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Interview mit Flixbus-Gründer  Interview mit Flixbus-Gründer André Schwämmlein: "Wir müssen es auch in den USA schaffen"

Von Annika Leister 07.07.2018, 14:31
Andre Schwämmlein, der Gründer von Flixbus.
Andre Schwämmlein, der Gründer von Flixbus. dpa

Berlin - Es sind erst fünf Jahre vergangen, seit André Schwämmlein (36) mit zwei Freunden in München Flixbus gründete. Heute ist das Unternehmen Quasi-Monopolist im Fernbussegment: Die grünen Busse transportierten 2017 40 Millionen Kunden - das macht nach Schätzungen einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent.

Damit nicht genug: Vor Kurzem hat Flixbus 140 neue Haltestellen in Deutschland angekündigt, mischt auf dem gerade geöffneten Fernbus-Markt in der Schweiz mit, ist in die USA expandiert und macht der Deutschen Bahn als Flixtrain im Fernverkehr auf der Schiene Konkurrenz. Ein Gespräch über Risiken und die Zukunft der Verkehrsbranche.

Herr Schwämmlein, unter den zahlreichen Projekten, die Flixbus in den vergangenen Monaten angekündigt hat, sind zwei besonders risikoreich: Erstens sind Sie gerade in die USA expandiert, in einen gesättigten Markt, auf dem Greyhound 40 Prozent hält. Wie wollen Sie da bestehen?

André Schwämmlein: Wir müssen es auch in den USA schaffen, das Produkt Bus neu zu erfinden und ganz neue Kunden zu gewinnen. An der US-Westküste ist das Image des Fernbusses noch extrem schlecht - deswegen sind wir gerade dort gestartet. Wir halten an den Universitäten, wollen die jungen Leute ansprechen, die Lust auf Reisen ohne Auto haben. Das passiert dort zurzeit nicht.

Zweitens sind Sie mit Flixtrain jetzt auch auf der Schiene unterwegs und treten in Konkurrenz mit dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn. Andere vor Ihnen sind daran gescheitert. Was lässt Sie glauben, dass es Ihnen anders ergeht?

Schwämmlein: Hier ist die Lage ähnlich: Wir wollen der Deutschen Bahn gar keine Marktanteile abnehmen. Heute fährt die DB mehr Menschen als je zuvor und macht so viel Umsatz wie noch nie. Wir haben also auch bisher keine Kunden abgeworben, sondern einen neuen Markt geschaffen: Wir haben Menschen aus ihren Autos rausgeholt und Menschen zum Reisen gebracht, die das vorher nicht konnten.

Natürlich sprechen Sie mit Ihrem Angebot aber auch den Kundenstamm der DB an.

Schwämmlein: Klar ist Flixtrain ein Wettbewerbsprodukt zum ICE. Aber nur zu sagen: Ich nehme ein paar Leute aus dem ICE raus – das wäre zu uninspiriert. Das Ziel muss sein, dass wir in Deutschland am Ende nicht 150 Millionen Menschen auf der Schiene haben. Sondern 200 Millionen Bahnfahrer und mehr. Das ist zurzeit ja auch politischer Wille. Wir wollen da unseren Beitrag leisten - und den Rückenwind nutzen.

Auch als Reaktion auf die Konkurrenz durch Flixtrain hat die DB kürzlich Supersparpreise von 19,99 Euro angekündigt und eine stärkere Kooperation mit dem ÖPNV. Sehen Sie die Gefahr, dass Sie die Bahn besser machen und selbst untergehen?

Schwämmlein: Das ist der Kollateralgewinn für den Kunden. Natürlich ist es einfacher, wenn sich der Wettbewerber gar nicht bewegt. Aber die Zeiten sind vorbei. Wir haben auch die letzten fünf Jahre gut überstanden. Ich behaupte: Flixtrain wird nicht verschwinden.

Ihre Tickets sind extrem günstig, die Fahrten selten, die Züge etwas älter. Wollen Sie irgendwann auch für die Kunden der Ersten Klasse interessant werden?

Schwämmlein: Wir wollen Mobilität für alle bieten. Für jene, die ihre Familie oder Freunde besuchen und flexibel reisen. Es wird auch demnächst nicht Erste-Klasse- oder 300-Kmh-Hochgeschwindigkeitszüge geben. Flixtrain soll ein Produkt sein, das zwischen ICE und Flixbus steht.

