1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Auto
  6. >
  7. BMW: BMW: Der Golf auf zwei Rädern

BMW BMW: Der Golf auf zwei Rädern

Von Hans-Ulrich Köhler 13.04.2013, 16:30
Die Kardanwelle ist bei der Neuauflage der großen GS von rechts nach links gewandert.
Die Kardanwelle ist bei der Neuauflage der großen GS von rechts nach links gewandert. WE Lizenz

Halle/MZ. - Dieses Motorrad ist ein Phänomen. Obwohl es relativ teuer ist - aktuell 14 100 Euro - wird es in Deutschland am meisten gekauft. Die BMW R 1200 GS führt seit Jahrzehnten die Zulassungsstatistik an, weit vor den Modellen aus Japan, und es sieht nicht so aus, ob sich daran etwas ändert. Das ist der prägende Eindruck nach den ersten vierhundert Testkilometern zur Premiere der neuen 1200er GS.

Denn alles, was die Kundschaft an der Maschine so ausdauernd liebt, wurde noch perfekter und festigt den Mythos, den man Autofahrern am besten so nahe bringt: Das ist der Golf unter den Motorrädern - die große GS läuft und läuft und läuft.

Warum? Irgendwie kann diese Maschine alles gut, obwohl sie weder ein reinrassiger Sportler noch eine Geländemaschine ist. Ihre Fans schmücken sie deshalb mit dem eigenwilligen Namen Eier legende Wollmilchsau, was die Sache aber ziemlich gut trifft.

Das technische Grundprinzip ist gleich geblieben, seit BMW vor 90 Jahren das erste Motorrad auf den Markt brachte. 1923 bot die Marke die R 32 an, die einen luftgekühlten Zweizylinder-Viertakt-Boxer-Motor mit längs liegender Kurbelwelle und Kardanantrieb zum Hinterrad hatte.

Revolution im Motor

Ein Zweizylinder Boxer mit rund 1 200 Kubik Hubraum treibt auch die neueste GS wieder an. Äußerlich schaut das Aggregat auf den ersten Blick aus wie das Vorgängermodell. Aber im Inneren haben die Bayern Revolution gemacht.

Erstmals seit neun Jahrzehnten wird ein BMW-Boxer nicht mehr mit Luft, sondern mit Wasser gekühlt. Das trägt maßgeblich mit dazu bei, dass die ohnehin schon ausgereifte Laufkultur des Motors noch mal gewonnen hat an Geschmeidigkeit und Belastbarkeit. BMW-Ingenieure nennen diese Art der Kühlung „Präzisionskühlung“. Das heißt, die 1,2 Liter Wasser kühlen hier die besonders heißen Motorteile.

Die Schwinge liegt nun links

Und in noch einem Punkt erfolgte ein scharfer Schnitt: Die Kardanwelle wanderte von ihrem Stammplatz rechts auf die linke Seite. Der Effekt liegt hier mehr im praktisch-ästhetischen Bereich: Der heiße Auspuff ist nun weg vom aufsteigenden Fahrer und das von der Schwinge frei geführte Hinterrad ist besser zu sehen. Damit es beim scharfen Herunterschalten nicht mal blockiert, gibt es eine neuartige „Anti-Hopping-Funktion“ für die Kupplung.

Der neue Boxer hat nun 125 PS, das sind 15 mehr als bisher. Das ist in jedem Drehzahlbereich spürbar, weil man nun in jeder Gangstufe noch zupackender aus niedriger Drehzahl nach oben kommt. Die Experten sprechen vom noch „fülligeren“ Drehmomentverlauf. Praktisch spürt man das so. Ab Tempo 80, 90 kann man den sechsten Gang nutzen, ohne dass es ruckelt und zuckelt beim Beschleunigen. Selbst ab 6 000 Umdrehungen gibt es noch mal so eine kraftvolle Beschleunigung, dass es dem Fahrer die Arme lang zieht, extrem kräftiger Durchzug ist aber schon ab Leerlauf garantiert. Bei 220 km/h ist Schluss mit dem Vortrieb, dann wird es natürlich auch nichts mit dem Sparen. Auf den ersten Testkilometern auf Bergstraßen und Autobahnen meldete der Bordcomputer einen Verbrauch von 4,4 Litern, ein angenehmer Wert. Auf der Autobahn ausgefahren, schnellt die Sache auf über sechs Liter an.

Der bekannte tiefe, sonore Klang des Motors schmückt auch das jüngste Modell, das gegenüber dem Vorgänger zwar durch allerlei technische Aufrüstung fünf Kilo schwerer geworden ist. Mit 238 Kilo bleibt die Maschine aber ein überaus angenehm zu handelnder Brocken unter den schweren Enduros. Tief nach wie vor der Schwerpunkt, verstellbar die Sitzhöhen (85 bis 87 cm). Es gibt mehr Bodenfreiheit, wichtig für alle, die ins Gelände wollen. Wer es kann, kann der GS dort einiges zumuten.

In punkto Sitzkomfort und Handling passt die Neue wie ein Maßanzug, auch wegen der traditionell aufrechten Sitzposition und des breiten Rohrlenkers, der die Maschine so perfekt dirigierbar macht. Das Windschild ist nun per Handrad verstellbar - rechts. Der Windschutz ist vorbildlich, auch bei Tempo jenseits der 160.

Für die Feinschmecker unter den Fahrern bietet die neue GS noch mehr elektronische Helfer, die das Fahren sicherer und komfortabler machen und die Fahrfreude steigern, wenn man sich in der Lage sieht, die Maschine in Grenzbereichen zu fahren. Aber dafür muss man sehr aufmerksam rein horchen, rein fühlen ins Motorrad.

Auf den Testrunden war Gelegenheit dazu. Gab es bisher das elektronisch verstellbare Fahrwerke ESA (hart/weich), bietet die neue GS zusätzlich fünf Fahrprogramme an, aus denen man je nach Straßenverhältnis und Fahrwünschen wählen kann.

Road, Rain und Dynamic gibt es für die Straße, Enduro und Enduro Pro sind die Angebote für das Gelände. Deutlich spürbar wird dabei u. a. Einfluss genommen auf Traktionskontrolle, ABS-Verhalten und die Motorcharakteristik, so dass der erfahrene Pilot sich in Zusammenspiel mit ESA sein optimales Fahrprogramm mixen kann, eine feine Sache, die natürlich extra zu bezahlen ist. Der Könner auf dem Sattel wird spüren, dass die erfolgreiche Maschine durch diese elektronische Unterstützung noch mal an Agilität gewonnen hat.