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Jubiläum Jubiläum: Erfinder der selbsttragenden Karosserien feiert seinen 100.

Von Heiko Haupt 06.07.2006, 11:26

Turin/dpa. - Dann und wann verirrt sich mal einBesucher der Fiat-Niederlassungen in die Abteilung der noblenTochtermarke des italienischen Herstellers, der Abschluss vonKaufverträgen ist allerdings ein eher seltenes Ereignis. Zwar hat derName Lancia bis heute noch einen gewissen Klang. Die Autos stoßenjedoch auf begrenztes Interesse: Laut Kraftfahrt-Bundesamt inFlensburg wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nur 1026Fahrzeuge der Marke in Deutschland neu zugelassen. Nur die Wenigstenwissen, dass Lancia eine der traditionsreichsten und innovativstenMarken ist - die in diesem Jahr zudem ihren 100. Geburtstag feiert.

Unten drunter ein stabiler Rahmen, oben drauf eine Karosserie - sowurden früher Autos gebaut. Heute gibt es solche Rahmen nur noch beiGeländewagen. Herkömmliche Autos haben so genannte selbsttragende Karosserien, also im Grunde eine Blechhülle, die alle weiteren Teileträgt. Die Idee allerdings ist alt - erfunden und erstmals realisiertim Jahr 1922 bei Lancia. Es gibt viele Ideen, die ihren Ursprung inden Werkshallen in Turin haben. So sind Stahlfelgen heute bei jedemStandardauto selbstverständlich - ihre Premiere hatten solche«Scheibenräder» statt der gebräuchlichen Speichen einst am LanciaTheta. Und wenn Volkswagen heute V-Motoren mit kleinem ZylinderwinkelW-Motoren nennt, steckt dahinter eine Lancia-Idee aus dem Jahr 1915.

Der Mann hinter dem Firmennamen und vielen der Neuerungen istVincenzo Lancia. Dessen Herkunft ließ nicht von vornherein aufInnovationen im Automobilbau schließen: 1881 geboren, wuchs er alsSohn eines wohlhabenden Suppenkonserven-Herstellers auf. Frühallerdings stellte sich heraus, dass er nicht die von den Elterngewünschte Karriere im Familienbetrieb machen würde. Vielmehrbegeisterte sich der junge Vincenzo für Technik.

Mit der Folge, dass er in der Werkstatt des FahrradimporteursGiovanni Ceirano ausgebildet wurde. Dort wiederum arbeitete derKonstrukteur Aristide Faccioli auch an einem Motorwagen, was dann imJahr 1899 zur Gründung der Firma Fabbricia Italiana Automobili Torinoführte. Bekannt wurde das Unternehmen später vor allem durch dieKurzfassung des Namens: F.I.A.T.

Lancia selbst machte in der neuen Firma eine frühe Karriere, warunter anderem Test- und Werksfahrer. Bei diversen Rennen fuhr LanciaErfolge ein. Doch Vincenzo Lancia lag wohl vor allem daran, seineeigenen Ideen in die Tat umzusetzen: Mit nur 25 Jahren gründete erdaher im November 1906 gemeinsam mit Claudio Fogolin in Turin seineigenes Unternehmen Lancia & C. Fabbrica Automobili. Mit dem Modell12HP erschien im Jahr 1908 das erste Fahrzeug der jungen Marke.

In der Folge wurde Lancia durch viele neue Ideen bekannt. Und auchdadurch, dass der Chef dem Prinzip folgte, nicht den Preis, sondernvor allem ausgefeilte Technik in den Vordergrund zu stellen. Dasmachte einen Lancia zu einem ungewöhnlichen, aber auch recht teurenAuto. «Autos von Lancia waren immer kompromisslos - entwederbesonders exklusiv oder besonders sportlich», sagt Johannes Hübner,Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main.Der AvD organisiert das Lancia-Jubiläumfest in Deutschland, das am 2.und 3. September auf einem Barockschloss in Schwetzingen bei Mannheimmit vielen Original-Oldtimern stattfindet.

Dieses Prinzip ist aber auch einer der Gründe für ein Phänomen,das sich durch die Geschichte der Marke zieht: Irgendwie schrammteman an den großen Erfolgen ebenso wie am Aus immer wieder vorbei. Dassetzte sich auch in der Zeit nach Vincenzo Lancia fort, der 1937starb. Zum Beispiel der Motorsport: So konnte man in den fünfzigerJahren manche Erfolge feiern, verschenkte die Autos jedoch an dieScuderia Ferrari, nachdem Lancia-Fahrer Alberto Ascari 1955 bei einemUnfall starb - die Beschenkten wurden damit 1956 Weltmeister.

Allerdings gab es auch eine Phase, in der Lancia eine echte Größeim Motorsport war - in den siebziger und achtziger Jahren. So giltder Lancia Stratos mit seiner ausgeprägten Keilform bis heute nichtnur als echtes Traumauto. Man gewann damit auch von 1974 bis 1976 dieRallye-Markenweltmeisterschaft. Was dann mit weiteren Modellen wiedem Lancia Beta Montecarlo oder dem Delta S4 wiederholt wurde. DerHaken an der Sache war jedoch, dass sich selbst solche Erfolge niewirklich dauerhaft auf die Verkaufszahlen auswirken konnten.

So ungewöhnlich wie die Autos waren auch die Typbezeichnungen.Anfangs suchte man sie wie bei Beta und Delta aus dem griechischenAlphabet. Anfang der dreißiger Jahre muss dann jemand einen Blick aufeinen Straßenatlas der Stadt Rom geworfen haben. Fortan trugen dieModelle römische Straßennamen. Der Lancia Aprilia verwies auf die ViaAprilia, der Appia auf die Via Appia. In den siebziger Jahren wurdewieder das griechische Alphabet hervorgeholt.

Natürlich waren Renn- und Rallyeautos nicht alles, was bei Lanciaentstand. Die feinen und ausgefeilten Straßenmodelle hatten und habenteilweise Liebhaberstatus - brachten aber nie den ganz großen Erfolg.Mit der Folge, dass Lancia 1969 wieder dort landete, wo derFirmengründer einst herkam: bei Fiat. Unter der neuen Obhut gab mansich zunächst alle Mühe, den hochwertigen Ruf durch mangelndeQualität zu ruinieren. Mittlerweile ist sich Lancia jedoch derTradition wieder bewusst und versucht, an das Erbe anzuknüpfen: Aufdem Pariser Automobilsalon im Herbst könnte laut Lancia inFrankfurt/Main ein Nachfolger des legendären Fulvia Coupés aus densechziger Jahren offiziell angekündigt werden.