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Die Brezel - Ein schwäbisches Fingerfood

Von Berit Schmidt 06.10.2008, 13:54

Ulm/dpa. - Die Schwaben essen sie gerne dick mit Butter bestrichen, die Bayern am liebsten zu Weißwürsten. Die Einwohner der Stadt New York und des Bundesstaats Pennsylvania (USA) genießen sie vor allem warm mit Senf.

Die Chinesen entdeckten sie als Zeichen der europäischen Kultur und verzierten Geschirr mit Zeichnungen von ihr. Und selbst im afrikanischen Togo soll man sie nach Angaben der Kunsthistorikerin Irene Krauß kaufen können: Die Brezel.

Ein kleiner Schlenker im Handgelenk, hochwerfen und drehen. Fast virtuos schlingen die Bäcker den Teig und formen ihn so zu einer Brezel. Doch Brezel ist nicht gleich Brezel. Denn: Bei der baden-württembergischen Backvariation ist der Teigstrang in der Mitte dick und an den «Ärmchen» sehr dünn. Außerdem hat sie einen Einschnitt am «Bauch», der beim Backen aufplatzt. In Bayern hingegen hat die Brezel einen gleichmäßig geformten Teigstrang und platzt unregelmäßig auf.

Und selbst die Landesteile im Südwesten haben unterschiedliche Brezeln, schreibt Krauß in ihrem Buch «Gelungen geschlungen. Das große Buch der Brezel». Die schwäbische Backware hat einen dickeren «Bauch», die «Ärmchen» zeigen nach unten. Die badische Brezel ist gleichmäßig dick und ihre «Ärmchen» zeigen nach oben.

Nur das Salz darf nirgends fehlen. Allerdings gelten die Schwaben als sehr geizig und selbst die Brezel bleibt der Legende nach davon nicht verschont. So habe der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) einen besonderen Spartipp gehabt, schreibt Krauß. Bei Empfängen, bei denen die Gäste ihre Getränke selber zahlen mussten, sollten Laugenbrezeln - die wegen des Salz' sehr durstig machen - angeboten werden. Wenn allerdings die Stadt die Getränke zahlte, sollte das Salz vorher abgerieben werden.

Aber wie ist die Brezel eigentlich entstanden? «Um kaum ein anderes Gebäck gibt es derart viele Legenden», schreibt Krauß. Eine dieser Erzählungen besagt, dass der Hofbäcker Frieder aus Urach auf der Schwäbischen Alb im Jahr 1477 im Kerker gelandet ist, weil er so schlecht gebacken hat. Um begnadigt zu werden, sollte er in drei Tagen ein Gebäck formen, durch das dreimal die Sonne scheint. Daraufhin zauberte der Bäcker die Brezel.

Auch die Lauge soll durch Zufall auf das Backwerk gelangt sein. Die Katze eines Bäckers soll neben dem Ofen geschlummert haben, plötzlich aufgeschreckt sein und dabei die Brezeln in eine Wanne mit Lauge gefegt haben. Der Bäcker hatte jedoch keine Zeit, neue Brezeln zu schlingen und buk die gelaugten Brezeln kurzerhand - mit Erfolg.

Doch vermutlich sei die Brezel aus dem Ringbrot der Römer entstanden und habe sich zufällig durch zwei aneinander gebackene Ringbrote zu einer Brezel weiterentwickelt, erklärt der Leiter des Museums für Brotkultur in Ulm, Andrea Fadani. Die Laugenbrezel ging dann schließlich aus der mittelalterlichen Fastenbrezel hervor. Damals war die Brezel noch ein Festtagsessen. Erst danach entwickelte sie sich zum alltäglichen Nahrungsmittel.

Vor rund 700 Jahren wurde die Brezel sogar zum Zunftsymbol und Markenzeichen der Bäcker erklärt. «Das Geflochtene und Geschlungene zeigt die Meisterschaft des Handwerks», sagt Fadani. Noch heute ist sie als Ausleger, Türgriff oder Ladenschild an vielen Bäckereien zu sehen. «Man muss nicht lesen können. Man erkennt daran, wo es frisches Brot gibt.»

Auch in Norddeutschland hat die Brezel mittlerweile die Haushalte erobert - zumindest als Partysnack oder Tiefkühlware. Aber noch immer gilt die Brezel eher in Süddeutschland als Spezialität. «Jeder Bäcker, der etwas auf sich hält, schlingt seine Brezeln», sagt Fadani. Und so produziert ein Bäcker im Süden nach Fadanis Angaben pro Tag 500 bis 1000 Brezeln.

Museum für Brotkultur in Ulm: www.museum-brotkultur.de