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Gebrochene Herzen Gebrochene Herzen: Symptome gleichen einem Infarkt - es ist aber keiner

Von Bärbel Böttcher 13.10.2016, 12:00
Ein Elektrokardiogramm - kurz EKG genannt - zeichnet die Aktivitäten des Herzens auf. Es zeigt dem Arzt, ob es richtig funktioniert. Beim „gebrochenen Herzen“ zeigt es die gleichen Unregelmäßigkeiten wie bei einem Herzinfarkt.
Ein Elektrokardiogramm - kurz EKG genannt - zeichnet die Aktivitäten des Herzens auf. Es zeigt dem Arzt, ob es richtig funktioniert. Beim „gebrochenen Herzen“ zeigt es die gleichen Unregelmäßigkeiten wie bei einem Herzinfarkt. dpa

Halle(Saale) - Diagnose: Gebrochenes Herz. Das klingt ein bisschen nach kitschigem Liebesfilm. Tatsächlich aber handelt es sich bei dem sogenannten Broken Heart Syndrom (deutsch: Gebrochenes Herz Syndrom) um eine ernsthafte Erkrankung. „Sie tritt vor allem bei Frauen jenseits der 50 auf“, sagt Professor Dr. Stefan Frantz, Direktor der Kardiologischen Universitätsklinik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Die Betroffenen stehen unter starkem emotionalen Druck, zum Beispiel wenn der Ehepartner verstorben ist“, fügt der Mediziner hinzu. Es seien jedoch nicht nur, wie lange angenommen, belastende Ereignisse, die die Krankheit auslösten. Auch positiver Stress könne dabei eine Rolle spielen.

Wie macht sich das Broken Heart Syndrom nun bemerkbar? „Die Symptome sind die gleichen wie bei einem Herzinfarkt“, sagt Frantz. Er zählt auf: Starke Schmerzen auf der linken Brustseite, die auch in andere Körperregionen ausstrahlen können, Engegefühl, Atemnot, Übelkeit. „Zeichen für einen Herzinfarkt sind auch nachweisbar - sowohl bei der Blutuntersuchung als auch im EKG“, erläutert der Kardiologe. „Es gehen Herzmuskelzellen kaputt. Dadurch entstehen die heftigen Schmerzen.“ Allerdings - charakteristisch für einen Herzinfarkt sei ein Gefäßverschluss. Ein solcher sei beim Broken Heart Syndrom nicht festzustellen. Die genaue Diagnose könne letztlich nur bei einer Herzkatheter-Untersuchung gestellt werden. Dabei lassen sich die Herzkranzgefäße bildlich darstellen.

Gebrochenes Herz „nicht weniger gefährlich als ein Infarkt“

„Auch wenn bei dieser Krankheit kein Gefäß verschlossen ist, so ist sie doch nicht weniger gefährlich als ein Herzinfarkt“, betont Frantz. Lebensbedrohliche Herzrhythmus-Störungen können ebenso die Folge sein wie ein kardiogener Schock, bei dem der Blutdruck auf einmal so niedrig ist, dass die Behandlung des Patienten auf einer Intensivstation geboten ist. „Man kann am gebrochenen Herzen genauso sterben wie am Herzinfarkt“, sagt er.

Behandelt wird die Krankheit mit Medikamenten. In der Regel, so der Mediziner, erhole sich die Pumpfunktion des Herzens wieder. „Bei den meisten Patienten sind die Beschwerden nach drei bis vier Wochen verschwunden.“ Es gebe jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich das Ganze wiederhole. Insofern sei es wichtig, den genauen Ursachen auf den Grund zu gehen. Denn nur zu 50 Prozent seien es die beschriebenen schweren psychischen Belastungen wie der Tod des Ehepartners, die für die Krankheit verantwortlich seien.

