Das Haus zum Latte Macchiato: Toskana-Stil in Deutschland
Bad Honnef/Dresden/dpa. - Ein modernes Café in Deutschlands Metropolen, das keinen Latte Macchiato auf der Karte hat, ist kaum noch überlebensfähig - der italienische Lebensstil ist nach wie vor Trend. Kein Wunder, dass auch deutsche Bauherren von Italien träumen.
Ob im fränkischen Herzogenaurach oder auf der Ostseeinsel Rügen: Sogenannte Toskana-Häuser sollen für Mittelmeer-Flair sorgen. «Die Bauherren wollen den Lebensstil, den sie im Urlaub kennen und schätzen gelernt haben, nach Hause bringen», sagt Christoph Windscheif vom Bundesverband deutscher Fertigbau (BDF) in Bad Honnef. Viele Anbieter von Fertighäusern sind in den vergangenen Jahren auf den italienischen Zug aufgesprungen. «Unsere Häuser im Toskana-Stil werden derzeit am stärksten nachgefragt», sagt André Janssen vom Unternehmen Kampa in Minden. Die Kunden versuchten so, ein Stück Süden nach Hause zu holen.
Olaf Zerback aus Cottbus gründete aus diesem Gedanken heraus sogar seine Firma Mediterran Haus. Das Unternehmen verwendet innen und außen viele original mediterrane Materialien. Zum Beispiel werden die Häuser nicht klassisch deutsch verputzt und dann in Apricot-Farben angestrichen. Stattdessen kommt sogenannter Terracotta-Putz aus dem Mittelmeerraum zum Einsatz.
Häuser im Toskana-Stil gibt es in den verschiedensten Ausführungen. Manchen Bauherren reicht schon ein rötlich gestrichenes Haus. «Häufig sieht man Kombinationen aus dem regional vorherrschenden und dem mediterranen Stil», erklärt Windscheif. So findet man in Norddeutschland vereinzelt auch im mediterranen Stil gebaute Häuser, die außen verklinkert sind.
Typische Merkmale für ein Haus im Toskana-Stil sind laut dem Fertighaus-Experten neben dem quadratischen Grundriss warme Farben, bodentiefe Fenster und ein für deutsche Verhältnisse wenig geneigtes Zeltdach. Ins Auge fällt der repräsentative Eingangsbereich: «Oft ist es ein überdachter Hauseingang mit Säulen und einem massiven Balkon.»
«Merkwürdig ist nur, dass unter dem Begriff Toskana-Häuser oft Häuser mit Stilelemente ganz unterschiedlicher Herkunft gemeint sind», sagt Hans-Georg Lippert, Architekt und Professor für Baugeschichte an der Technischen Universität Dresden. So stammten die bodentiefen Fenster eigentlich aus Frankreich. Die Säulen seien typisch für jede Villenarchitektur.
Grundsätzlich ist unter den Architekten die Diskussion entbrannt, ob ortsuntypische Baustile überhaupt nach Deutschland gebracht werden sollten. Andrés Bäppler, Architekt aus Frankfurt/Main, ist durchaus ein Anhänger klassischer Toskana-Häuser, jedoch nur in dem italienischen Landstrich selbst. Hierzulande steht er dem Trend kritisch gegenüber und befürchtet einen Identitätsverlust der Architektur. Von einer gewissen Verantwortung der Architekten für die Baukultur des Landes spricht auch Stefan Schaufert, Architekt aus Rostock: «Ein Neubau sollte nicht nur der Zeit, sondern auch dem Ort gerecht werden.»
«Ich habe kein Problem damit, Baustile zu mischen, Dinge in neuer Form zusammenzustellen und sie zu überregionalisieren, solange es hinterher nicht nach Disney World aussieht», urteilt Hans-Georg Lippert. Dass man durch den Baustil allerdings ein fremdes Lebensgefühl verpflanzen kann, kann er sich nicht vorstellen.