Sie haben aber angekündigt, ab Dezember auf der Schnellstrecke zwischen Berlin und München fahren zu wollen, wenn Sie den Trassenzuschlag erhalten. Das ist eine reine ICE-Strecke mit in Deutschland einzigartiger Ausrüstung. Wie soll das technisch überhaupt funktionieren?

Schwämmlein: Falls wir den Trassenzugang erhalten, ist noch unklar, wann wir überhaupt starten. Wir sind ja nicht verpflichtet, gleich im Dezember loszulegen. Es braucht auf dieser Strecke ein spezielles Leitsystem für die Lok. Das ist grundsätzlich aber nicht unmöglich, auch wenn wir keinen neuen ICE bekommen. Den wird uns die Bahn wohl keinesfalls verkaufen.

Sie haben mehrere neue Strecken beantragt. Die Trassenvergabe ist Aufgabe der Bahntochter DB Netz. Befürchten Sie, benachteiligt zu werden?

Schwämmlein: Die Botschaft von Politik, Bahn und DB Netz lautet bisher eindeutig: Wir begrüßen den Wettbewerb. Deswegen bin ich grundoptimistisch. Genau wissen wird man es erst, wenn wir die Trassen bekommen. Spannend wird es natürlich auch, wenn wir mehr wollen als das – mehr Trassen, eine höhere Taktung, mehr Wachstum.

Was, wenn Sie den Zuschlag für die neuen Strecken nicht erhalten?

Schwämmlein: Wir haben gute Vorarbeit geleistet und einen fundierten Antrag gestellt. Es gibt keinen Grund, uns die Trassen nicht zu geben. Sollte eine Ablehnung kommen, werden wir die Begründung genau prüfen und gegebenenfalls anfechten. Aber die Gefahr sehe ich zurzeit nicht.

Wann sind Sie selbst zuletzt Bahn gefahren?

Ich kann mich nicht erinnern.

Das ist jetzt doch gelogen.

Schwämmlein (guckt rasch auf dem Handy nach): Vor einem Jahr. Ich wollte um 23.50 Uhr von Erlangen nach München fahren, da kam kein Flixbus mehr. Ah nein, Moment, jetzt erinnere ich mich! Ich habe den Zug verpasst. Mein Wille war da, aber ich kam zu spät.

Wechseln wir zur Straße: Sie treten dafür ein, dass die Bundesregierung die Dieselsubventionen abschaffen soll. Warum?

Schwämmlein: Wenn man die Wende möchte, weg von Individualverkehr und Verbrennungsmotor, dann muss man auch die Anreize richtig setzen. Ich muss dann auch so fair sein, zu sagen: Wenn das für private Fahrzeuge gilt, dann auch für Busse. Wir wollen uns dem nicht verschließen.

Wo und wie sollte die Bundesregierung stattdessen investieren?

Schwämmlein: Das Geld muss dahin fließen, wo es gezielt den Wandel vorantreibt: Natürlich in die Infrastruktur, aber auch in einen Mix bei Verkehrsträgern und Antriebsmethoden.

Wenn wir von Antrieben sprechen: Welche Form sollte unterstützt werden?

Schwämmlein: Ich finde es seltsam, wenn Technologie-Diskussionen in der Politik geführt werden. Damit habe ich bisher keine guten Erfahrungen gemacht. Die Zukunft ist ohnehin schwer vorherzusagen und man kann schnell daneben liegen, wenn man sich auf 20 Jahre festlegt. Wir brauchen mehr ergebnis- und technologieoffene Förderung. Ich finde, die Bundesregierung sollte sagen: Wir unterstützen den Weg – schreiben aber nicht die konkreten Schritte vor.

In Frankreich ist auf einer Strecke die erste Flixbus-Flotte unterwegs, die von Elektromotoren angetrieben wird. Wie sind da die Rückmeldungen?

Schwämmlein: Sehr positiv. Die Strecke ist mit 150 Kilometern relativ kurz. Wir fahren Sie seit Mitte März. Bisher hatten wir noch keinerlei Probleme. Die Energie reicht konsequent, bisher ist kein Bus liegengeblieben. Bei der Wetterlage ist das aber auch unkompliziert, weil man nicht kühlen oder heizen muss. Spannend wird das im Hochsommer.

