Citroën Dyane Citroën Dyane: Das «Mauerblümchen» der Autowelt

Paris/dpa. - Es gibt Autos, denen fliegen die Herzen nur sozu. Die werden gesehen, geliebt und fortan aufopfernd gepflegt. DieDyane von Citroën gehört nicht in diese Kategorie. Sie ist vielmehrdas genaue Gegenteil - ein ewiges Mauerblümchen der Autowelt.Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte sie einfach nur dieDyane sein können. Das konnte sie aber nicht, denn schließlich gab esda noch die «ältere Schwester», der schon immer die Zuneigung einergroßen Gruppe von Autofahrern galt. Gemeint ist die Ente. Und sosteht die Dyane wie ein hässliches Entlein bis heute im Schattenjenes Modells, das sie eigentlich einmal ablösen sollte.
Citroëns 2CV ist der Inbegriff eines Kultautos. Die Ente gilt bisheute als eine Art rollender Protest gegen das Auto als Statussymbol.Während andere den Spoiler anschraubten, klebten Enten-Besitzer einstden «Atomkraft - nein danke!»-Sticker ans Heck. Als PS-Fanatiker inCowboy-Stiefeln neben polierten Alufelgen posierten, stemmtenEnten-Fahrer die Birkenstock-Sandale auf das Gaspedal. Doch das kamerst später. In den sechziger Jahren war die Ente vor allem eines:schon ziemlich veraltet. Immerhin stammt das Grundkonzept desEinfachst-Autos aus den dreißiger Jahren.
Doch die Ente war nicht nur in die Jahre gekommen, sie hatte seitdem Beginn der sechziger Jahre auch einen ernst zu nehmendenKonkurrenten: Renault brachte mit dem R4 ein Fahrzeug auf den Markt,das vieles etwas besser konnte als der kleine Citroën. Es bot mehrMotor, mehr Komfort und insgesamt auch irgendwie mehr «echtes» Auto.Die logische Konsequenz wäre also gewesen, dass man sich bei Citroënan die Arbeit machte, um eine zeitgemäße Neukonstruktion auf dieRäder zu stellen.
Das war allerdings einfacher gesagt als getan. DieCitroën-Entwickler hatten zu dieser Zeit schon genug zu tun. Siewerkelten an einem Kompaktmodell, das später mit der Bezeichnung GSauf den Markt kommen sollte. Außerdem stand die große DS-Serie zurÜberarbeitung an, die klassische Frontpartie mit den rundenScheinwerfern wurde in das bekannte Gesicht mit den breiten Leuchtenverwandelt. Dann war da noch der Traum von einem Top-Modell, dasalsbald mit dem Namenskürzel SM und einem Maserati-Motor unter derHaube über die Straßen preschen sollte.
Doch es war nicht nur so, dass die Citroën-Mannen alle Hände vollzu tun hatten. Es ging natürlich auch um das Thema Geld, und davongab es eben nicht genügend für eine komplette Neuentwicklung. Alsowurde die nahe liegende Idee geboren, den Klassiker 2CV zuüberarbeiten. Vorrangig ging es um das äußere Erscheinungsbild, dasmodernisiert werden sollte. Das Ergebnis wirkte fast so, als hätteman eine verunfallte Ente mit Teilen eines Renault 4 wiederfahrfertig gemacht. Statt der charakteristisch frei stehenden Lampengab es nun Scheinwerfer, deren Gehäuse in die Kotflügel eingebautwaren. Als Schmuck bekamen die sogar noch einen Chromring spendiert.
Das restliche Blechkleid konnte seine Herkunft zwar nichtverleugnen, wies aber doch verschiedene Änderungen im Detail auf. Sowirkten Kotflügel und Fronthaube insgesamt eckiger. Hinten gab es nunnach dem Vorbild des R4 eine richtige Heckklappe. Auch insgesamthatte die Dyane im Vergleich zu ihrem Ursprung zugelegt. Laut der inMainz erscheinenden Zeitschrift «Oldtimer-Markt» war sie siebenZentimeter länger als der 2CV. In der Breite gab es ein Plus von zweiZentimetern, dafür wurde die Dachhöhe um sechs Zentimeter gekappt.
Das alles hört sich nach einem deutlich erwachseneren Auto an, undtatsächlich gab es innen auch mehr Raum zum Sitzen und für dasGepäck. Unverständlicherweise ging das zumindest anfangs nicht miteinem entsprechenden Plus an Motorleistung einher. Vielmehr wurde derkleine Zweizylinder-Boxermotor mit ein paar Kunstgriffen von einst 16auf nun gerade einmal 18 PS gebracht - was nicht gerade eine Garantiefür ansprechende Fahrleistungen war.
So kraftlos tuckerte der große kleine Citroën nach seinerVorstellung im Jahr 1967 auch erstmal zu den Kunden. Allerdings hatteCitroën dann doch ein Einsehen. Schon im Jahr 1968 gab es - zumindestin Hinblick auf bisherigen Werte - eine regelrechteLeistungsexplosion. Im Januar erschien die Dyane 6 mit dem 600Kubikzentimeter großen Motor aus dem Citroën Ami 6, im März folgtedie Dyane 4 mit einem 435-Kubikzentimeter-Motor. Beide waren wiegewohnt Boxermotoren mit zwei Zylindern - und nahezu identischerLeistung. Denn obwohl es beim Hubraum recht große Unterschiede gab,lagen die Leistungswerte mit 24,5 PS in Dyane 6 und 24 PS in derDyane 4 erstaunlich dicht beieinander.
Damit war also endlich der gewünschte Respekt-Abstand zur Entehergestellt - was die Citroën-Leute nicht davon abhielt, diesenschnell wieder zunichte zu machen. Kaum zwei Jahre später schraubteman die besagten Aggregate auch im Motorraum der Ente fest. Dass derDyane dann noch einmal zusätzliche Pferdestärken verabreicht wurden,half nicht wirklich.
In den folgenden Jahren wurde deutlich, dass die Dyane die Entenicht vom Fließband stoßen konnte. Zwar verkaufte das Auto sich ganzordentlich, stand aber zahlenmäßig ständig im Schatten des 2CV. Beidem war in der Zwischenzeit jener Wandel eingetreten, der ihn vombloßen Fortbewegungsmittel zum Kultobjekt machen sollte. Mit derGeneration der 68er startete die Ente ihren Siegeszug auf denParkplätzen der Universitäten und den Höfen der Wohngemeinschaften.Die Dyane dagegen saß irgendwie zwischen allen Stühlen. Sie war zuviel Auto, um Enten-Lenker zu locken, aber zu wenig Auto, um für dieschon etwas verwöhnteren Kleinwagen-Fahrer jener Zeit noch als echteAlternative durchzugehen.
Immerhin hielt Citroën weiter durch und produzierte die Dyane bis1983 - am Ende kam man auf gut 1,4 Millionen gebaute Exemplare. Einenkleinen Achtungserfolg gab es sogar auch noch. Der hieß Acadiane underschien erst 1978 auf der Bildfläche. Hinter dem Namen verbirgt sichdie Lasten tragende Kastenversion der Dyane, die es schaffte, dievergleichbare Ausführung des 2CV schneller als sie selbst zu einemTeil der Automobilgeschichte werden zu lassen: Die Acadiane wurde bis1987 gebaut. Die Ur-Ente allerdings gab es noch bis 1990.