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Ernährung Ernährung: In die Küche statt ins Kino

16.10.2002, 13:56
Spaß am Kochen in der Gruppe - Kurse wie hier mit Starkoch Christian Henze sind auch wegen ihres "Eventcharakters" beliebt.
Spaß am Kochen in der Gruppe - Kurse wie hier mit Starkoch Christian Henze sind auch wegen ihres "Eventcharakters" beliebt. Henze

Hamburg/Probstried/dpa. - Wenn die Bratensoße klumpt und das Zitronengras-Süppchen nicht gelingen will, wünscht sich mancher zur Rettung einen Sternekoch herbei. Der wird so schnell nicht zu jedermann kommen, aber der Hobbykoch kann zu ihm gehen: Kochkurse bei Promi-Küchenmeistern werden immer populärer. Auch Volkshochschulen oder Verbraucherzentren und sogar ein bekannter Würzmittelfabrikant reagieren auf den Bedarf und bieten, auf alltäglicherem Niveau, kulinarische Nachhilfe an.

Die wachsende Lust am Brutzeln und Backen ist vor allem ein großstädtisches Phänomen: Nicht weniger als 74 Kurse widmet etwa die Hamburger Volkshochschule (VHS) im aktuellen Semester dem «Essen und Trinken», sagt Bereichsleiterin Anette Borkel. Handfestes wie «Kochen für Singles» und «Fettarme Brotaufstriche» wechselt sich ab mit Exotischem wie «Malayische Küche» oder «Regionale Ayurveda-Küche». Wer also beispielsweise wissen will, wie Gado Gado zubreitet wird, ein Gemüse-Reis-Gericht mit Erdnusssoße, muss keine weite Reise unternehmen.

Vielen Teilnehmern geht es um Küchenfertigkeiten und Anregungen für neue Gerichte - so etwa dem Studenten Peer Knipprath. Er ließ sich an der Hamburger VHS in «California Cooking» unterweisen: «Wie man Mayonnaise selber macht, weiß ich jetzt», sagt er. Oft locken die Kurse auch durch ihren «Eventcharakter»: Statt im Kino verbringen immer mehr Menschen gern einen Abend am Herd mit Witzigmann und Kollegen.

Christian Henze, Star-Koch mit einem Stern des «Guide Michelin», hat deshalb ein einfaches Ziel für die Kurse, die er in seinem Restaurant «Landhaus» in Probstried bei Kempten im Allgäu anbietet: «Es soll Spaß machen.» Das mag oberflächlich klingen, macht aber Sinn: Denn vom Vergnügen am Kochen war lange keine Rede. Unverständliche Rezeptbücher, humorlose Hauswirtschaftslehrerinnen in der Schule und grauhaarige Köche im Fernsehen, die das Blanchieren von Tomaten zum Staatsakt erhoben, ließen das Küchenhandwerk zur Geheimwissenschaft werden.

Der 34-jährige Henze will den Kursteilnehmern die «Angst vor dem Kochen, vor dem Misslingen» nehmen. Obwohl er selbst einige Kochbücher verfasst hat, nimmt er Rezepte nicht so wichtig: «Das ist immer nur eine Anregung.» Es reiche, wenn man das Prinzip verstehe und dann nach Lust und Zutatenlage «links und rechts daran vorbei» koche. Sein «Freestyle Cooking» scheint anzukommen: Die Kurse sind ausgebucht, Anfänger und versierte Amateure jeden Alters kommen nach Probstried. Es gibt sogar einen Männerüberschuss.

Ob Großküche einer Bildungseinrichtung oder exklusives Refugium eines Großmeisters - mit dem Nutzen des Kurses hat das zunächst nichts zu tun. Vielmehr ist es eine Frage des Geldes. Während VHS und Verbraucherzentren Seminare schon ab zehn Euro anbieten und auch zuzüglich «Lebensmittelumlage» selten die 60-Euro-Grenze überschreiten, muss man bei prominenten Küchenchefs mit deutlich dreistelligen Summen rechnen. Zumeist ist dann aber ein mehrgängiges Menü nach dem Unterricht enthalten.

Vor der Buchung eines Kurses sollte der Hobbykoch über eine wesentliche Frage Bescheid wissen: Darf er selbst an den Herd, oder guckt er nur zu? Im Gourmetrestaurant Le Canard in Hamburg ist letzteres der Fall: Dort zeigt die Küchenmannschaft, wie ein Hummer zerlegt oder ein Wachtelbrüstchen gebraten wird. Der Teilnehmer staunt, probiert, fragt nach und setzt sich dann an den gedeckten Tisch.

Völlig anders läuft es etwa in der Volkshochschule: Dort kocht jeder - oft allerdings an den anderen vorbei. Peer Knipprath hat bei seinen kalifornischen Küchenversuchen bedauert, «dass ich so wenig mitbekommen habe, wie die anderen 15 Teilnehmer zu ihren Zitronenhühnchen oder Sushi-Röllchen kamen». Am Anfang wurde das Menü besprochen, dann wurden die Gerichte aufgeteilt und in Gruppen an verschiedenen Kochstellen gekocht. «Der Erfahrungsaustausch am Schluss, beim gemeinsamen Essen, war zu wenig», so der 27-Jährige.

Einen Mittelweg versucht das auf leichte Küche spezialisierte Restaurant «Fit for Fun» in der Milchstraße in Hamburg. Dort kochen Chef Michael Baptiste oder einer seiner Stellvertreter samstags mit Interessierten die Speisekarte «herauf und herunter». Alle stehen um den Herd, der Könner zeigt, wie es funktioniert und überlässt den Kochlöffel dann den Schülern. Die exotisch klingenden Gerichte sind oft erstaunlich einfach zuzubreiten. Das hat Teilnehmerin Berrit Hoff gut gefallen: «Man braucht gar nicht viel an Zutaten oder Zeit für eine Ente in Guinness oder einen warmen Rucola-Salat», staunt die 43-jährige Hamburgerin.

Küchenmeister Henze bestätigt: «Sie müssen zu Hause keinen Stern verteidigen, auch eine Pizza oder Spaghetti Bolognese sind prima, wenn man sie mit Liebe zubreitet.» Kurz nach der Einweihung war er im neuen Bundeskanzleramt in Berlin und hat für Gerhard Schröder gekocht. «Die Kanzlergattin kam zwischendurch oft in die Küche und wunderte sich über den Spaß, den wir hatten», erzählt Henze. Pizza gab es für den Kanzler jedoch nicht, sondern Reh in Knusperhülle mit Preiselbeertrüffelsoße.