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Aus nach 25 Jahren Aus nach 25 Jahren: Warum späte Scheidungen zunehmen

19.08.2014, 14:22
Keine Nähe mehr, keine gemeinsamen Themen: Sind die Kinder erwachsen, gibt es für Paare manchmal keinen Grund mehr, zusammenzubleiben.
Keine Nähe mehr, keine gemeinsamen Themen: Sind die Kinder erwachsen, gibt es für Paare manchmal keinen Grund mehr, zusammenzubleiben. dpa-tmn Lizenz

Jahrzehntelang scheint alles in bester Ordnung. Mit einem großen Fest wird Silberne Hochzeit gefeiert. Dann plötzlich ist alles aus. Vielleicht macht ein Ehepartner Schluss, vielleicht stellen beide fest, dass es keine gemeinsame Basis mehr gibt oder die Partnerschaft sogar von Anfang an unbefriedigend war.
Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der Scheidungen nach einer Ehedauer von 26 und mehr Jahren von 1992 bis 2012 mehr als verdoppelt. Auslöser für eine Trennung oder Scheidung nach langer Ehe sei häufig ein äußeres Ereignis, sagt Inken Lind, Professorin am Institut für Geschlechterstudien der Fachhochschule Köln.

Funktionierendes System bricht auseinander

Das kann der Auszug der Kinder, der Tod der eigenen Eltern oder eine berufliche Veränderung wie der Eintritt in den Ruhestand sein. Das bisher funktionierende System bricht auseinander - und dabei kommt auch die Ehe auf den Prüfstand. Wer sich nach langer Zeit trennt, habe meist schon eine Alternative zum bisherigen Leben im Blick, betont die Paartherapeutin Angela Wagner aus Wiesenbach.

Bei Männern ist das häufig eine neue Partnerin, bei Frauen ein eigener, alternativer Lebensentwurf. Wem eine Alternative für die nächste Lebensphase fehlt, „der arrangiert sich oft“, sagt die Diplom-Psychologin. Ob sich ein neuer Lebensentwurf verwirklichen lässt, hängt nicht zuletzt von den ökonomischen Verhältnissen, dem Bildungsstand und den Lebenserfahrungen ab. Gut ausgebildeten und finanziell unabhängigen Frauen falle ein Neuanfang deshalb oft leichter, sagt Wagner.

Streit über gemeinsames Vermögen

Die Themen bei einer Scheidung verschieben sich in Laufe der Jahre, sagt die Münchner Rechtsanwältin Edith Fiedler. Unterhalt für Kinder und Sorgerechtsfragen seien nach langer Ehezeit meist nicht mehr relevant. Dafür werde oft erbittert über das gemeinsame Vermögen und den Ehegattenunterhalt gestritten. Vor allem für Frauen, die ihren Beruf weitgehend aufgegeben haben, können die Konsequenzen dann hart sein. Klassisch sei der Fall, dass der Mann kurz nach der Trennung in den Ruhestand geht, weniger Einkommen hat und die Frau leer ausgeht.

„Ein brennendes Problem beim Vermögensausgleich ist häufig auch das gemeinsame Haus“, sagt Fiedler. Wenn kein Ehepartner den andern auszahlen und das Haus übernehmen kann, steht der Verkauf an. Das stößt jedoch oft auf massiven Widerstand der Kinder, die ihr Elternhaus verlieren würden. Übernimmt ein Elternteil das Haus, besteht die Gefahr, dass er damit die Kinder auf seine Seite zieht. „Erwachsene Kinder sollten in der Lage sein, zu sehen, wo es welche berechtigten Interessen gibt“, betont die Familienanwältin.

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Auch für Kinder, die längst aus dem Haus sind, ist die Trennung der Eltern ein tiefer Einschnitt, bestätigt Diplom-Psychologin Lind. Ihr Bild von der lebenslang glücklichen Beziehung werde infrage gestellt. Es kann das Gefühl entstehen, nur mit der Illusion von einer glücklichen Familie aufgewachsen zu sein. Die Kinder wüssten dann oft nicht mehr, was echt war und was die Eltern nur vorgespielt haben.

„Erwachsene Kinder dürfen sich bei einer Trennung nicht instrumentalisieren lassen“, betont Wagner. Sie sollten sich nicht heraushalten, aber auch nicht auf eine Seite schlagen. Besser sei es, beide Elternteile verständnisvoll zu begleiten und ihnen zu sagen: „Die Trennung ist eure Sache, ihr beide bleibt unsere Eltern“. Eine Scheidung könne sich sonst negativ auf drei Generationen auswirken - auch die Enkel hätten darunter zu leiden, warnt die Psychologin.

Auch ein Abschied von guten Zeiten

„Paare, die 20 oder mehr Jahre verheiratet waren, haben eine lange gemeinsame Lebensgeschichte, die man nicht auslöschen kann“, betont Wagner. Die Trennung sei deshalb auch ein „Abschied von guten Zeiten“. Hilfreich bei der Bewältigung der Situation könne es sein, sich klarzumachen, dass nicht alles schlecht war.

In den Jahren, in denen die Kinder klein sind, sinke die Qualität der Paarbeziehung in Ehen häufig ab, sagt Lind. Wenn es gelinge, die Beziehung danach wieder zu stärken, könne eine späte Scheidung möglicherweise verhindert werden. Wichtig ist es, die Entwicklung des andern zu unterstützen, gemeinsame Ziele zu verfolgen und emotionale Nähe zu suchen. Auch sexuelle Zufriedenheit spielt eine Rolle.

Wahrnehmung der Ehe liegt oft weit auseinander

Die subjektive Wahrnehmung der Ehe liege bei Partnern häufig weit auseinander, sagt Lind. Vor allem Männer fielen deshalb oft aus allen Wolken, wenn die Frau scheinbar plötzlich die Trennung will. Frauen neigen dazu, lange in unbefriedigenden Beziehungen auszuharren - sei es aus finanzieller Abhängigkeit oder wegen der Kinder.

Wagner rät deshalb, schon in jungen Jahren eine gute Gesprächs- und Konfliktkultur zu pflegen - „damit sich nichts anhäuft“. Haben sich Kränkungen erst einmal festgesetzt, schwindet die Bereitschaft zum Gespräch. Jeder Partner entwickle sich individuell weiter, betont die Paartherapeutin. Es sei wichtig zu verstehen, „dass ich nur als autonomer Mensch eine reife Partnerschaft leben kann“. Und das bis zur Goldenen Hochzeit und darüber hinaus. (dpa/tmn)

Inken Lind ist Professorin am Institut für Geschlechterstudien der Fachhochschule Köln.
Inken Lind ist Professorin am Institut für Geschlechterstudien der Fachhochschule Köln.
Costa Belibasakis/dpa-tmn Lizenz
Zerbricht eine Ehe nach vielen Jahren, wird oft erbittert über das gemeinsame Vermögen und den Ehegattenunterhalt gestritten.
Zerbricht eine Ehe nach vielen Jahren, wird oft erbittert über das gemeinsame Vermögen und den Ehegattenunterhalt gestritten.
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