Isetta-Treffen 2013 Isetta-Treffen 2013: Kleine Isetten bewegen viele Menschen

Ahrweiler DMN. - Drei BMW Isetten stehen auf dem Marktplatz in Ahrweiler vor der Kirche. Zwei nebeneinander, die dritte Isetta parkt ein Stück entfernt. Die kleinen, rundlichen Oldtimer sind nur die Vorhut. In Kürze werden ihnen viele weitere Isetten, BMW 600 und BMW 700 folgen, die am Morgen im nahen Mayschoß zu einer Ausfahrt durch das Ahrtal gestartet sind.
Ihre Fahrer sind am Samstag zum Jahrestreffen des Isetta Clubs in Mayschoß zusammengekommen. Zur Mittagszeit werden insgesamt 163 Oldtimer – darunter 142 Isetten – den Marktplatz in Ahrweiler in einen Rummel aus buntem Blech und staunenden Menschen verwandeln.
Noch ist es ruhig. Doch schon die drei verfrühten Isetten ziehen Schaulustige an. Passanten weichen in weitem Bogen von ihrem geplanten Weg ab und stehen schließlich vor den Wagen. Einige Radwanderer waren eigentlich nur für ein Gruppenfoto auf den Marktplatz gekommen. Nun umringen die Männer eine kleine, blau-weiße Isetta. Eine ihrer Frauen besteht darauf, dass die Herren sich endlich zum Foto aufstellen – vergebens.
Wie viele Männer passen in eine Isetta?
Was macht die Isetta so attraktiv? Ist es die rundliche Form? Oder das sympathische Auto-Gesicht mit den kleinen Froschaugen-Scheinwerfern? Ist es der ungewöhnliche Einstieg über die weit aufschwingende Klappe in der Fahrzeugfront? Wahrscheinlich spielt all das eine Rolle, aber noch viel anziehender sind die Geschichten, die mit der BMW Isetta verbunden sind. Fast jeder scheint an diesem Tag Anekdoten zu kennen, ob aus eigenem Erleben oder von Freunden und Angehörigen.
Manche alte Geschichte wird anhand einer greifbaren Isetta hinterfragt. Eine ältere Dame schüttelt ungläubig den Kopf. „Willi, da wart ihr mit fünf Mann drin?“ Willi hilft der Vorstellungskraft seiner Frau auf die Sprünge. Er zeigt auf die Lehne der Sitzbank. „Man kann hinten auf die Bank klettern und oben das Verdeck aufschieben.“ Im Nu hat seine Frau den Umstehenden erzählt, dass ihr Willi eine Isetta sucht, weil er sein erstes Auto wieder fahren möchte. Ihm bleibt nur noch, zu bestätigen: „Ja, ich bin da an einer dran.“
Isetta-Preise – damals und heute
Eine gute, fahrbare Isetta wird ihn allerdings heutzutage mehr kosten als seinerzeit. Im ersten Produktionsjahr 1955 kostete eine Isetta 2.580 Mark. In ihrem letzten Produktionsjahr 1962 kostete sie 2.795 Mark. „Für eine gute, fahrtüchtige Isetta zahlen Sie heute zwischen 14.000 und 20.000 Euro“, sagt Ekkehard Grimm, zweiter Vorsitzenderdes Isetta Clubs. Obwohl er Isetta-Besitzer ist, sei er nicht glücklich über diese Preisentwicklung. Immer weniger junge Leute leisteten sich heute eine Isetta. So fehle dem Isetta Club auf lange Sicht der Nachwuchs.
Dabei haben gerade die jungen Zuschauer viel Spaß an den Isetten. Mädchen und junge Frauen im führerscheinfähigen Alter umrunden die kugeligen Autos mit gezückten Smartphones, knipsen und filmen.
Auch Matthias ist fasziniert von den kleinen Wagen mit der großen Klappe. Auf die Frage nach seinem Alter streckt er Daumen und Zeigefinger vor – er ist zwei Jahre alt – und legt dann schüchtern sein Gesicht auf Mamas Arm. Kurz darauf sitzen beide in der Isetta, die der kleine Junge zuvor mit offenem Mund bestaunt hat. Damit Matthias auch sieht, wie Isetta-Fahren wirklich ist, macht die Besitzerin die Klappe zu. Der kleine Junge kann gerade noch über die Unterkante der Frontscheibe schauen. Er reckt sich. Man sieht immer noch sein Lachen – und es bleibt für eine ganze Weile.
Bequem zum Aussteigen
Ein hochgewachsener Mann bekommt ebenfalls das Angebot, in eine Isetta einzusteigen. Er beugt seinen Kopf tief und steigt bucklig durch die Klappe. Im Innenraum dreht er sich in die Sitzposition. Er setzt mehrmals zu der Bewegung an, weil er mit dem Gesäß das Lenkrad streift. Endlich sitzt er. Als er nach einer Zeit wieder aufsteht, lacht er und sagt mit niederländischem Akzent: „Aber ist bequem für raus.“
Mit der Bequemlichkeit ist es bei den Isetten manchmal nicht so weit her, bestätigt auch ein älterer Herr. „Ich hatte selbst eine Isetta. 1959 war das. Wir haben sie Schlaglochsuchgerät genannt.“ Diesen Spitznamen trug die Isetta zu ihrer Zeit tatsächlich, denn die Reifen stehen an der Hinterachse enger zusammen als vorn. Durch ein Schlagloch, das man zwischen die Vorderräder nimmt, rumpelt man dann eben mit den Hinterrädern. Einige Isetten wurden für den Export sogar wie die Kabinenroller-Konkurrenz mit nur einem einzelnen Hinterrad gebaut. So konnten sie als Kleinkrafträder angemeldet werden, um Steuern zu sparen.
