Kindergärten in Sachsen-Anhalt Personalnot in Kitas: Sachsen-Anhalt am Limit – Rechte und Lösungen für Eltern
In vielen Kindergärten herrsche Personalnot, sagt Kathrin Klähn, zweite Vorsitzende des Kitafachkräfteverband Sachsen/Sachsen-Anhalt. Welche Rechte Eltern haben, weiß ein hallescher Rechtsanwalt.
Halle (Saale)/MZ - Einen Notfallplan für personelle Engpässe – das gibt es mittlerweile in vielen Einrichtungen. Und zwar aus gutem Grund: „Die Lage ist extrem angespannt“, sagt Kathrin Klähn, zweite Vorsitzende des Kitafachkräfteverband Sachsen/Sachsen-Anhalt.
„Die Belastung ist so hoch geworden, dass die Fachkräfte häufig ausgelaugt sind und krank werden.“ Schuld daran seien oft die Arbeitsbedingungen bei den Trägern.
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Besonders kritisch sieht Klähn die oft abgeschlossenen Zeitarbeitsverträge oder Flexverträge: „Viele Fachkräfte, gerade solche, die frisch aus der Schule kommen, werden erst einmal mit Jahresverträgen über 20 oder 25 Stunden abgespeist. Da fehlt die wirtschaftliche Sicherheit. Hinzu kommt, dass es oft an Weiterbildungsangeboten, an Anerkennung und Vertrauen zu den Mitarbeitern fehlt.“
Rechtsanwalt zu Kita-Recht: Elternrechte und Betreuung
Ihrer Erfahrung nach bekommen Fachkräfte immer mehr Aufgaben, vor allem bürokratischer Natur. „Die Erwartungshaltung wird immer höher, gleichzeitig werden die Wertschätzung und die zur Verfügung stehende Zeit immer weniger“, sagt Klähn.
Dabei steht Sachsen-Anhalt im Bundesländervergleich besonders schlecht da: „Wir haben mit die höchste Betreuungsquote“, sagt Klähn. „Gleichzeitig haben wir eine schlechte Personaldecke und damit einen der höchsten Personalschlüssel im Bundesvergleich.“
Dass jedes Bundesland die rechtlichen Grundlagen selbst bestimmt, macht es nicht besser. „In grenznahen Regionen wandern viele Fachkräfte von Sachsen-Anhalt nach Niedersachsen ab“, sagt Klähn. Die Folge: Kitas und Horte schließen einzelne Gruppen oder schränken die Öffnungszeiten ein; an manchen Tagen bleiben sie komplett geschlossen.
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Politik und Jugendamt: Handlungsbedarf und Verantwortung
Für Eltern ist eine eingeschränkte oder ausfallende Betreuung oft herausfordernd – gerade, wenn diese kurzfristig angekündigt wird. Welche Rechte sie haben, weiß der Rechtsanwalt Thomas Herz aus Halle, der sich auf Kita-Recht spezialisiert hat.
Wenn Großeltern, Nachbarn oder Freunde keine Zeit haben, die Eltern aber als Arbeitnehmende berufstätig sind, besteht ein Leistungsverweigerungsrecht. „Die Erbringung ihrer Leistung gemäß dem Arbeitsvertrag wäre den Eltern damit nicht zumutbar“, sagt Herz.
„Der Vergütungsanspruch bleibt bestehen, wenn die Verhinderung nur eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ andauert. Das seien nach überwiegender Ansicht höchstens zehn Tage. Entsprechend könnten Angestellte ihre Kinder während der Ausfälle selbst betreuen, ohne eine Lohnkürzung fürchten zu müssen, so Herz.
Einzige Ausnahme: Wenn dieser Anspruch bereits im Voraus durch den Arbeits- oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen wurde. Und: Bei einer Schließung, die mehr als zehn Tage lang andauert, entfällt laut Herz der Anspruch auf die Lohnfortzahlung.
Selbstständige Eltern, die ihre Arbeitszeit der Kinderbetreuung widmen müssen, können den entgangenen Gewinn als Schaden geltend machen. Allerdings sei es hier schwerer, den Schaden nachzuweisen, sagt Herz: „Denn dies muss in erster Linie anhand entgangener Aufträge beurteilt werden.“
Eine Möglichkeit haben Eltern trotzdem: „Kommt es öfter zu Ausfällen, sollten sie das örtliche Jugendamt darauf hinweisen“, sagt Herz. Denn die Jugendämter sind dafür zuständig, eine Kinderbetreuung zu gewährleisten.
