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Fünfte Jahreszeit Fünfte Jahreszeit: Im Karneval steht ganz Köln Kopf

31.01.2003, 13:18
Ganz Köln steht Kopf - Jahr für Jahr legen die Karnevalisten mit ihren Umzügen, hier ein «Schull- und Veedelszog», den Verkehr lahm. (Foto: dpa)
Ganz Köln steht Kopf - Jahr für Jahr legen die Karnevalisten mit ihren Umzügen, hier ein «Schull- und Veedelszog», den Verkehr lahm. (Foto: dpa) dpa

Köln/dpa. - Einmal im Jahr spielt Köln verrückt. Dann gilt nicht mehr, was sonst der Partylaune vieler Domstädter einen Dämpfer versetzt: Die Sperrstunde wird aufgehoben, und «Prinz Karneval» übernimmt die Macht. Zugleich werfen viele der hinter Pappnasen oder unter Perücken verborgenen Feiernden die guten Sitten über Bord, die sie sonst pflegen. Zwischen Altweiberfastnacht und Aschermittwoch sind die Kneipen durchgehend zum Bersten gefüllt. Und am Rosenmontag, wenn Jahr für Jahr rund eine Million Menschen den Weg des gleichnamigen Zuges säumen, geht auch auf den Straßen der Stadt nichts mehr.

«Für mich ist der Straßenkarneval das Besondere am Kölner Karneval», sagt Biggi Wanninger, Präsidentin der alternativen Stunksitzung. Wenn der Startschuss für die «tollen Tage» in diesem Jahr am 27. Februar - wie immer um 11.11 Uhr auf dem Alter Markt - fällt, beginnt für die Straßenkarnevalisten ein regelrechtes Sechs-Tage-Rennen: «Ganz Köln ist auf den Beinen - und zwar bei jedem Wetter, sowohl an Weiberfastnacht, beim Rosenmontagszug und den Stadtteilzügen an Veilchendienstag», sagt Wanninger. Schon am Donnerstagnachmittag begibt sich der erste Zug auf närrische Mission.

Einen Tag später zieht der «Sternmarsch» durch die Innenstadt. Am Samstag folgt der alternative «Geisterzug», dessen Ursprung der Rosenmontagszug des Jahres 1991 ist. Dieser war wegen des Irakkriegs, der damals kurz zuvor begonnen hatte, abgesagt worden. Die Kölner zogen dennoch los - viele mit Totenkopfmasken und als Geister verkleidet, zu Fuß mit Rasseln und Trommeln. Am Sonntag bereiten die «Schull- un Veedelszöch» den Höhepunkt der Zugsaison vor: den Rosenmontagszug.

Der größte Umzug Deutschlands steht in diesem Jahr unter dem Motto «Klaaf und Tratsch auf kölsche Art». Über die Frage, wo die besten Plätze zum Sammeln von Kammellen und Strüssje - Bonbons Blumensträuße - sind, gehen die Meinungen auseinander. Viele bevorzugen den Anfang - in diesem Jahr die Severinstraße in der Südstadt -, andere das Ende der Zugstrecke. Kurz vor dem Ende jedenfalls müssen die hohen Herren und Damen auf den Prunkwagen alle noch verbliebenen Süßigkeiten und Sträuße unters Volk bringen. Reiche Ernte versprechen auf jeden Fall Plätze in der Nähe des Doms. Dort, vor den Augen der Fernsehkameras, lassen sich weder die Roten Funken noch die Prinzengrade lumpen.

Auch Kneipengänger sollten nicht am Inhalt ihrer Geldbörsen hängen. Denn die Karnevalszeit ist für die Kölner Wirte das, was Weihnachten für den Einzelhandel in ganz Deutschland ist: das beste Geschäft des Jahres. Sie langen beim Kölsch kräftig zu und bauen darauf, dass die eine Hälfte ihrer Gäste «Dreizehn gerade sein lässt» und die andere irgendwann vom Alkohol beseelt das Rechnen verlernt.

Wer nicht nur sprichwörtlich auf dem Tisch tanzen möchte, ist in Kölns Kultkneipen bestens aufgehoben: In der Südstadt locken neben dem legendären «Clodwig Eck» und dem «Opera» an der Alteburger Straße das «Backes», sowie «Spielplatz», «Haus Müller», der «Mainzer Hof», die «Ubier-Schänke» und das «Filos».

Letzteres ist berühmt für seine «Nubbelverbrennung» am Karnevalsdienstag: Wenn die Feier fast vorbei ist, wird der Nubbel - eine Strohpuppe, die über dem Eingang vieler Kneipen hängt - nach einer Prozession durch das Viertel auf einem Scheiterhaufen vor der Kneipe verbrannt. Die Anwesenden nehmen dies gerne zum Anlass, auf das Wohl des Nubbels noch ein paar Kölsch zu heben - der Morgen des Aschermittwoch kommt schließlich früh genug.

Im Belgischen Viertel empfiehlt Biggi Wanninger das «Alcazar» und im «Stadtgarten» die Kostümbälle der «Ahl Säu». Im Stadtteil Nippes lohne sich der «Goldene Kappes», das «Feez» und der «Kornbrenner». Allerdings sollten sich die Karnevalisten warm anziehen: Die Kneipen sind oft so voll, dass man nicht hineinkommt. «Dann wird einfach auf der Straße gefeiert», sagt die Karnevalistin. Viele Wirte haben vor der Tür Getränkestände und manchmal sogar Heizstrahler aufgebaut.

Weder Kälte, noch Sturm oder Schnee können den Kölnern im Karneval die Laune verderben. Die weltpolitische Lage lässt allerdings auch in diesem Jahr eine Frage offen: «Sollte es während der Karnevalssession zu einem Angriff auf den Irak kommen, werden sich die verschiedenen Organisationen sicherlich überlegen, wie darauf zu reagieren ist», so Wanninger.