„Knutschkugel“ der Wirtschaftswunderjahre
Die Isetta hatte allerdings einen weiteren, bis heute beliebten Spitznamen – die „Knutschkugel“. Vielleicht ein Ausdruck für die große Bedeutung der geliebten Isetta, die vielen Menschen erste Mobilität brachte, Erlebnisse und unvergessliche Erinnerungen. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Isetta billiger als ein Auto, aber im Gegensatz zu einem Motorrad bot sie Schutz vor dem Wetter. „Außerdem durfte die Isetta mit 250 Kubikzentimeter-Motoren nach dem Krieg mit dem alten Motorradführerschein gefahren werden“, sagt Ekkehard Grimm vom Isetta Club.
So war die Isetta in Wirtschaftswunder-Zeiten für viele ihr erstes Auto. Als der Traum vom Reisen die Bürger der jungen Bundesrepublik beflügelte, machten sich auch viele Isetten auf die beschwerliche Urlaubsfahrt nach Italien. In so einem kleinen Auto ist der Urlaub ein Abenteuer, an das man sich lange erinnert.
Sätze wie „1962, da wurde es dunkel auf der Autobahn, wenn die Lkw vorbeifuhren“, gehören zum Repertoire der Erinnerungen, die auf dem Marktplatz in Ahrweiler ausgetauscht werden. Bis in die 70er Jahre hinein sollte die Isetta – dann als günstiger Gebrauchter – für viele Fahranfänger das erste Auto bleiben.
Die Rettung für BMW
Dem Erfolg der „Knutschkugel“ im In- und Ausland hat auch ihr Hersteller BMW viel zu verdanken. Die Bayerischen Motorenwerke hatten sich mit ihrer teuren Oberklasse-Limousine, dem „Barockengel“ BMW 501 verkalkuliert. Hohe Produktionskosten und geringer Absatz brachten BMW an den Rand einer Übernahme durch Mercedes. Erst der Erfolg der Isetta (161.728 verkaufte Exemplare von 1955 bis 1962) stabilisierte den angeschlagenen Autobauer. Dabei war die Isetta keine eigenständige BMW-Konstruktion. Sie basiert auf der 1954 in Turin vorgestellten Isetta des italienischen Motorrad-Herstellers Iso Rivolta.
In den Jahren 1957 bis 1959 bot BMW den BMW 600 an. Der Viersitzer hat den Einstieg für Fahrer und Beifahrer an der Front wie die Isetta, aber an der rechten Seite eine zusätzliche Seitentür für die Passagiere auf der Rückbank. Er wurde auch „große Isetta“ genannt.
Doch er bot bei etwa gleichem Preis weniger Platz als das Standard-Modell des VW Käfers. Vor allem hatte der BMW 600 keinen echten Kofferraum, nur eine Ablagemulde hinter der Rücksitzbank. So wurden nur 34.813 Fahrzeuge hergestellt.
Tatütata, die Isetten sind da
Eine Sirene ertönt. Mit Blaulicht fährt eine Polizei-Isetta auf den Marktplatz in Ahrweiler. Sie bringt die Gespräche kurz zum Verstummen und lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Reihe bunter Isetten, die sich wie Perlen an der Kette hinter dem kleinen Polizeiwagen ihren Weg durch die Innenstadt von Ahrweiler bahnen. Waren vorher nur vereinzelte Autos eingetrudelt, so sollte der Strom jetzt nicht mehr abreißen.
Auch Claus Schultz ist mit seiner Isetta unter den ersten, die im Autokorso auf dem Marktplatz eintreffen. Das Verdeck seiner Isetta ist noch offen wie am Morgen bei der Abfahrt in Mayschoß – und sein Kopf schaut oben heraus. Der hünenhafte Mann aus Norddeutschland hält bei der Fahrt mit seiner Isetta die Stirn in den Wind. So muss er nicht vorgebeugt sitzen. Wie es wohl aussieht, wenn er mit dem winzigen Motorrad fährt, das auf dem Anhänger der Isetta steht? An diesem Tag bleibt die Honda Monkey jedenfalls auf dem Hänger.
Ein Flickenteppich aus buntem Blech
Obwohl ein kräftiger Regenschauer einsetzt, flüchten die Zuschauer nur unter den Pavillon auf dem Marktplatz und die Markisen der umliegenden Geschäfte. Sie wollen den Anblick nicht verpassen, wie sich der Platz Auto für Auto mit Isetten füllt. Die Einweiser in den gelben Sicherheitswesten winken, gestikulieren und rufen. Schließlich sollen die vielen Fahrzeuge auch auf den Markt passen.
Die Autos parken sehr dicht nebeneinander. Zum Aussteigen braucht die Isetta ja nur den Platz nach vorn. Das ist aber nicht in allen Situationen praktisch. Margit Fekeler vom Isetta-Club erinnert sich an einen Scherz, der oft mit Isetta-Fahrern getrieben wurde.
Da die Autos leicht und klein sind, können mehrere Leute sie hochheben und versetzen. „Die haben die Isetta dann mit der Klappe vor eine Mauer gestellt, so dass man nicht mehr rein kam“, sagt Margit Fekeler.
Ein- und aussteigen können die Fahrer auf dem Marktplatz in Ahrweiler zwar problemlos, aber für das Wegfahren nach der Rast werden sie Geduld brauchen, so vollgeparkt ist der Platz. Bis in die Winkel und an die Seitengassen des Marktplatzes heran stehen die Autos – ein Flickenteppich aus buntem Blech. Schließlich reicht nicht einmal der Blick aus dem Dachfenster eines anliegenden Restaurants aus, um alle Isetten, BMW 600 und BMW 700 zu sehen, geschweige denn auf ein Foto zu bekommen.






