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Aronstabgewächse Aronstabgewächse: Pflanzen mit «kriminieller» Energie

Von Helga Panten 16.03.2005, 13:35

Bonn/dpa. - Mit einer gehörigen Portion Arglist lebt es sich gut - zumindest aus der Sicht der Aronstabgewächse. Freiheitsberaubung und Irreführung stehen auf dem Lebensplan der Pflanzen, botanisch Araceen genannt.

Über Jahrtausende haben sie sich damit erfolgreich durchgesetzt. Wer ihnen dabei zusehen will, hat im Wald, im Garten und auf der Fensterbank Gelegenheit dazu. Im frühen Frühjahr entdeckt man die Pfeilblätter des Aronstabs (Arum maculatum) im Laubwald und in naturnahen Gärten. Zwischen den frischgrünen, schwarz getupften Blättern recken sich fast immer blass-grüne, tütenförmig gerollte Hochblätter. Im unteren Teil wirken sie eigentümlich eingeschnürt. Öffnet man sie behutsam, sausen Insekten voller Panik ans Licht.

Für die Geruchsorgane von Fliegen riecht es verlockend schlecht aus dem Inneren des Hochblattes. Entsprechend rasch geht es in den grünen Schlund. Die Einschnürung im unteren Drittel wird mühelos überwunden. Aber von der Nahrung, die so appetitlich geduftet hat, gibt es keine Spur. Nur ein paar männliche und weibliche Aronstabblüten recken sich dem Eindringling entgegen. Entschließt er sich zur Umkehr, ist der Weg plötzlich versperrt. Kräftige Reusenhaare machen den Engpass unüberwindbar.

Mit aufgeregtem Gekrabbel suchen die Eingesperrten nach einem Ausweg, bepudern sich dabei mit Pollen und tragen ihn auf die weiblichen Blüten. Ist das in ausreichender Menge geschehen, erlahmen die Reusenhaare. Das Gefängnis öffnet sich wieder. Im Spätsommer beweist der Fruchtstand voll knallroter Beeren, wie erfolgreich die Freiheitsberaubung gewirkt hat.

Im Garten lässt sich das gleiche Schauspiel mit dem attraktiven Italienischen Aronstab (Arum italicum) erleben. Seine kräftigen, pfeil- bis herzförmigen Blätter fallen im lichten Schatten durch helles Aderngeflecht auf. Wer keinen Garten hat, entdeckt Pflanzen, die den gleichen Trick zu nutzen suchen, auch im Zimmer. Die Alocasia, als schönblättrige Zimmerpflanze in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden, entwickelt die charakteristischen Hochblätter mit ihrer Einschnürung. Mangels interessierter Insekten fällt die Befruchtung im Zimmer allerdings meist aus.

Mit einer perfiden Variante ist das größte Aronstabgewächs, der Titanwurz (Amorphophallus titanum), erfolgreich. Bekannt geworden ist das Riesengewächs kürzlich durch seinen Platz im Guinness-Buch der Rekorde. Mit 2,74 Metern Höhe entwickelte er im Botanischen Garten Bonn die größte Blüte der Welt. Das Riesenexemplar lockte nicht nur mit purpurfarbenem Hochblatt und einem pfahlförmigen Kolben. Die Blüte stank auch nachdrücklich nach Aas. In Sumatra, der Heimat des Titanwurz, fühlen sich Aaskäfer davon unwiderstehlich angezogen.

Andere Aronstabgewächse wie die Anthurie (Anthurium andraeanum und scherzerianum), das Einblatt (Spathiphyllum wallisii) oder die Zimmercalla (Zantedeschia aethiopica und Zantedeschia-Hybriden) sind weniger raffiniert. Sie setzen - wie die meisten anderen Pflanzen - auf die Farbe des Hochblatts und entlohnen ihre Liebesboten durch eiweißreichen Pollen, die der stattliche Kolben bietet.