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Tenor Tenor: Rolando Villazón und der Kampf mit Händel

27.04.2010, 15:38
Star-Tenor Rolando Villazon (FOTO: DPA)
Star-Tenor Rolando Villazon (FOTO: DPA) dpa

HAMBURG/DPA. - Er breitete die Arme aus wie einst Pavarotti, er schäkerte mit demPublikum - Tenor Rolando Villazón hatte schon gewonnen, bevor er denersten Ton sang. Zweimal zog er sich wegen Stimmkrisen von der Bühnezurück. Jetzt ist er wieder da - und wurde frenetisch gefeiert.

Selbst wenn einige Noten seinem Temperament zumOpfer fielen: Star-Tenor Rolando Villazón hat erkennbar wiederRiesenspaß am Singen. Zwar war er zu Beginn seines Hamburger Konzertsmit Händel-Arien nervös - aber warum eigentlich? Denn kaum betrat eram Montagabend die Bühne, erhob sich ein Beifallssturm. Und derSänger rechtfertigte die Begeisterung, wenn er auch sicher nicht dergrößte Barock-Stilist ist. Aber er sang die mit Koloraturengespickten Arien mit großer Agilität und viel Charme - das Publikumapplaudierte im Stehen. Ist dies der Auftakt zu einer neuen Karrierenach Jahren mit Stimmkrisen und Absagen?

Erst im März hatte der Tenorliebling als Nemorino in Donizettis«Liebestrank» sein Comeback an der Wiener Staatsoper gegeben - derzweite Karriereneustart eines Sängers, der sich schon 2007 wegeneiner akuten Stimmkrise von der Bühne zurückziehen musste. ImFrühjahr 2009 begann dann seine zweite, fast ein Jahr währendeAuszeit, nachdem bei ihm eine Stimmbandzyste entdeckt worden war, dieoperiert werden musste.

Solche Krisen gab es immer im Opernbetrieb, der mit seinenTalenten, gerade den größten, nicht unbedingt zimperlich umgeht.Schon die Schweizer Sopranistin Lisa della Casa beklagte vor Jahrendas Prinzip, «den Saft auszupressen und die Orange wegzuwerfen». Dasscheint auch das Problem Villazóns zu sein, der dem «Opernglas»einmal sagte: «Ich bin nicht mehr nur Sänger, sondern ein Produkt.»Dabei erkannte er die Ursache seiner Schwierigkeiten vor allem mitden hohen Tönen selbst - zu viele Engagements und zu schwere Rollen:«Ich wollte alles haben. Erfolg, Spaß, überall auftreten.»

Und die großen Rollen seines Stimmfachs singen - wie Verdis «DonCarlo» oder den Don José aus Bizets «Carmen». Dafür schien ihn seineStimme zu prädestinieren, ein voluminöser Tenor mit einemeinschmeichelnd weichen Timbre, das an Placido Domingo erinnert. Dochzunächst sieht sein Kalender eher Partien wie Nemorino, Alfredo inVerdis «La Traviata», Rodolfo in Puccinis «La Boheme» und dieHändel-Konzerte vor.

Händel könnte sich für Villazón als Weg aus der Kriseherausstellen - wenn er der Musik auch stilistisch einiges schuldigblieb: Die Koloraturen aspirierte er, band die Töne also mit demstimmlosen H, auch fehlten ihm oft die tiefen Töne. Dafür sangendlich ein Tenor mit kerniger Stimme die Stücke, für die sonst eheroft blässliche Oratorientenöre aufgeboten werden.

Was es auf sich hat mit dem Barock, zeigten aber vor allem dasfantastische englische Alte-Musik-Ensemble «Gabrieli Players» unterder Leitung von Paul McCreesh und die britische Sopranistin LucyCrowe, die die Cleopatra-Arien aus Händels «Giulio Cesare» mitatemberaubender Virtuosität und feingefluteten, zarten hohen Tönensang.

Das war Villazóns Sache nicht, der die Barockarien mit Energie undüberschäumendem Temperament sang. Wenn er sich zurücknahm, wie in derArie «Scherza infida in grembo al druda» aus «Ariodante», war dasErgebnis hervorragend. Aber vor allem blieb er stimmlich innerhalbseiner Mittel, ohne mit zuviel Kraft singen zu müssen - anders alsfrüher, da er sich, wie der Musikkritiker und Autor Jürgen Kestingeinmal schrieb, dazu hatte verleiten lassen, «nicht mit der Stimme zusingen, die er hatte, sondern die er gerne hätte».