Gesellschaft Gesellschaft: Bei Heimarbeit sind seriöse Angebote sind rar

München/Aachen/dpa. - «Heim- und Nebenverdienst, bis 1000Euro zusätzlich» - so oder ähnlich lauten Anzeigentexte, die fürleichte Tätigkeiten fantastische Verdienstmöglichkeiten versprechen.Doch Verbraucherschützer warnen davor. Hinter dem scheinbarlukrativen Jobangebot lauern in der Regel Betrügereien.
«Vorsicht ist immer dann geboten, wenn unklar bleibt, welcheTätigkeit ausgeführt werden soll, gleichzeitig aber ein hoherVerdienst versprochen wird», sagt Markus Saller. Unseriöse Angeboteseien zudem daran erkennbar, dass ihr Initiator ungenau bleibt,erläutert der Jurist der Verbraucherzentrale Bayern in München.«Häufig ist keine Postanschrift angegeben oder die Rechtsform fehlt.»
Ein Inserat wie «Arbeiten von zu Hause, PC/Internet erforderlich»sei zunächst «wertfrei», erklärt Edda Castelló von derVerbraucherzentrale Hamburg. Doch dahinter könne sich etwasUnseriöses verbergen: «Entweder sollen Interessenten fürInformationen eine 0190er-Nummer wählen, kostenpflichtigesInfomaterial bestellen oder sogar ein teures Computerprogrammkaufen.»
Als Klassiker unter den dubiosen Jobangeboten gilt die Montage von Kugelschreibern in Heimarbeit: «Das ist der größte Blödsinn»,schimpft Hartmut G. Müller. «Kugelschreiber werden heutzutagemaschinell hergestellt», sagt der Justitiar und Fachbereichsleiterder Verbraucherzentrale Brandenburg in Potsdam. Der Trick:Interessenten sollen für Material Vorkasse leisten, ohne jedochAbnehmer für ihre Produkte zu haben. «Bestellen 100 Leute für 1000Euro Kugelschreiberteile, hat die Firma 100 000 Euro verdient. Dannmacht sie dicht», erläutert Müller.
Dabei ist es nicht einmal der Traum vom leicht verdienten Geld,der Jobsuchende in die Fänge der Abzocker treibt: «In Zeiten, indenen es kaum Arbeitsplätze gibt und Menschen händeringend Arbeitsuchen, lassen sie sich auch auf solche Angebote ein», sagt Müller.«Arbeitslose greifen nach jedem Strohhalm», bestätigt Castelló.
Bei Peter Horlacher, beim Polizeipräsidium Frankfurt/Main fürBetrug mit Heimarbeit und Nebenverdiensten zuständig, wird im Schnittpro Monat ein halbes Dutzend Fälle zur Anzeige gebracht. DieDunkelziffer sei groß, so der Kriminaloberkommissar. Vielen sei espeinlich, hereingefallen zu sein. Außerdem gehe es selten um großeSummen. «Der finanzielle Schaden für den Einzelnen ist gering»,erklärt auch Saller. «Die Masse macht's.»
Ganz anders sieht es bei seriöser Heimarbeit aus. Firmen, diesolche vergeben, müssen dies beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamtoder Amt für Arbeitsschutz anmelden und mitteilen, wen siebeschäftigen. Für Heimarbeiter gelten umfangreiche Sozialleistungenund Mindestlöhne, ebenso Kündigungs- und Mutterschutz.
«Für die Entlohnung von Heimarbeitern gibt es bindendeFestsetzungen», erklärt Engelbert Littner vom StaatlichenGewerbeaufsichtsamt Freiburg. «Sie sind Tarifverträgen vergleichbar.»Heimarbeit werde meistens in Form von «Stückentgelten» entlohnt,diese müssten jedoch so berechnet sein, dass der Mindestlohn nichtunterschritten wird.
Wer etwa einfache Büroarbeiten wie Adressschreiben in Heimarbeitmit dem PC erledigt, erhält 6,78 Euro netto. Hinzu kommenZusatzleistungen wie Urlaubsgeld, Feiertags- undHeimarbeiterzuschlag. Für die unterschiedlichen Heimarbeits-Branchengibt es derzeit 47 bindende Festsetzungen. «Wir kontrollieren, ob dieGeld- und Sozialleistungen eingehalten werden», erläutert DirkMaciejewski vom Amt für Arbeitsschutz in Aachen. Wird die Entlohnungunterschritten, muss der Arbeitgeber nachzahlen.
«Häufig werden Schreib- und Büroarbeiten, Montagearbeiten,Änderungsschneidereien oder Sortierarbeiten in Heimarbeitausgeführt», erklärt Erich Silberborth vom StaatlichenGewerbeaufsichtsamt in Lüneburg. Für den Absatz ihrer Produkte seienHeimarbeiter nicht zuständig.
«Derzeit erleben wir eine Verwässerung des sozialenArbeitsschutzes», sagt Siberborth. «Die Auftraggeber wünschen keineKontrolle. Und sie wollen die hohen Lohnnebenkosten nicht tragen.»Deshalb riefen sie Heimarbeiter dazu auf, ein Gewerbe anzumelden odereine Ich-AG zu gründen. «Es entsteht eine Grauzone.»
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin ist einkontinuierlicher Rückgang der Heimarbeit zu verzeichnen. Die Zahl derHeimarbeiter und ihnen Gleichgestellter betrug im Jahr 2001 rund 66 000, 2002 lag sie bei knapp 60 000.
Obwohl Aufträge knapp sind, werde Heimarbeit stark nachgefragt,sagt Littner. Für Frauen, die aufgrund von Kindererziehung zu Hausesind, sei Heimarbeit häufig die einzige Möglichkeit zurErwerbstätigkeit. «Wer Heimarbeit sucht, sollte sich an dieArbeitsvermittlung wenden, selbst eine Annonce schalten oder gezieltbei Firmen nachfragen», rät er.
Informationen: Eine Liste mit unseriösen Anbietern von Nebenjobsund Heimarbeit hat die Verbraucherzentrale Hamburg im Internet unterwww.vzhh.de veröffentlicht. Auskünfte zu Entgelten undArbeitsschutzbestimmungen bei Heimarbeit erteilen die StaatlichenÄmter für Arbeitsschutz und Gewerbeaufsichtsämter.