„Wir haben hinter Herzbeschwerden schon so manche psychische Erkrankung entdeckt und den Patienten dann einer entsprechenden Therapie zugeführt“, unterstreicht der Kardiologe. Professor Frantz und sein Team behandeln pro Monat etwa einen solchen „Fall“. Allerdings würden sie in die Krankenakte eines entsprechenden Patienten niemals die Diagnose „gebrochenes Herz“ eintragen. Medizinisch korrekt würde dort stehen: Stress- oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Tako Tsubo? Diese Bezeichnung geht auf japanische Ärzte zurück, die das Krankheitsbild 1991 erstmals beschrieben haben. Es ist der Name des Tonkrugs, mit dem in Japan auf dem Meeresgrund Tintenfische gefangen werden. „An seine Form erinnert das Ultraschallbild vom Herzen bei dieser Form der Kardiomyopathie“, erklärt Frantz. „Das Herz pumpt dann nur noch an der Basis und dadurch verändert die linke Herzkammer ihre Form.“

„Früher“, so sagt der Kardiologe, „haben die Ärzte bei einem entsprechenden Befund angenommen, dass ein verschlossenes Herzkranzgefäß selbstständig wieder aufgegangen ist.“ Erst die Japaner hätten durch ihre systematischen Untersuchungen erkannt, dass da ein anderer Mechanismus dahinterstecken muss. Aber welcher?

Frantz räumt ein, dass das medizinisch bis ins letzte Detail noch nicht geklärt ist. „Es wird angenommen, dass es sich um eine starke Überaktivierung des Sympathikus handelt“, sagt er. Der Sympathikus bildet zusammen mit dem Parasympathikus das autonome (vegetative) Nervensystem, was solche lebenswichtigen Funktionen wie Atmung und Herzschlag steuert. Während der Parasympathikus den Ruhepart übernimmt, sorge Sympathikus dafür, dass der Körper in stressigen oder gefährlichen Situationen das Letzte aus sich herausholt, sagt Frantz. Er macht es anschaulich. „Wenn ein Löwe hinter jemandem her ist, dann wird der Sympathikus vermehrt Stresshormone ausschütten die denjenigen in die Lage versetzen, zu fliehen.“ Möglicherweise tut er aber beim Broken Heart Syndrom zu viel des Guten.

Herzinsuffizienz dritthäufigste Todesursache

„Bewiesen ist das letztlich alles nicht“, sagt Frantz. Als Wissenschaftler finde er aber die Vorstellung faszinierend, dass das Organ Hirn, in dem das vegetative Nervensystem verortet ist, quasi das Herz schädigen kann. Bei anderen Erkrankungen wiederum geht das auch andersherum. Frantz nennt als Beispiel die Herzinsuffizienz, also die Herzmuskelschwäche. „Es ist in Deutschland die häufigste Diagnose bei Aufnahme in ein Krankenhaus und die dritthäufigste Todesursache“, betont er. „Ein Risikofaktor für das Sterben ist in diesem Falle die Depression“, fügt er hinzu. Es sei wissenschaftlich bewiesen, dass Depressionen besonders häufig bei herzinsuffizienten Menschen auftreten. 18 Prozent der Patienten litten an einer schweren und weitere 18 Prozent an einer leichten Form dieser psychischen Erkrankung. In der Gesamtbevölkerung sind es fünf Prozent.

„Auch hier“, so sagt der Kardiologe, „findet eine Interaktion zwischen dem Herzen und dem Hirn statt.“ Wobei nicht ganz klar ist, was zuerst da war, die Herzmuskelschwäche oder die Depression. Der erfahrene Wissenschaftler glaubt, „dass die Krankheit des Herzens nichts ist, was sich nur in einem, sondern in vielen Organen abspielt, dass Signale aus dem Herzen in unterschiedliche Organe übertragen werden“. Und ein Schaden, der dadurch ausgelöst werden könne, sei auch eine Depression. Das klingt plausibel. „Ist aber unbewiesen“, räumt Frantz ein.

Das trifft übrigens nicht nur auf die die Herzschwäche zu. „Wir wissen, dass es bei den meisten Herzerkrankungen eine Interaktion mit dem Gehirn gibt“, sagt der Kardiologe. Aber die Mechanismen und entsprechende Therapien böten eben noch reichlich Raum für medizinische Forschungen.

Letztlich, so betont Frantz, sei bei einer Krankheit auch immer die Lebensqualität ein wichtiger Punkt. Die werde durch eine Depression erheblich beeinträchtigt. Wenn eine Krankheit das Auftreten einer weiteren begünstige, sei es wichtig, den Überblick über den Gesamtorganismus zu behalten. „Eben um die Lebensqualität zu steigern und, wenn es geht, auch die Sterblichkeit zu senken.“ (mz)