Bindungsstörungen rechtzeitig erkennen und vorbeugen
Köln/Berlin/dpa. - Welches Verhältnis Eltern und Kinder zueinander haben, zeichnet sich oft schon vor der Geburt ab. «Ist die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson - in der Regel den Eltern - gestört, war das häufig bereits in der Schwangerschaft angelegt».
Das sagte Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Köln. Es sei wichtig, dass eine werdende Mutter ihre Schwangerschaft annehme und sich helfen lasse, wenn sie in Schwierigkeiten sei. Denn Bindungsstörungen können laut Hartmann darauf beruhen, dass die Schwangerschaft ungewollt war, die werdende Mutter Stress hatte oder die Familie durch den Nachwuchs in finanziellen Nöten steckt. Werde die Mutter nicht rechtzeitig «aufgefangen», bestehe die Gefahr, dass sich die Störungen verstärken.
Gefährdete Kinder seien bei der Geburt untergewichtig oder litten an Drei-Monats-Koliken. Auch «Durchfälle, die nicht Muttermilch-bedingt sind» oder Schwierigkeiten beim Stillen könnten Anzeichen sein. Später mache sich eine Bindungsstörung unter anderem an einer verzögerten Sprachentwicklung bemerkbar: Es seien Kinder, «die mit zwei Jahren mit Müh und Not Silben verdoppeln». Normalerweise sprechen Kinder mit neun bis zwölf Monaten erste Worte und haben im Alter von zwei Jahren einen Wortschatz von 100 Begriffen.
«Außerdem sind solche Kinder nicht in der Lage, emotional zu kommunizieren», erläuterte Hartmann. Sie hätten kein «Urvertrauen» und seien zum Beispiel beim Kinderarzt trotz Anwesenheit der Eltern unsicher oder ängstlich. Die neu eingeführte Vorsorgeuntersuchung U7a im Alter von drei Jahren reicht Hartmann zufolge nicht aus, um solchen Störungen vorzubeugen. Sie ziele lediglich auf das «reine Krankheitenerkennen» ab, kritisierte er.