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Ex-GDL-Chef Schell im Interview Ex-GDL-Chef Schell im Interview: "Claus Weselsky befindet sich auf einem Egotrip"

Von Harald Biskup 06.11.2014, 15:03
Manfred Schell war von 1989 bis Mai 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), von 1989 bis Mai 2010 stand er der Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaften Europas vor.
Manfred Schell war von 1989 bis Mai 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), von 1989 bis Mai 2010 stand er der Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaften Europas vor. AV Lizenz

Köln - Herr Schell, was bringt Sie als Ruheständler, der Sie ja seit vielen Jahren sind, so auf, dass Sie sich jetzt mit Volldampf zurückmelden?

MANFRED SCHELL: Ich kann diesem Desaster nicht tatenlos zusehen, aber es gab schon vorher Anlässe, über Vorgänge in meiner alten GDL in Harnisch zu geraten. Über den Rausschmiss von Weselskys beiden Stellvertretern zum Beispiel. Die Trennung erfolgte mit Mitteln, die mit dem Satzungsrecht der GDL nicht in Einklang zu bringen sind.

Die Bahn hat einen Ersatzfahrplan eingerichtet. Wer auf der Website unter „Reiseauskunft“ seine Verbindung eingibt, bekommt angezeigt, ob die Fahrt stattfindet, Verspätung hat oder ausfällt. Man kann auch über die Funktion „Abfahrt und Ankunft“ die aktuelle Abfahrtstafel des gewünschten Bahnhofs abrufen.

In der Bahn-App sollte unbedingt „Live-Auskunft“ aktiviert werden.

Die Bahn hat außerdem die kostenlose Servicenummern 08000 996633 eingerichtet.

Was werfen Sie Ihrem Nachfolger Weselsky, der während des Lokführer-Ausstands 2008 Ihr Stellvertreter war, vor allem vor?

SCHELL: Dieser Streik und seine Inszenierung ist ein Akt der Selbstherrlichkeit von Weselsky. Er befindet sich auf einem Egotrip. Das zeigt sich auch daran, dass er im Vorstand bestenfalls Kollegen hat, aber keine Freunde. Die braucht er offenbar nicht. Er verhält sich wie einer, der dabei ist, den Heiligen Krieg auszurufen. Dasselbe hat er schon einmal beim Streik 2003 versucht, als er mich im Urlaub vertreten hat und eine Strategie entwickeln wollte, die völlig in die Hose gegangen wäre. Und jetzt richtet er nicht nur einen riesigen Imageschaden an, sondern es steht auch zu befürchten, dass er einen lohnenden Abschluss für die Lokführer aufs Spiel setzt.

Ist eigentlich irgendjemand in der Lage, Herrn Weselsky zu stoppen?

SCHELL: Formalrechtlich wäre das der Hauptvorstand der Gewerkschaft, hinter dem sich Weselsky so gern versteckt. Aber von diesen Simpeln, ich muss das mal so krass sagen, sieht und hört man überhaupt nichts. Verfahrensrechtlich haben diese Leute zu vertreten, was heute und in den nächsten Tagen läuft.

Wie schätzen Sie die Stimmungslage in der Belegschaft ein - man hört von Absetzbewegungen?

SCHELL: Am Anfang haben viele der Kollegen gar nicht gewusst, worum es bei dem Streik eigentlich geht. Die haben von einem Tarifvertrag für das Fahrpersonal gehört, der fünf Prozent mehr Geld und zwei Stunden weniger Arbeitszeit beinhalten soll. Und sie haben sich wahrscheinlich gesagt, schon drei Prozent wären ein toller Abschluss.

Halten Sie die Forderung der GDL für berechtigt, auch das Zugbegleitpersonal vertreten zu wollen?

SCHELL: Wenn es das mal wäre! Auch ich habe am Anfang gedacht, Weselsky verlangt  einen  Tarifvertrag für  all die Kollegen, die unter diese Kategorie fallen. Dann aber wurde klar, dass er nur für seine Mitglieder aus diesen Gruppen einen Tarifvertrag anstrebt.

Wie kommt die GDL, wenn überhaupt, aus dieser Nummer wieder heraus?

SCHELL: Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass Weselsky da wieder herauskommen muss. Er hat sich total verrannt, weil er ständig auf ein grundgesetzlich verbürgtes Recht pocht, für die bei ihm organisierten Beschäftigten Tarifforderungen zu stellen und durchzusetzen.

Wie beurteilen Sie, dass der Bahnvorstand am Mittwoch kurz vor Streikbeginn einen Schlichter ins Spiel gebracht hat?

SCHELL: Es war politisch ausgesprochen unklug, damit zwei Stunden vor Beginn des Arbeitskampfes zu kommen und zu erwarten, der Streik könnte auf diese Weise noch abgewendet werden. Das war völliger  Schwachsinn. In dieser Phase, in der inhaltlich noch über nichts verhandelt worden ist, einen Schlichter  vorzuschlagen, ist abwegig. In dem einen Punkt hat Weselsky Recht. Vernünftig wäre gewesen, anzubieten, unmittelbar nach Beendigung des Arbeitskampfes einen Mediator einzuschalten, einen ausgewählt von der Deutschen Bahn und einen von der GDL. Dann müsste versucht werden, auf dieser Ebene einen Konsens zu finden. Das hätte die Bahn anbieten müssen. Dann hätte Weselsky auch bei seiner Pressekonferenz nicht sagen können: Was soll ich mit einem Schlichter? Soll der das Grundgesetz außer Kraft setzen? Das ist natürlich dummes Zeug. Aber ein Mediatoren-Gespräch hätte selbst  Weselsky niemals ablehnen können.

Wenn es einer „Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ in der GDL bedarf - was sagt das aus über den inneren Zustand der Gewerkschaft?

SCHELL: Ich gehöre ja zu den Gründern, und meine Mitstreiter und ich können es nicht ertragen, dass in der GDL Rechts- und Satzungsbrüche durch den Hauptvorstand existieren. Wir fühlen uns verpflichtet, die Fahne der GDL hochzuhalten, wie es ihrer Tradition entspricht,

Was bedeutet das für die Zukunft von Weselsky? Verlangt die Initiative seinen Rücktritt?

SCHELL: Das haben weder die Mitglieder noch wir zu entscheiden, sondern einzig und allein der GDL-Hauptvorstand,  von dem ich  nicht weiß, ob er überhaupt noch existiert im Augenblick.

Das Gespräch führte Harald Biskup.

Manfred Schell: „Weselsky hat sich total verrannt“.
Manfred Schell: „Weselsky hat sich total verrannt“.
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