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Ein bisschen krank Ein bisschen krank: Krankschreibung in Teilzeit - geht das?

10.12.2015, 10:13
Die Kosten für das Krankengeld sind den Sachverständigen zufolge seit dem Jahr 2006 stark von damals 5,7 auf 10,6 Milliarden Euro im Jahr 2014 gestiegen.
Die Kosten für das Krankengeld sind den Sachverständigen zufolge seit dem Jahr 2006 stark von damals 5,7 auf 10,6 Milliarden Euro im Jahr 2014 gestiegen. dpa Lizenz

Kranke Arbeitnehmer kosten die Krankenkassen jährlich Milliarden, Tendenz steigend.

• Ein möglicher Ansatz um die Kosten in den Griff zu kriegen: Das Teil-Krankengeld.

• Wenn ein Patient laut Arzt noch 25 Prozent der Stunden arbeiten kann, teilen sich Arbeitgeber und Krankenkasse die Lohnkosten.

• Gesundheitsexpertin der Grünen warnt vor zu viel Druck auf betroffene Patienten.

Seit Jahren geht es ständig nach oben mit den Krankengeldausgaben – bis zu einem Rekord von 10,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. 1,8 Millionen Fälle gab es 2014. Um herauszufinden, woran der Anstieg liegt und ob etwas dagegen getan werden kann, hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Warum steigen die Kosten?

Der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen zeigt nun auf, dass ein Großteil der Steigerungen gar nicht von den Kassen beeinflussbar ist. Die Hälfte des Anstiegs geht darauf zurück, dass die Beschäftigung und die Löhne gestiegen sind – und auch immer mehr Ältere arbeiten.

Aber auch die steigende Krankheitslast macht sich laut der Studie bemerkbar. So geht ein großer Teil der Kosten auf Depressionen und Rückenschmerzen zurück. Allein die „depressive Episode“ macht bei Frauen fast ein Viertel der Ausgaben aus, bei Männern knapp 17 Prozent. Auch ähnliche psychische Störungen schlagen stark zu Buche, ebenso Rückenschmerzen.

Ist das Teil-Krankengeld eine Lösung?

Was könnte nun helfen, die Krankengeldkosten besser in den Griff zu kriegen? Einige Vorschläge der Sachverständigen zielen auf eine bessere Versorgung psychisch Kranker ab. Am spektakulärsten aber ist der Vorstoß für ein Teil-Krankengeld. Es könnte so laufen, dass sich Patient und Arzt darauf einigen, dass der Betroffene zum Beispiel zu 75 Prozent krank und zu 25 Prozent gesund ist.

Er würde also noch zu 25 Prozent arbeiten und einen entsprechenden Anteil des Lohns bekommen – der Rest käme von der Krankenkasse. Die Forscher führen Schweden als Beispiel an, wo die Arbeitnehmer mit Krankschreibung in regelmäßigen Abständen geprüft werden.

Müssen Beschäftige dann krank zur Arbeit?

Ein bisschen krank als Ausweg? Führt das die Krankenkassen nicht erst recht in Versuchung, zum Ein-bisschen-Arbeiten zu drängen? Die Forscher meinen, das Ganze solle im Konsens mit den Betroffenen festgelegt werden – und könnte den Arbeitnehmern sogar mehr Flexibilität geben.

„Natürlich soll ein Patient mit Grippe zu Hause bleiben und erst wieder arbeiten, wenn er ganz gesund ist“, sagte der Allgemeinmediziner Ferdinand Gerlach Spiegel Online. Als Vorsitzender des Sachverständigenrates ist er mit verantwortlich für den Vorschlag zu Teilkrankschreibungen. „Niemand soll arbeiten, wenn er krank ist und nicht möchte. Eine Teilkrankschreibung kann nur im Gespräch zwischen Arzt und Patient erfolgen, auf das der Arbeitgeber keinen Einfluss hat.“

Wo gibt es ähnliche Modelle?

Immerhin: In ganz Skandinavien gebe es solche Modelle inzwischen. In Deutschland hingegen kennt man Ähnliches nur, wenn Patienten gegen Ende einer Krankheitsphase wieder arbeiten – und nach dem sogenannten Hamburger Modell schrittweise wieder einsteigen. Nach sechs Wochen gibt es bei diesem Modell die Möglichkeit, wieder einige Stunden zur Arbeit zu gehen und sich in dieser Zeit weiterhin Krankengeld von der Krankenkasse zahlen zu lassen.

Was sagen die Kritiker des Teil-Krankengeldes?

Kritiker warnen: Versicherungen und Arbeitgeber dürften Patienten, die Krankengeld beziehen, nicht zur vorzeitigen Wiederaufnahme der Arbeit drängen. So sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink, die Expertenempfehlungen dürften nicht dazu führen, „dass auf die Patienten im Krankengeldbezug noch mehr Druck ausgeübt wird als bisher schon oder sie in ihren Rechten eingeschränkt werden“. Stattdessen müsse es vor allem bei psychischen Leiden früher Hilfe geben. (dpa/gs)

Den halben Tag arbeiten, den halben Tag im Bett bleiben? – Wegen der steigenden Ausgaben für das Krankengeld haben Sachverständige die Einführung eines Teil-Krankengeldes angeregt.
Den halben Tag arbeiten, den halben Tag im Bett bleiben? – Wegen der steigenden Ausgaben für das Krankengeld haben Sachverständige die Einführung eines Teil-Krankengeldes angeregt.
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