Familienforschung Familienforschung: Suche nach Anworten
Hannover/dpa. - Familienforscher stoßen bei ihren Recherchen auf allerlei Anekdoten. Und immer mehr Menschen begeben sich auf die Spuren ihrer Vorfahren.
Da war zum Beispiel der Urgroßvater, der mit Zigarre im Mund im Lehnstuhl gestorben ist. Oder der afrikanische Junge, der, aus der Hand von Sklavenhändlern befreit, im 18. Jahrhundert in Niedersachsen Förster wurde. «Ich warne jeden davor, damit anzufangen: Man wird süchtig», sagt der Vorsitzende des Vereins Familienkunde Niedersachsen in Hannover, Bolko Knust. 450 Mitglieder zählt der 1913 gegründete Verein derzeit, darunter einige aus dem Ausland.
Familienforscher beobachten ein gestiegenes Interesse für ihr Fach. Pro Tag gibt es etwa zwei bis drei Anfragen beim Landeskirchlichen Archiv in Hannover, sagt Leiter Hans Otte. «Ich habe das Gefühl, dass es auch in Deutschland zunimmt.» Zu Anfang seien es vor allem Ausländer gewesen - meist Nachkommen von Auswanderern, die nach ihren deutschen Vorfahren suchten.
Otte führt die zunehmende Zahl von Anfragen auf gesellschaftliche Entwicklungen zurück: Die Gesellschaft werde immer unübersichtlicher, Familien und Ehe tendierten immer mehr dazu, sich aufzulösen. Die Menschen blickten deshalb ein Stück weit in die Vergangenheit, um so für sich selbst einen Zusammenhalt zu finden: «Wo komme ich her? Wo gehöre ich hin?».
Die Forscher haben unterschiedliche Ziele: Während der eine nach seinen ältesten Vorfahren sucht, will der andere noch lebende Verwandte finden. Knust sucht etwa nach Nachfahren vom fürstlichen Münzbuchhalter Johann Balthasar Julius Knust (1722-1766), dessen Porträt im Städtischen Museum in Braunschweig hängt. «Ich möchte es gern mit Lebenden zu tun haben», sagt der 65-Jährige. Zwei Familientreffen hat er schon organisiert. Nach etwa zehn Jahren Suche hat er seinen Stammbaum bis ins Jahr 1647 rekonstruiert.
Auf ihrer Reise in die Vergangenheit durchkämmen die Forscher Steuerlisten oder Trauregister, besuchen Archive und lesen Leichenpredigten. Eine wichtige Quelle sind die Kirchenbücher der Gemeinden. In den Vereinen tauschen Familienforscher Erfahrungen und Ergebnisse unter einander aus. Viele nutzen auch das Internet als Plattform. Hilfe bieten aber auch professionelle Familienforscher, wenn die Hobby-Sucher an die Quellen nicht herankommen.
Erfahrung hat darin die promovierte Historikerin Sylvia Möhle aus Göttingen. Seit sieben Jahren rekonstruiert die 42-Jährige im Auftrag ihrer Kunden deren Familiengeschichte. Vier Jahre etwa hat sie sich mit einer Kaufmannsfamilie beschäftigt, die in jeder Generation einmal umgezogen ist. «Es war sehr schwer, weil man immer kleine Hinweise finden musste, woher die nun gekommen waren.» Schließlich konnte sie sie bis ins 17. Jahrhundert zurück verfolgen. «Das gelingt aber nicht immer.»
Die Hälfte von Möhles Kunden sind Ausländer, vor allem aus den USA. «Die Amerikaner sind sehr interessiert zu sehen, wo ihre Vorfahren gelebt haben und unter welchen Umständen sie sich zur Auswanderung aufgemacht haben», sagt Möhle. Oft besuchten sie zum Abschluss die Orte. Am meisten Spaß mache es, nicht nur die Lebensdaten zu sammeln, sondern die Lebenszusammenhänge zu erfahren: Waren die Vorfahren reich oder arm? Was hatten sie für Berufe? «Zum Teil kommen ganz ungewöhnliche Biografien zu Tage.» Dabei tauchten zum Beispiel auch immer wieder uneheliche Kinder auf.
Jeder könne lernen, mit Kirchenbüchern und alten Schriften zu arbeiten. «Da ermutige ich die Leute auch immer, das selbst zu versuchen», sagt Möhle. «Die Archive stehen allen Leuten offen. Das ist unser aller Erbe.»