„Wenn sich trotzdem nichts tut, käme nur die Zuweisung eines neues Platzes infrage“, sagt Herz. Darüber hinaus können Eltern eine Alternative organisieren, etwa eine private Kita oder eine Tagesmutter. „Dann kommen unter Umständen ein Verdienstausfallschaden oder Mehraufwendungsersatz für die privat organisierte Betreuung infrage“, sagt Herz. Allerdings komme es immer auf den Einzelfall an.
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Bundesdurchschnitt und Betreuungsquote: Sachsen-Anhalt im Fokus
Wie bei einer Mietminderung einfach weniger Gebühren an die Kita zu zahlen oder das Entgelt ganz einzubehalten, ist dem Rechtsanwalt Herz zufolge nicht möglich.
Denn beim Mieten greife das Äquivalenzprinzip. Das bedeutet: Leistung und Gegenleistung – in diesem Fall die Höhe der Miete und die Wohnqualität – sind gleichwertig. „Im Fall der Kinderbetreuung geht die Rechtsprechung hingegen davon aus, dass die Elternbeiträge keine Gebühren darstellen, sondern Sonderabgaben, die nur begrenzt dem Äquivalenzprinzip unterworfen sind“, sagt Herz.
Kinderbetreuung und Rechtsprechung: Elternrechte im Fokus
Was Eltern zudem wissen sollten: Ab einem bestimmten Alter besteht keine gesetzliche Notwendigkeit einer Betreuung mehr – und damit auch kein Anspruch auf Schadensersatz.
„Theoretisch haben Kinder in Sachsen-Anhalt bis zur Versetzung in den siebten Schuljahrgang Anspruch auf einen ganztägigen Platz in einer Tageseinrichtung. Aber zum Teil haben die Verwaltungsgerichte festgestellt, dass es schon Erstklässlern zumutbar sei, Schlüsselkind zu sein – also den Schulweg nach Einübung allein zurückzulegen und eine gewisse Zeit alleine zu Hause zu sein“, sagt Herz.
Ab der siebten Klasse bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gibt es dennoch das Recht auf einen Platz in einer Tageseinrichtung. „Das gilt aber nur, soweit Plätze vorhanden sind“, sagt Herz.
Politik und Kitafachkräfteverband: Handlungsbedarf in der Kinderbetreuung
Damit sich in Zukunft etwas ändert, sieht Klähn vom Kitafachkräfteverband Sachsen/Sachsen-Anhalt vor allem die Politik, aber auch die Eltern in der Pflicht.
„Es muss ein Umdenken von der Ausbildung an stattfinden“, sagt sie. Größtes Problem sei, dass „es keine einheitlichen Ausbildungsstandards gibt und die mehrjährige Ausbildung nicht vergütet ist – das ist für viele gar nicht machbar.“ Träger müssten mehr auf ihre Mitarbeitenden und ein gutes Arbeitsumfeld achten.
Von Eltern wünscht sich Klähn eine andere Erwartungshaltung: „Nicht alle, aber viele Eltern glauben, dass eine Einrichtung für die Erziehung zuständig ist. Aber sie ist nur zur Unterstützung und Begleitung da und ersetzt nicht die Familie.“
Die eigentliche Funktion der Einrichtungen müsse wieder in den Fokus rücken: „Aktuell scheint es die Hauptsache zu sein, dass irgendeine Betreuung gewährleistet ist, damit die Eltern arbeiten gehen können. Träger müssen deshalb mit Wirtschaftlichkeit argumentieren.“ Wichtiger sei jedoch die Qualität von Kitas und Horten – die sich bei Personalmangel eben nur mit eingeschränkteren Öffnungszeiten aufrechthalten ließe.
Betreuungsquote und Bundesdurchschnitt: Zahlen und Fakten
Mit 56,9 Prozent (2021) hat Sachsen-Anhalt eine der bundesweit höchsten Betreuungsquoten bei Kindern unter drei Jahren. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 34,4 Prozent. Auch bei den Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren liegt die Betreuungsquote mit 93,4 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt mit 91,9 Prozent.
Seit Jahren steigt die Zahl der in Tageseinrichtungen betreuten Kinder im Land. Waren es 2006 noch 116.068 Kinder, wurden 2021 bereits 150.089 Kinder betreut. Der Kitafachkräfteverband Sachsen/Sachsen-Anhalt fordert daher eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.
So soll es ein bundesweit einheitliches System der Kinderbetreuung mit verkleinerten Gruppengrößen und besserem Personalschlüssel geben.