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Diebetes Diebetes: Entwarnung für Zuckerkranke

Von Anke Brodmerkel 26.10.2012, 16:53

Halle (Saale)/MZ. - Vor fünf Jahren versetzte eine deutsche Studie Hunderttausende von Diabetikern weltweit in Angst und Schrecken. Das Insulinpräparat Glargin, besser bekannt unter dem Handelsnamen Lantus, erhöhe das Krebsrisiko, warnten die Autoren - unter ihnen der damalige Chef des Kölner Instituts zur Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki.

Die Arzneimittelbehörden versuchten die aufgeregten Gemüter zu beruhigen. Man halte Glargin nach wie vor für sicher, hieß es unisono in Bonn und in London, wo die europäische Behörde EMA (European Medicine Agency) ihren Sitz hat. Das Krebsrisiko von Glargin war daher auch ein Thema der diesjährigen Tagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD). Rund 18 000 Teilnehmer aus 130 Ländern hatten sich in Berlin versammelt, um über die neuesten Ergebnisse der Diabetesforschung zu diskutieren.

Eine Botschaft der Tagung lautete: Die Anwender von Lantus können aufatmen. "Zwei große Studien haben erneut gezeigt, dass das Krebsrisiko von Glargin vernachlässigbar ist", sagt Charité-Mediziner Andreas Pfeiffer. Beide Untersuchungen sind allerdings vom Hersteller des Insulinpräparats, dem Pharmariesen Sanofi Aventis, finanziert worden.

Eine der Studien wurde bereits im Juli in der angesehenen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht. Der kanadische Forscher Hertzel Gerstein, Professor für Endokrinologie an der MacMaster University in Hamilton, und sein Team hatten rund 12 500 Probanden, die an Diabetes oder Vorstufen der Krankheit litten und zugleich ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufwiesen, gut sechs Jahre lang beobachtet.

Ein Teil der Patienten wurde mit Glargin behandelt. Es zeigte sich, dass in der Glargin-Gruppe Krebserkrankungen nicht häufiger waren als in der Kontrollgruppe. Ziel der Studie war es allerdings nicht gewesen, das Krebsrisiko von Glargin zu untersuchen. Vielmehr wollten die Forscher herausfinden, ob eine Senkung des Blutzuckerspiegels das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindert. Aus diesem Grund halten manche Experten die jetzige Interpretation für unzulässig. "Eine Studie, die nicht auf die Überprüfung der krebsauslösenden Eigenschaften eines Mittels ausgelegt ist, kann nicht für eine Entwarnung herangezogen werden", sagt Wolfgang Becker-Brüser, Pharmazeut und Chefredakteur der pharmakritischen Zeitschrift Arznei-Telegramm.

Die andere in Berlin vorgestellte Studie kommt aus Frankreich. Das Team um Lucien Abenhaim, Professor für öffentliche Gesundheit an der Université Paris, hatte untersucht, ob Glargin den Verlauf einer Brustkrebserkrankung negativ beeinflusst. Dazu hatten die Forscher 775 Brustkrebspatientinnen, die zugleich an Diabetes litten, mehrere Jahre lang beobachtet. Ein Teil der Probanden spritzte sich Glargin, die anderen griffen auf konventionelle Präparate zurück. Es zeigte sich, dass das künstliche Insulin offenbar keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Erkrankung hatte.

Schon im Juni war in Philadelphia eine weitere Studie vorgestellt worden, die sich mit dem Krebsrisiko von Glargin befasst. Das Team um den Epidemiologen Peter Boyle hatte 448 000 Insulin-Patienten im Schnitt drei Jahre lang beobachtet. 17 800 Probanden erkrankten in dieser Zeit an Krebs. Den Forschern zufolge fand sich jedoch für keine Krebsart ein Hinweis, dass Glargin das Erkrankungsrisiko erhöht. Die ebenfalls von Sanofi finanzierte Studie ist bislang noch unveröffentlicht. Trotzdem gab die EMA daraufhin im Juli eine Pressemitteilung heraus, in der sie die Sicherheit von Glargin betonte. Das sieht auch der Berliner Experte Andreas Pfeiffer so. Dennoch gibt er zu: "Die meisten Studien, die sich mit dem Zusammenhang von Diabetes, der Insulintherapie und Krebs beschäftigen, sind sehr schwer zu interpretieren." Als gesichert gilt Pfeiffer zufolge inzwischen, dass jede Insulintherapie das Tumorrisiko erhöht. Denn Insulin senkt nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern wirkt darüber hinaus im Körper wie ein Wachstumsfaktor, der die Zellteilung ankurbelt. Dennoch müssten Diabetiker nicht beunruhigt sein, sagt Pfeiffer: "Wir kennen mindestens zwei Wege, um das Krebsrisiko der Patienten wieder zu senken." Der eine Weg bestehe darin, das Medikament Metformin zu verabreichen. Das blutzuckerregulierende Mittel, das vielen Typ-2-Diabetikern zusätzlich zum Insulin verordnet wird, reduziere das Krebsrisiko auf ein Normalmaß, sagt der Mediziner. Der zweite Weg: "Bewegung in jeglicher Form senkt die Gefahr einer Krebserkrankung", betont Pfeiffer.