Armenier Armenier: Türkei will Konzert der Dresdner Sinfoniker zum Thema Völkermord verhindert
Berlin - Nach der heftigen Reaktion der türkischen Regierung auf das sogenannte Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann trifft nun offenbar auch die Dresdner Sinfoniker wegen eines Konzertprojekts zum türkischen Massaker an den Armeniern der Unmut Ankaras. Das Orchester warf den türkischen Behörden am Samstag vor, Druck auf das Ensemble und die Europäische Union auszuüben, um die Erwähnung des Begriffs „Genozid“ bei den Aufführungen zu verhindern.
Das Werk hatte 2015 in Berlin Premiere, ohne dass es für Ärger sorgte; die nächste Aufführung ist in Dresden am 30. April. Orchesterchef Markus Rindt beklagte einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Demnach forderte die türkische Botschaft bei der EU die EU-Kommission auf, Subventionen in Höhe von 200.000 Euro für das Projekt wieder einzukassieren. Zwar sei es bei der finanziellen Unterstützung geblieben, teilte Rindt mit. Die Kommission haben das Orchester jedoch gebeten, die entsprechenden Textstellen abzumildern und das Wort „Genozid“ zu streichen.
Die EU selbst nahm den Hinweis auf das Projekt von ihren Websites. Eine Kommissionssprecherin bestätigte die Entfernung des Projekthinweises. Dies sei „vorübergehend“ erfolgt, um in der Zwischenzeit mit den Projekt-Veranstaltern über eine „neue Formulierung“ zu diskutieren.
Die Dresdner Sinfoniker schreiben auf ihrer Website, die Konzerte seien ein „Zeichen der Versöhnung“. Im Orchester spielen türkische und armenischeMusiker. Stein des Anstoßes sind die Texte, die gelesen oder von einem Chor vorgetragen werden, ebenso wie der Titel „Aghet“ (Katastrophe). „Aghet“ ist einer der Ausdrücke der Armenier für das Massaker.
Türkei wehrt sich gegen Begriff
Die Türkei wehrt sich seit langem gegen die Einstufung der Massaker, bei dem nach armenischen Angaben zwischen 1915 und 1917 mindestens 1,5 Millionen Menschen ums Leben kamen, als „Völkermord“. Ankara spricht dagegen von 300.000 bis 500.000 getöteten Armeniern und ebenso vielen Toten auf Seiten der Türken bei bürgerkriegsartigen Kämpfen und Hungersnöten.
Ankara hatte zuletzt den Druck auf Intellektuelle und Journalisten im Inland deutlich erhöht und geht auch im Ausland verstärkt gegen unliebsame Kritiker vor. Nachdem der Satiriker Böhmermann den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einer Satire mit Worten unter der Gürtellinie angegriffen hatte, verlangte Ankara eine Strafverfolgung Böhmermanns wegen Beleidigung ausländischer Staatschefs.
Gegen den Widerstand des Koalitionspartners SPD erteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die dazu nötige Ermächtigung. (afp)