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Ab ins Bett - Viele Pflanzen sind echte Schlafmützen

Von Helga Panten 07.09.2015, 07:10

Bonn/dpa. - Glücksklee (Oxalis tetraphylla) soll das neue Jahr in rechte Bahnen lenken. Ob er das wirklich tut - abwarten. Währenddessen lässt sich an ihm aber ein verblüffendes Phänomen studieren: Er geht nämlich schlafen - zumindest sieht das für uns so aus.

Sobald es dunkel wird, klappt der Klee seine Blättchen zusammen wie ein kleiner Schirm. Schlafbewegung oder Nastien nennen Fachleute die Reaktion auf das Dunkelwerden, die Carl von Linné vor mehr als 250 Jahren als erster beschrieb. Am nächsten Morgen wird das Schirmchen wieder aufgespannt. Die Bewegung geschieht mit Hilfe von kleinen Gelenken, die als winzige Verdickungen am Grunde jedes Blättchens sitzen. Allabendlich schwillt ihre Oberseite kurzfristig an, wird dadurch ein wenig länger und senkt so das Blatt. Am nächsten Morgen wird der Zellsaft in die Unterseite des Gelenks gepumpt und das Blatt streckt sich wieder.

Blüten, die sich abends zusammenlegen wie die des Schlafmützchens (Eschscholzia), schützen damit die empfindlichen Staubgefäße und Stempel. Bei den Blättern ist die Lage weniger klar. Charles Darwin meinte, auch sie schützen sich vor Auskühlung. Vielleicht weichen die Blättchen aber auch nächtlichem Tau aus, der von hängenden Blättern abtropft und Pilzerkrankungen fördert.

Was auch immer der Grund ist, der Wechsel zwischen Schlaf- und Tagesstellung hat offenbar Vorteile, denn der Glücksklee steht nicht allein damit. Am heimischen Sauerklee (Oxalis acetosella) im Wald lässt sich das beobachten, auf der nächstbesten Wiese am Wiesenklee (Trifolium pratense), aber auch an vielen anderen Arten, die mit Klee überhaupt nichts zu tun haben.

Unter den Zimmerpflanzen zeigt die «Sleeping Beauty» Schlafbewegungen. Hinter der vergleichsweise neuen Topfpflanze steckt der tropische Chikrassy-Baum (Chukrassia tabularis). Anders als der Klee faltet er seine Blätter nicht zu Schirmchen zusammen. Die Fiederblättchen klappen einfach nach unten und hängen scheinbar schlaff in zwei Reihen nebeneinander.

Einige Pflanzen ziehen sogar doppelten Nutzen aus ihren beweglichen Blättern oder Trieben. Die Mimose beispielsweise hebt und senkt ihre Blätter nicht nur täglich. Viel bekannter ist ihr schlagartiges Zusammenklappen. Sie reagiert auf Berührungen ebenso wie auf Erschütterungen, und vielleicht lassen sich sogar Fressfeinde von der jähen Bewegung abschrecken.

Noch seltsamer benehmen sich die Bohne und die Indische Telegrafenpflanze (Desmodium motorium). Beide besitzen neben dem deutlichen Tag-Nachtrhythmus einen zweiten Bewegungsrhythmus. Die Bohne bewegt sich zusätzlich im Stundentakt. Die Telegrafenpflanze wedelt im Minutentakt mit kleinen Nebenblättchen. Der Rhythmus hängt offenbar mit der Temperatur zusammen, denn Wärme verkürzt ihn, Kälte verlangsamt ihn. Vielleicht vollführt die Pflanze damit eine Pumpbewegung, die den Transport von Mineralstoffen beschleunigt. Aber sicher ist das nicht. Die scheinbar so eindeutige Welt der Pflanzen birgt nach wie vor ungelöste Rätsel.