«Eklig, aber lecker» - Würschwitzer Milbenkäse
Würchwitz/dpa. - Millionen Milben krabbeln in einer Kiste und schlecken am Käse. Zwischendurch müssen die 0,3 Millimeter großen Spinnentiere auch frisches Roggenmehl essen, damit vom Käse noch was übrigbleibt.
Denn nach einigen Wochen nimmt ihn der ehemalige Lehrer Helmut Pöschel aus Würchwitz (Burgenlandkreis) wieder aus der Kiste und bietet ihn als Delikatesse an. Rund 1000 Gourmets aus aller Welt kommen jährlich in das Würchwitzer Milbenkäse-Museum, um sich über die Spezialität zu informieren und davon zu kosten. Und während derzeit Studenten aus dem nahen Merseburg das Geheimnis des Milbenkäses wissenschaftlich untersuchen, will Pöschel die Delikatesse noch delikater machen.
«Ich forsche noch nach besserem Quark», berichtet der einstige Biologielehrer, der mit den Milben eine Tradition seiner Mutter, Großmutter und Urgroßmutter fortsetzt. «Wir wollen auf der Alm in Österreich guten Bio-Quark machen, mit dem besten Käsemeister der Welt.» Georg Gründhammer, der mit seinem Bergkäse die «Goldene Käseharfe» gewonnen hat, will den Käse-Macher aus Sachsen-Anhalt unterstützen. Der Quark ist die Grundsubstanz für den Käse: Pöschel entwässert ihn, würzt ihn mit Kümmel, Salz und Holunderblüten. Dann formt er kleine Würste, trocknet sie in der Sonne und legt sie in eine Milben-Kiste.
Der kleine Ort im Länderdreieck Sachsen, Thüringen und Sachsen- Anhalt, in dem es neben dem kleinen Milbenkäse-Museum samt Produktion auch ein 3,5 Tonnen schweres Marmordenkmal zu Ehren der lateinisch als «Tyrogliphus Casei» bezeichneten Tierchen gibt, zieht Neugierige aus aller Welt an. Das japanische Fernsehen war schon da und ein auf seltene Lebensmittel spezialisierter kanadischer Ernährungsprofessor hat sich Käse und Milben mitgenommen, um in seiner Heimat Wirkung und Nebenwirkung zu erforschen. Franzosen, Amerikaner, Belgier, Chinesen und Australier kosteten ebenfalls vom «lebenden» Käse, vor dem sich manch einer auch ekelt.
Etliche japanische Schüler etwa quietschen, kreischen und verziehen das Gesicht, als ihnen Pöschel den Käse präsentiert. «Eklig, aber lecker», lautet der Kommentar einiger Gäste aus Fernost, nachdem sie die Spezialität gekostet haben. Lisbeth Brauer hingegen schwört schon seit Jahrzehnten auf den Käse und ist daher die Würschwitzer Milbenkäse-Königin. «Statt Chips zum abendlichen Bier sind Milbenkäse-Ecken sehr zu empfehlen», sagt die 92-Jährige, die nach einem uralten Rezept Holunderblüten mit dem Käse überzieht.
Pöschel zufolge ist der «Trüffel unter den Käsesorten» sogar als Medizin tauglich - gegen Impotenz und Hausstauballergien. «Viele Allergiker kommen zu mir und nehmen sich in einem Marmeladenglas einen Zucht-Milbenstamm mit», sagt Pöschel. Da er selbst jährlich nur etwa 1000 Stück Käse á 50 Gramm herstellen kann, gibt er vielen Besuchern einen Grundstock für die eigene heimische Milbenkäse-Produktion mit. «In der Kiste müssen die Milben drei Monate lang gepflegt, gefüttert und belüftet werden», rät der Experte.
Weitere Infos: www.milbenkaesemuseum.de