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Zweitgrößtes Land der Erde Liberaler Wahlsieg in Kanada: Carney will Trump trotzen

Der US-Präsident mischte die Parlamentswahl in Kanada mit Drohungen auf. Davon profitieren die Liberalen. Sieger Carney will sich ihm entgegenstellen. Verlierer Poilievre fliegt gar aus dem Parlament.

Von Christina Horsten, dpa Aktualisiert: 29.04.2025, 15:13
Der Wahlsieger Carney muss sich Trumps aggressiver Politik widersetzen.
Der Wahlsieger Carney muss sich Trumps aggressiver Politik widersetzen. Justin Tang/The Canadian Press/AP/dpa

Ottawa - Nach dem Sieg seiner liberalen Partei bei der Parlamentswahl in Kanada will Premierminister Mark Carney sich der aggressiven Politik von Präsident Donald Trump im Nachbarland USA entschlossen entgegenstellen. „Präsident Trump versucht, uns zu brechen, damit Amerika uns besitzen kann, aber das wird niemals passieren“, sagte Carney in seiner Siegesrede. 

Hintergrund sind wiederholte Drohungen Trumps, Kanada als 51. Bundesstaat zu annektieren. Zudem hat Trump hohe Zölle gegen das Nachbarland in Kraft gesetzt, dessen Volkswirtschaft aufs Engste mit der Amerikas verflochten ist.

Sein konservativer Gegenkandidat Pierre Poilievre, dessen Politikstil mehr an den von Trump erinnert, gestand die Niederlage ein und gratulierte Carney. Seine Partei werde in der Opposition „ihren Job machen und die Regierung zur Verantwortung ziehen“.

Liberale verpassen absolute Mehrheit knapp

Die Liberalen erhalten nach Auszählung in rund 99 Prozent der Wahllokale voraussichtlich 168 Sitze im Parlament in der Hauptstadt Ottawa – und bleiben damit knapp unter der absoluten Mehrheit von 172. Die Konservativen kommen demnach auf 144 Mandate. Dritte Kraft wird mit voraussichtlich 23 Sitzen die Regionalpartei Bloc Québécois.

Poilievre verlor bei der Wahl sogar seinen Sitz im Parlament, den er seit 2004 innehatte. Stattdessen gewann im Wahlkreis in der Hauptstadt Ottawa Prognosen der Wahlbehörde zufolge der liberale Kandidat Bruce Fanjoy.

Auch der Spitzenkandidat der sozialdemokratischen New Democratic Party, Jagmeet Singh, verlor seinen Sitz in einem Wahlkreis in der westkanadischen Provinz British Columbia – und kündigte seinen Rücktritt an. 

Die beiden anderen Spitzenkandidaten großer Parteien – Yves-François Blanchet vom Bloc Québécois und Elizabeth May von den Grünen – konnten ihre Sitze verteidigen. Mays Mit-Vorsitzender Jonathan Pedneault bekam jedoch keinen Sitz. 

Carney: „Schock des amerikanischen Verrats überwunden“

„Amerika will unser Land, unsere Ressourcen, unser Wasser“, warnte Carney in seiner Rede in Ottawa mit Blick auf Trump. Dies seien keine leeren Drohungen. Man müsse anerkennen, dass sich die Welt grundlegend verändert habe. „Unsere alte Beziehung mit den USA, eine Beziehung, die auf stetig zunehmender Verflechtung beruhte, ist vorbei“, sagte Carney weiter. „Wir haben den Schock des amerikanischen Verrats überwunden, aber wir sollten die Lektionen nie vergessen.“ Kanada werde seine Beziehungen „zu verlässlichen Partnern“ in Europa, Asien und anderen Teilen der Welt stärken.

Der britische Premierminister Keir Starmer gratulierte Carney zum Sieg. „Das Vereinigte Königreich und Kanada sind die engsten Verbündeten, Partner und Freunde“, hieß es von Starmer, der auch betonte, dass beide Länder mit König Charles III. dasselbe Staatsoberhaupt haben.

Vierter Sieg in Folge der Liberalen bei Parlamentswahlen

Es ist die vierte Parlamentswahl in Folge, die die kanadischen Liberalen für sich entscheiden können, was in der Geschichte des G7-Landes ungewöhnlich ist. Rund 29 Millionen Menschen waren im flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde zur Wahl aufgerufen. Die Abgeordneten werden per Direktwahl bestimmt. 

Konservative führten scheinbar uneinholbar – doch dann kam Trump

Der liberale Wirtschaftsexperte Carney hatte die Posten des Parteivorsitzenden und Premierministers erst vor wenigen Wochen nach einer parteiinternen Abstimmung von Justin Trudeau übernommen, der Anfang des Jahres angesichts sinkender Beliebtheit nach rund zehn Jahren seinen Rückzug angekündigt hatte. Carney wurde erstmals auch ins Parlament gewählt.

Die Einmischung Trumps hatte den Wahlkampf in Kanada komplett auf den Kopf gestellt: Lange lagen die oppositionellen Konservativen in Umfragen scheinbar uneinholbar vorn, doch im Widerstand gegen den US-Präsidenten rückten die Kanadier zusammen und versammelten sich nun überwiegend hinter Carney. Noch am Wahltag forderte Trump die Kanadier erneut auf, einer Eingliederung in die USA als 51. Staat zuzustimmen.

Erfahrener Krisenmanager gegen „Canada First“-Kandidat

Der 60-jährige Carney bringt nationale und internationale Krisenerfahrung mit. Während der Finanzkrise leitete der aus Alberta stammende Politiker ab 2008 die kanadische Zentralbank. Zwischen 2013 und 2020 war Carney während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien, anschließend bis Januar dieses Jahres UN-Sondergesandter für Klimaschutz. Er plädiert für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern. 

Der politische Stil des konservativen Spitzenkandidaten Poilievre trägt dagegen klare Trump-Anleihen. So sprach der 45-Jährige, der für niedrige Steuern und Kürzungen bei Staatsausgaben steht, ebenfalls von Fake-News, einer woken Ideologie linksradikaler Kräfte und versprach, Kanada immer an erste Stelle setzen zu wollen - „Canada First“. Das kam lange gut an – doch dann kam Trump. 

Wahl auch unter dem Eindruck von tödlicher Autofahrt in Vancouver

Weitere zentrale Wahlkampfthemen waren der starke Anstieg der Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, der Zugang zu bezahlbarem Wohneigentum sowie Gesundheitsfürsorge und Migration.

Die Wahl fand zudem auch unter dem Eindruck eines tragischen Vorfalls in der Westküstenmetropole Vancouver am Wochenende statt: Bei einem Straßenfest der philippinischen Gemeinde fuhr ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge und tötete mindestens elf Menschen. Ein verdächtiger 30-Jähriger wurde festgenommen. Die Polizei zeigte sich überzeugt, dass es sich nicht um einen Terrorakt handele.