Chaos im Kinderzimmer Chaos im Kinderzimmer: Tipps gegen die Unordnung

Stuttgart/München/dpa. - Selbst abgebrühte Eltern sind manchmal erschüttert, wenn sie am Abend vorsichtig einen Blick ins Kinderzimmer werfen. Häufig sind die Folgen eines Spielenachmittags nicht von den Verwüstungen zu unterscheiden, die eine mittelschwere Naturkatastrophe hinterlassen hätte: Der Fußboden nicht mehr zu erkennen, das Regal ausgeräumt, Tische und Stühle nicht mehr an ihrem Platz - und der Teddybär, den Opa zum Geburtstag geschenkt hat, guckt leidend mit nur noch einem Auge in die Welt. «Was tun gegen den kindlichen Hang zum Chaos?», fragen sich die Eltern dann nicht selten ratlos. Gelassenheit und Konsequenz empfehlen Experten - und zwar in der richtigen Mischung.
«Diese Konflikte gibt es in jeder Familie», sagt Margarethe Schindler, Diplom-Psychologin in Tübingen. «Kinder kommen nicht mit Ordnungssinn auf die Welt.» Im Gegenteil: Das, was Erwachsene als «Ordnung» empfinden, müssen sie erst lernen. «Das Problem beginnt schon damit, dass Unordnung als etwas sehr Negatives gilt», erläutert Schindler. «Aber Kinder brauchen ein Stück Unordnung.» Andernfalls habe auch Kreativität keine Chance. Wenn der Nachwuchs beim Spielen das Zimmer verwüstet, ist Meckern und Motzen daher fehl am Platz.
«Die Frage ist, wie man Kinder dazu bringt, Verantwortung für das zu übernehmen, was ihnen gehört», erläutert die Psychologin. Sinnvoll sei zum Beispiel, sie erfahren zu lassen, dass Ordnung Vorteile haben kann: «Wenn die Stifte nach dem Malen immer an die gleiche Stelle weggeräumt werden, lassen sie sich auch leichter finden», sagt Schindler. Kinder, die erst lange danach suchen müssen, merken schnell, wie lästig das ist. So gut wie hoffnungslos allerdings ist der Versuch von Eltern, diesen Zusammenhang klar zu machen, wenn sie die Stifte dann doch immer wieder selbst wegräumen.
Auch abstrakte Aufforderungen werden von kleinen Kindern oft schlicht nicht verstanden: «Zu sagen "Räum dein Zimmer auf!" reicht nicht», sagt Monika Fischer-Koch, Sozialarbeiterin in der Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Stuttgart. «Am besten, man erklärt genau, was weggeräumt werden soll und wohin.» Wenn das ganze Kinderzimmer nach dem Spielen ein Chaos ist, wüssten kleinere Kinder oft auch gar nicht, wo sie anfangen sollen. «Eltern sollten das dann mit dem Kind zusammen angehen», rät Andreas Kopp, Psychologe in einer Erziehungsberatungsstelle in Garmisch-Partenkirchen.
Ein Ratschlag, den auch Michael Eichberger gibt: «Bei kleineren Kindern muss man auch mit kleinen Schritten anfangen», so der Familientherapeut aus Rellingen (Schleswig-Holstein). Das Kind bekommt eine überschaubare Aufgabe, etwa die, nur einen Teil des Zimmers aufzuräumen. Beim Rest helfen Mama oder Papa. Manchmal könne es schon helfen, eine «Schneise» zu schlagen, damit die Kinder ermutigt werden, mit dem Aufräumen anzufangen, so Jan-Uwe Rogge, Autor und Erziehungs-Experte aus Bargteheide bei Hamburg.
«Die Kinder wollen das dann auch irgendwann alleine machen», sagt Eichberger. «Sie immer selbstständiger werden zu lassen, erfordert allerdings Geduld und Zeit.» Wieviel Unordnung bis dahin erlaubt ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. «Es gibt keine Regel "Es muss so oder so sein"», betont Andreas Kopp. «Aber eine Grenze ist erreicht, wenn ein anderes Kind gefährdet wird», sagt Monika Fischer-Koch. «Etwas größere Kinder müssen zum Beispiel lernen, nicht kleine Teile auf dem Boden liegen zu lassen, die jüngere Geschwister verschlucken könnten.»
«Grenzen aufzuzeigen macht jedenfalls Sinn», sagt Familientherapeut Eichberger. Das gilt etwa, wenn Kinder zu nachlässig mit Spielzeug oder anderen Dingen umgehen, die ihnen gehören: «Wenn dadurch etwas kaputt geht, sollten Eltern das nicht wie selbstverständlich ersetzen», rät der Experte. «Auch wenn Kinder ihre Kleidungsstücke einfach auf den Boden werfen, müssen Eltern das nicht akzeptieren», sagt Margarethe Schindler.
Wenn Aufforderungen, endlich aufzuräumen, keinerlei Erfolg haben, müssen Eltern Konsequenz zeigen: «Bleiben zum Beispiel die Fingerfarben nach dem Malen einfach auf dem Tisch stehen, obwohl vereinbart war, sie wegzuräumen, dann sollten Eltern sie verschwinden lassen», empfiehlt die Psychologin aus Tübingen. Kindern müssen die Grenzen dessen, was Eltern akzeptieren, allerdings auch klar sein: «Über Konsequenzen, die ihnen drohen, sollte deshalb gesprochen werden», sagt Schindler: «Am besten man sagt deutlich "Wenn du das nicht wegräumst, stelle ich es weg und du kannst dann nicht mehr damit spielen".»
Andererseits sollten Eltern Kindern ihre Ordnungsvorstellungen nicht aufzwingen. «Ordnung kann man nicht verordnen», so Jan-Uwe Rogge. Gerade kleinere Kinder hätten zudem oft ihr ganz eigenes Ordnungssystem, zu dem es gehört, Sachen zu verstreuen oder zu zerlegen. Und auch sonst gilt: Manchmal haben Erwachsene und Kinder schlicht unterschiedliche Vorstellungen. «Für einen Vierjährigen kann es ganz normal sein, die Bauklötze und die Puppen in einem Karton zusammen wegzuräumen», sagt Margarethe Schindler. «So etwas müssen Eltern dann akzeptieren.»
Literatur: Jan-Uwe Rogge, Ohne Chaos geht es nicht, rororo, ISBN 3-499-60975-4, 8,90 Euro; Marion Lemper-Pychlau: Kinder brauchen Disziplin - Was Eltern tun können, Herder, ISBN 3-451-053356-5, 9,90 Euro.