Auch für Deutschland ist der E-Start angekündigt. Wann soll es losgehen?

Schwämmlein: Sommer 2018 ist unser Ziel, aber wir haben noch kein konkretes Datum festgelegt. Zurzeit hapert es an der Infrastruktur.

Was heißt das genau?

Schwämmlein: Es sind dieselben Themen, die es auch beim Elektroauto zu diskutieren gilt: Wo lade ich mein Auto? Wer stellt die Ladestellen auf? Wo hängen sie am Netz? In Frankreich war das bei unserer Teststrecke bedeutend einfacher. Aber wir lernen aus der Kleinstaaterei in Deutschland. In den USA können wir mit Blick auf die Bundesstaaten zum Beispiel sagen: Wir sind Schlimmeres gewöhnt.

Sie verwenden in Frankreich zurzeit Busse eines chinesischen Herstellers. Mercedes will Ende des Jahres als erster deutscher Hersteller einen E-Bus auf den Markt bringen. Werden Sie dann umsteigen?

Circa 80 Prozent der aktuellen Flixbus-Flotte, also rund 1500 Fahrzeuge, sind Fabrikate von deutschen Herstellern. Gerne hätten wir auch bei den E-Bussen auf die Modelle der führenden deutschen Hersteller eingesetzt. Allerdings sind die derzeit in der technologischen Entwicklung noch nicht für den Betrieb im Fernbus-Verkehr geeignet. Wir stehen hier in Gesprächen und hoffen, dass der Testbetrieb ein klares Zeichen setzt, um Innovationen „Made in Germany“ im Bereich alternativer Antriebe auch bei Fernbussen voranzutreiben.

Stichwort Kleinstaaterei: Auf der einen Seite gibt es Lokalpolitiker, die sich explizit Flixbus-Haltestellen in ihrer Region wünschen. Auf der anderen Seite gibt es Großstädte wie Köln, die die Flixbus-Haltestelle am Hauptbahnhof verboten hat. Wie sehr ärgert Sie das?

Schwämmlein: Das Gute ist, dass es inzwischen viele gibt, die sich Haltestellen wünschen – und die Großstadt Köln der einzige Fall ist, der es noch immer nicht verstanden hat. Dort ist es tatsächlich ärgerlich: Unsere Kunden fahren mit dem Zug von Hamburg nach Köln – müssen aber raus aus der Stadt oder nach Düsseldorf, um in unsere Busse zu steigen. In anderen Ländern, in denen wir unterwegs sind, herrscht bei Lokalpolitikern ein ganz anderes Verständnis für das Verkehrsmittel Bus, weil sie früher selbst damit gefahren sind. Ich glaube, das Verständnis wird mit den Jahren auch in Deutschland wachsen.

Flixbus-Kunden stöhnen immer wieder über Unpünktlichkeit und mangelnde Service-Qualität. Sehen Sie Bedarf, da nachzubessern?

Schwämmlein: Wir haben uns da in den letzten 12 Monaten sehr viele Gedanken gemacht. In einer großen Offensive haben wir Fahrzeiten angepasst und Wege optimiert, um die Pünktlichkeit zu erhöhen. Unsere Werte waren in drei Jahren nie besser als jetzt. Und wir haben viele weitere Ideen um das Produkt weiterzuentwickeln – erst kürzlich haben wir die Sitzplatzreservierung eingeführt. Zurzeit fehlen uns aber die Entwickler, um auch alle weiteren Innovationen umzusetzen.

Flixbus wird häufig vorgeworfen, dass die Preise nur so billig sein können, weil das Personal ausgebeutet wird. Was verdient ein Busfahrer bei Ihnen?

Schwämmlein: Dieselbe Diskussion haben wir jetzt auch auf der Schiene: Es hieß, ICE-Tickets seien nun mal so teuer. Das ist Quatsch. Man darf eben nicht mit 20 Prozent Auslastung fahren, man muss es auf 60 Prozent und mehr schaffen. Wir müssen den Fahrern das gleiche bezahlen wie unsere Konkurrenz. Das geht gar nicht anders. Es gibt zu wenige Busfahrer, in Deutschland, Kroatien ebenso wie in Polen. Wenn einer beim Unternehmer nebenan 200 Euro mehr verdient, legt er dir noch am selben Tag die Kündigung auf den Tisch.

Das Gespräch führte Annika Leister