«Die Unbeholfenen» - eine Bewusstseinsnovelle von Botho Strauss
München/dpa. - München In seinem neuen Buch «Die Unbeholfenen» bleibt Botho Strauss seinem Ruf als scharfsinniger Gesellschaftskritiker treu. Diese «Bewusstseinsnovelle», so der Untertitel, liest sich wie ein universeller Weltgeist-Monolog im Zeichen der Internetvernetzung, verteilt auf sechs Personen, die sich in einer hermetisch abgeschlossenen Gesellschaft gegenseitig Stichwörter zu elitären Statements geben.
Grundtenor: «Am Ende der modernen Bewusstseinsgeschichte...steht nur noch die Ruine des Informierten, der nichts mehr bedenkt und schließlich auch nichts mehr mitbekommt, Infodemenz.»
Botho Strauß lässt seine Figuren an einem abgeschiedenen Ort die Zeit diagnostizieren. Die äußere Handlung ist wie bei einem Theaterstück auf die Konversation reduziert, erst nach rund 100 Seiten wird diese Novelle, bis dahin ein eher philosophischer Essay, der literarischen Definition der Gattung gerecht. Galt zunächst für die Protagonisten der intellektuelle Status «keine Eltern, keine Kinder. Kein Vorher, kein Nachher. Endstation» wird als «unerhörte Begebenheit» auf überraschende Weise das Mutterprinzip in die Runde eingeführt. Die Mutter erfährt durch den Erzähler der Novelle eine Verjüngung zur Geliebten und findet zu ihren plötzlich veränderten Kindern zurück.
«Die Unbeholfenen» lesen sich phasenweise wie die Weiterentwicklung früherer Werke von Botho Strauss, etwa seiner scharfsinnigen Gesellschaftskritik «Kalldewey, Farce» von 1981 oder «Paare, Passanten» von 1981. Er wählt dazu eine abgehobene Sprache, die er stellenweise mit philosophischen Anspielungen und Hinweisen überfrachtet: «Die Farbe Mensch ist lichtlos geworden. Niemand kennt mehr das Geheimnis ihrer feineren Valeurs. Das Inkarnat das Humanat, das man jetzt aufträgt, hat mit dem Farblicht der alten Meister nichts mehr gemein.»
Botho Strauss
Die Unbeholfenen. Bewusstseinsnovelle
Carl Hanser Verlag, München
122 Seiten, Euro 12,90
ISBN 978-3-446-20917-6 (dpa)