztodeträten nach einem Infarkt auf, erläutert Prof. Helmut Gohlke,Chefarzt am Herzzentrum Bad Krotzingen. «Die Prävention einesplötzlichen Herztods kann nur die Prävention von koronarenHerzerkrankungen sein. Also: Nicht rauchen, schlank sein, sichbewegen.» Begünstigt wird ein Kammerflimmern laut Trappe auch durcheine Erkrankung des Herzmuskels oder durch Herzklappenfehler.

Bei jungen Menschen können auch scheinbar gesunde Herzenunvermittelt stillstehen - meist auf Grund so genannter elektrischerErkrankungen, genetisch bedingter Störungen der elektrischenHerzaktivität. «Besonderes Aufsehen erregen dabei Leistungssportler,die plötzlich tot umfallen - etwa der Fußballer Miklos Feher», sagtTrappe. Jedes Jahr sterben dem Kardiologen zufolge 800 bis 900Sportler am plötzlichen Herztod: «Das sind spektakuläre Ausnahmen.»Bei elektrischen Erkrankungen rät der Kardiologe betroffenen Familiendringend zu Belastungs-EKG und Ultraschalluntersuchung - sonst seidas frühzeitige Erkennen von Risikopatienten nicht möglich.

Das jähe Herzversagen könne alle Altersgruppen treffen, warntTrappe. Bei Kammerflimmern könnten die Patienten vor allem durch eineMaßnahme gerettet werden: Das Herz muss durch ein Elektroschockgerät,einen Defibrillator, dazu gebracht werden, seine elektrischeAktivität neu zu ordnen und wieder einen geregelten Herzschlag zubeginnen. «Das ist ein Spiel gegen die Zeit, schon nach drei bis vierMinuten kann es zu bleibenden Hirnschäden kommen.» Die Geräte solltendaher an öffentlichen Plätzen, an denen sich viele Menschenaufhalten, verfügbar sein: «Sie retten unzweifelhaft Leben.»

Obwohl die Anwendung jahrelang Ärzten vorbehalten war, könne jedertrainierte oder beherzte Laie einen halbautomatischen Defibrillatorbedienen, erklärt Siegfried Steiger, Präsident der Björn SteigerStiftung. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Winnenden(Baden-Württemberg) kümmert sich seit rund fünf Jahren um dieVerbreitung der Geräte. «Der 'Defi' sagt Ihnen alles, was Sie tunsollen. Falsch machen können Sie nichts.» Auch Gohlke bestätigt:«Wenn Sie den Defibrillator nicht anwenden, ist der Patient tot.»

Zunächst sollte man jedoch den Rettungsdienst alarmieren und erstdann defibrillieren, betont Steiger. Obwohl das Elektroschockgerätselbsterklärend sei, sei etwa für Mitarbeiter von Hilfsorganisationeneine kurze Ausbildung sinnvoll: «Es gibt eine Riesen-Hemmschwelle,einem anderen Menschen einen Stromstoß durch den Körper zu jagen.»

Nach Angaben der Björn Steiger Stiftung gibt es Defibrillatorenzum Beispiel in Behörden, Flughäfen, Schiffen oder Firmen. Die rundzwei Kilogramm schweren Geräte kosten nach Stiftungsangaben imSchnitt etwa 1800 Euro. Siegfried Steigers Ziel: «Dort, wo einFeuerlöscher hängt, sollte auch ein 'Defi' hängen.»

Auch nach Trappes Ansicht sind die Defibrillatoren bisher zu wenigverbreitet. «Das Konzept wurde in Deutschland - gerade im Vergleichzu den USA - spät und relativ schleppend eingeführt.» Das größteProjekt laufe derzeit mit 16 Geräten am Frankfurter Flughafen, imvergangenen Jahr hätten vier Menschen mit Kammerflimmern gerettetwerden können. Auch eine Herzdruckmassage, die die Blutzirkulationwieder in Gang setzt, könne das Leben verlängern, sagt Trappe. Einezusätzliche Beatmung des Patienten sei dabei nicht nötig - einHemmfaktor, vor dem Helfer häufig zurückschreckten.

Bei Patienten, die mindestens einen größeren Herzinfarkt erlittenhaben und deren Herz schlecht pumpt, könne die Implantation einesDefibrillators vor dem tödlichen Ausgang des Kammerflimmernsbewahren, erklärt Gohlke. «Wegen der möglichen Komplikationen wirddas aber nur bei Menschen gemacht, die erheblich vorgeschädigt sind.»