Schlimme Unfälle Schlimme Unfälle: Warum gibt es immer noch keine Null-Promille-Grenze?

Hoch die Tassen und dann ins Auto. Dabei ist Alkohol am Steuer eines der größten Verkehrsrisiken: Jeder elfte Verkehrstote ist auf den Einfluss von Alkohol zurückzuführen. 2013 verloren in Deutschland fast 55.000 angetrunkene Autofahrer ihre Fahrerlaubnis.
In Deutschland begehen Autofahrer erst ab 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille wird aus der Suff-Fahrt eine Straftat. Dabei warnt die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), dass bereits geringere Promillewerte das Sehvermögen bei Nacht beeinträchtigen und somit die Fahrtüchtigkeit einschränken.
Schon in geringen Mengen löse das Ethanol die äußere, leicht fettige Schicht des natürlichen Tränenfilms auf den Augen auf. Dadurch würden die wässrigen Bestandteile der Tränenflüssigkeit verdunsten und das Sehvermögen bei Nacht nachlassen, erläutern die Augenärzte. Tückisch sei, dass Betroffene diese Verschlechterung selbst kaum wahrnehmen und sich nach einem Glas Wein oder ein, zwei Gläsern Bier noch für uneingeschränkt fahrtüchtig hielten.
DVW und DVR fordern Alkoholverbot am Steuer
Die Deutsche Verkehrswacht (DVW) fordert auch wegen der gestiegenen Zahl der Verkehrstoten ein Alkoholverbot im Straßenverkehr. Ziel sei die „Vision Zero“, also die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu reduzieren.
In Schweden wird „Vision Zero“ bereits umgesetzt. Dort senkte man die Promille-Grenze von 0,5 auf 0,2. Während man in Deutschland mit ungefähr zwei Bier noch Autofahren darf, können sich die Schweden höchstens eins gönnen. Rund 1,5 Millionen Mal wird in Schweden im Jahr ins Röhrchen gepustet. In 90.000 Bussen, Taxis und Lastwagen sind auf freiwilliger Basis „Alcolocks“ angebracht: Bevor der Fahrer seine Nüchternheit nicht bewiesen hat, bewegt sich dort nichts.
Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert ein gesetzliches Alkoholverbot am Steuer. „Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit aller Verkehrsteilnehmer ist vorrangig gegenüber einer Teilgruppe, die trotz der Teilnahme am Straßenverkehr nicht auf den Konsum von Alkohol verzichten möchte“, erklärt DVR-Präsident Dr. Walter Eichendorf. „Es geht um die klare Regel: wer fährt, trinkt nicht und wer trinkt, fährt nicht.“
„Die Gastronomie übt Druck auf die Politik aus“
Niemand bestreitet die negativen Auswirkungen von Alkohol auf die Fahreigenschaft und die Konzentrations-Fähigkeit, dennoch ist Alkohol nach wie vor kein Tabu am Steuer. Warum? Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE) erklärt: „In Deutschland gehört für viele das Glas Wein zum Braten oder das Radler zum Besuch im Biergarten einfach dazu, das wird allgemein als üblich und sozialadäquat angesehen. Wir merken, dass die Gastronomie auf Bundesebene Druck auf die Politik ausübt.“
Doch Hack nennt auch einen anderen Grund, warum die Politik sich eher halbherzig für eine Promille-Grenze einsetzt: „Auch die Zahl der geahndeten Delikte ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken – seit 2012 zählt Alkohol am Steuer nicht mehr zu den Hauptursachen für Verkehrsunfälle.“ Trotzdem gehe der ACE davon aus, dass etwa 400 Menschen pro Jahr bei Alkoholunfällen ums Leben kämen.
Reduziert ein Alkoholverbot die Unfallzahlen?
Generell hält der ACE eine Diskussion über die Einführung eines Alkoholverbots am Steuer für sinnvoll. „Wir respektieren es, wenn gesagt wird: ein Glas Wein zum Festtagsbraten muss erlaubt sein. Wir halten es aber auch für besonders bedenkenswert, was die Spitzenverbände der Verkehrssicherheit fordern. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), ebenso wie die Deutsche Verkehrswacht (DVW), machen sich seit geraumer Zeit für die Einführung von null Promille stark.“
Nach Auffassung des ACE gebe es keine ernsthaften und begründeten Vorbehalte gegen ein solches Verbot. „Die Politik sollte daher die Einschätzungen von DVR und DVW unbefangen aufgreifen.“
Der ADAC ist da anderer Meinung: „Nach Ansicht der Experten würde sich ein solches Verbot kaum in den Unfallzahlen auswirken, da die meisten alkoholbedingten Verkehrsunfälle mit deutlich mehr als 1,1 Promille passieren. Es gilt insofern, die Kontrolldichte zu erhöhen, um bereits bestehende Grenzwerte besser durchzusetzen", so ein ADAC-Sprecher.
Der ADAC ist hingegen für die Nutzung von Alkohol-Wegfahrsperren. „Sie könnten helfen, ein stabiles, sozialverträgliches Verhalten innerhalb von Risikogruppen zu unterstützen.“
Was bringen härtere Strafen?
In Deutschland drohen derzeit bei einem Promille-Wert zwischen 0,5 und 1,0 eine Geldbuße von 500 Euro bis 1500 Euro, sowie zwei Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot. Ab 1,1 Promille drohen mindestens sechs Monate Fahrverbot und ab 1,6 Promille muss die Fahrerlaubnis neu erworben werden. In Italien und Griechenland sind die Strafen jedoch um einiges drastischer, dort können Autos von betrunkenen Fahrern zwangsversteigert werden.
Wäre es also ein erster sinnvoller Schritt, die Strafen für alkoholisierte Fahrer zu erhöhen? „Wir beobachten immer wieder, dass nicht härtere Strafen die Sünder im Straßenverkehr von Fehlverhalten abhält, sondern es vor allem auf die Wahrscheinlichkeit ankommt, entdeckt zu werden. Die Aufdeckungsquote ist in der Regel aber verschwindend gering“, kritisiert Hack.
Der ADAC bläst ins selbe Horn. Die Gruppe der Fahrer, die trotz Rausch hinterm Steuer sitzen, hielte sich schon heute nicht an den geltenden Grenzwert. „Es ist davon auszugehen, dass sie sich auch nicht durch ein erhöhtes Bußgeld von einer Alkoholfahrt abbringen lässt. Wünschenswert wären deutlich mehr Alkoholkontrollen.“

