1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Finanzen
  6. >
  7. EU-Parlament entscheidet: EU-Parlament entscheidet: Sind Urlaubs-Selfies vor Bauwerken bald verboten?

EU-Parlament entscheidet EU-Parlament entscheidet: Sind Urlaubs-Selfies vor Bauwerken bald verboten?

09.07.2015, 11:21
Der unbeleuchtete Eiffelturm darf von jedermann ohne Einschränkungen fotografiert werden; Bilder des nächtlich beleuchteten Wahrzeichens dürfen jedoch nur mit Genehmigung kommerziell genutzt werden. Das EU-Parlament diskutiert an diesem Donnerstag über den Vorschlag, die Panoramafreiheit einzuschränken.
Der unbeleuchtete Eiffelturm darf von jedermann ohne Einschränkungen fotografiert werden; Bilder des nächtlich beleuchteten Wahrzeichens dürfen jedoch nur mit Genehmigung kommerziell genutzt werden. Das EU-Parlament diskutiert an diesem Donnerstag über den Vorschlag, die Panoramafreiheit einzuschränken. dpa Lizenz

Zahlreiche Medien haben in den vergangenen Tagen darüber berichtet, dass die beliebten Selfies vor historischen Monumenten im Urlaub künftig verboten sein könnten. Hintergrund ist ein Änderungsvorschlag des Rechtsausschusses im EU-Parlament: Damit soll das Urheberrecht vereinheitlicht werden. Heute (9.7.) entscheidet das Plenum des EU-Parlaments über den Vorschlag.

Die Reform sieht vor, dass die Panoramafreiheit, die Deutschland und einigen weiteren Ländern Europas existiert, abgeschafft oder zumindest auf die nichtkommerzielle Nutzung eingeschränkt werden soll. „Sollte dieser Vorschlag angenommen werden, könnte dies am Ende tatsächlich auch für Privatmenschen Einschnitte bei der Veröffentlichung von Fotos bedeuten“, sagt Medienanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke.

Bisher sieht es zwar noch nicht nach einer Mehrheit für den Vorschlag aus, aber Fotografenverbände und die Online-Enzyklopädie Wikipedia warnen trotzdem vor den weitreichenden Folgen einer Foto-Einschränkung.

Verbot nur bei urheberrechtlich geschützten Gebäuden

Anders als viele Medien berichten, fallen alte Gebäude gerade nicht unter die Reform: Historische Gebäude wie zum Beispiel das Brandenburger Tor seien nicht von der Regelung betroffen, so Rechtsexperte Solmecke. Vielmehr gehe es ausschließlich um moderne Kunstwerke und architektonische Gebäude, bei denen der Urheber noch keine 70 Jahre verstorben ist. „Das macht die Vorschläge im Endergebnis aber nicht viel besser“, so der Anwalt.

„Für denjenigen, der ein Bild anfertigt und dieses zum Beispiel bei Facebook hochlädt, würde das bedeuten, dass er zunächst prüfen muss, ob das Gebäude überhaupt kreativ gestaltet worden ist und urheberrechtlichen Schutz genießt. Anschließend müsste der Fotograf noch nachforschen, ob der Urheber schon über 70 Jahre verstorben ist.“

In vielen Ländern ist Panoramafreiheit bereits eingeschränkt

Bereits heute sollten sich Fotografen bewusst sein, dass es die Panoramafreiheit in etlichen Ländern nicht gibt. So ist zum Beispiel in Belgien die kommerzielle Verwertung von Bildern des Atomiums verboten, und in Dänemark ist das Anfertigen und Veröffentlichen von Bildern der Kopenhagener Meerjungfrau für die Veröffentlichung im kommerziellen Kontext nicht erlaubt.

Hier ein Überblick über die Rechtslage in Europa:

Grün bedeutet: Der Staat hat die Panoramafreiheit in seinen Urheberrechtsgesetzen verankert (hellgrün: nur für Gebäude).

Gelb bedeutet: Die Veröffentlichung von Abbildungen öffentlicher Werke ist nur zu nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.

Rot bedeutet: Es gibt überhaupt keine Panoramafreiheit.

Entscheidend ist die Art der Bild-Nutzung

Der Knackpunkt ist daher häufig schon heute die Frage, ob eine kommerzielle Verwertung erfolgt oder nicht. Urlauber, welche ihre Bilder nur bei Facebook hochladen, gehen dabei irrtümlicherweise von einer privaten Nutzung aus. Tatsächlich räumen sämtliche Facebook-Nutzer dem Dienst über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch gewerbliche Rechte an den Bildern ein: Damit nehmen sie selbst eine kommerzielle Nutzung vor.

Zwar gibt es in den Ländern ohne Panoramafreiheit noch keinerlei Abmahnungen gegen Facebook-User – „das Abmahn-Phänomen gilt eher als typisch deutsch“, weiß Solmecke. Hierzulande könnte eine eingeschränkte oder abgeschaffte Panoramafreiheit jedoch drastische Konsequenzen haben.

In Deutschland gilt Verbot nur bei temporären Kunstwerken

Nach derzeitiger Rechtslage ist in Deutschland die Veröffentlichung von Bildern von dauerhaft bestehenden Gebäuden und Kunstwerken im öffentlichen Raum erlaubt. Bilder, die im Rahmen der Panoramafreiheit hergestellt wurden, dürfen auch für kommerzielle Zwecke (Reiseführer, Blogs) verwendet werden. Ein Verbot besteht lediglich bei temporären Kunstwerken, wie es etwa der von Christo verhüllte Reichstag war. (gs)

Panoramafreiheit in Europa.
Panoramafreiheit in Europa.
King of Hearts based on Quibik’s work CC-BY-SA