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Fieser Fiepton: Störsender vertreiben Jugendliche

Von Carina Frey 30.04.2008, 07:40

Dortmund/dpa. - Erwachsene nehmen sie erst gar nicht wahr - doch für Jugendliche können sie richtig unangenehm werden: Störsender, deren Signal nur junge Menschen hören. Das Gerät soll «Ansammlungen herumlungernder Jugendlicher» zerstreuen, wirbt ein Anbieter.

Die Funktionsweise ist einfach: Der kleine grauen Kasten mit der Bezeichnung «Mosquito Ultrasonic» erzeugt einen Ton im Ultraschallbereich, den nur junge Menschen aufgrund ihres besseren Gehörs wahrnehmen. Ob das Geräusch auf Dauer die Gesundheit schädigt, konnten staatliche Prüfer nicht zweifelsfrei sagen. Verbieten lässt sich der Sender daher nicht. Jugendliche können sich aber trotzdem dagegen wehren.

Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund erzeugt es ein «pulsierendes Geräusch» im Frequenzbereich zwischen etwa 16 und 19 Kilohertz (kHz) und einen Schalldruckpegel von bis zu 104 Dezibel (dB). Junge Menschen könnten diese Frequenzen im Ultraschallbereich wahrnehmen - ältere nicht.

Laut dem Anbieter Compro Electronic aus Vechta verursacht der Ton keine Schmerzen. Er wirke nach fünf bis zehn Minuten Beschallung aber «extrem unangenehm». Die Feststellung, das Gerät sei gesundheitlich unbedenklich, musste der Hersteller zurücknehmen. Denn die BAuA kam in einem Gutachten zu der Feststellung, «dass eine gesundheitliche Schädigung des Hörvermögens nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann». Der Ultraschall wirke nicht nur auf das Gehör, auch Störungen des Gleichgewichtssinns seien bekannt. Außerdem könne mit dem Auftreten von Schwindel und Kopfschmerzen gerechnet werden.

Für ein Verbot reicht das nicht aus. «Der letztendliche Nachweis, dass es eine Schädigung geben kann, konnte nicht erbracht werden», sagt Uwe Rottmann, Leiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Oldenburg. Nach dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz könne die «Inverkehrbringung» daher nicht verboten werden. Die Behörde konnte nur durchsetzen, dass ein Warnhinweis in der Nähe des Gerätes angebracht werden muss.

Mit dem Sender werde nun ein DIN A4-großer Zettel ausgeliefert, der auf den Ultraschall hinweist, sagt Nicole Kreinest von Compro Electronic. Die Nachfrage nach dem Gerät sei groß, Privatleute und Gemeinden interessierten sich dafür. Allerdings wollten die Kunden anonym bleiben. In Osnabrück installierte ein Immobilienbesitzer den Sender in der Fußgängerzone. Auf diese Weise sollten vor einem Geschäft sitzende Jugendliche vertrieben werden, sagt Sven Jürgensen, Sprecher der Stadt Osnabrück. Die Empörung der Kunden sei jedoch so groß gewesen, dass der Eigentümer das Gerät wieder entfernte.

Bleibt die Frage, ob es erlaubt ist, ein solches Gerät einzusetzen. «An einem Privatgebäude kann man es befestigen. Es darf aber nicht in den öffentlichen Raum hineinreichen», erklärt Prof. Thorsten Koch, Rechtswissenschaftler an der Universität Osnabrück. Bei einer vom Verkäufer angegebenen Reichweite von bis zu 20 Metern muss der Befestigungsort also genau geprüft werden. Im öffentlichen Raum greift das Straßenrecht. Grundsätzlich hat jeder Bürger das Recht, die Straße auf normale Art und Weise zu nutzen, erklärt Prof. Koch. Juristen sprechen von Gemeingebrauch.

Sondernutzungen müssten hingegen genehmigt werden. Ob das schon gilt, wenn man sich auf die Straße setzt, sei fraglich. Darf sich ein Gewerbetreibender wehren, der seine Geschäfte durch vor dem Schaufenster sitzende Jugendliche beeinträchtigt sieht? Er könnte die Polizei rufen, einen Richterspruch einholen und - im Einzelfall - zur Selbsthilfe greifen. «Ob die Voraussetzungen dafür schon gegeben sind, wenn jemand vor dem Schaufenster sitzt, wage ich aber zu bezweifeln», so Prof. Koch.

In jedem Fall darf ein Privatmann nicht diejenigen belästigen, die eine Straße ordnungsgemäß nutzen. Der Ultraschall würde jedoch auch Kinder auf dem Weg zur Schule und Jugendliche beim Einkaufen stören. «Wenn alle, die sich im Umkreis von 20 Metern aufhalten, betroffen sind und dadurch eventuell unwohl fühlen, wäre das für mich schon eine strafbare Körperverletzung», sagt Prof. Koch. Er rät Jugendlichen, sich in einem solchen Fall an die Stadtverwaltung zu wenden. «Bürger haben gegenüber der Verwaltung das Recht auf Nutzung des öffentlichen Raums. Wird das Recht beeinträchtigt, muss die Verwaltung tätig werden.»

Ähnlich lautet der Tipp des Niedersächsischen Sozialministeriums: Jugendliche sollten sich in solchen Fällen an das Rathaus oder an das Jugendamt wenden und Betreuer und Eltern einschalten, rät Ministeriums-Sprecher Thomas Spieker: «Es ist absolut der falsche Weg, mit Störsendern Jugendliche vertreiben zu wollen.»

INFO: Ultraschall hören auch Kleinkinder

Da der erzeugte Ton des Ultraschallsenders unangenehm ist, werden sich Jugendliche nach Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin von selbst der Belastung entziehen. Problematischer sei, dass auch Kleinkinder und Säuglinge das Geräusch hören - anders als ihre Eltern. Stellen diese den Kinderwagen in der Nähe des Senders ab, könnten die Kinder der Beschallung für längere Zeit ausgesetzt sein. Welche Folgen das hat, lasse sich nicht sagen.