Colbitzer Heide-Brauerei Colbitzer Heide-Brauerei: Eine der bekanntesten deutschen Bierbrauerinnen kommt aus Sachsen-Anhalt

Colbitz - „Kommen Sie herein“, ruft Petra Haase und winkt mit der Hand. Ihre Stimme ist laut, bestimmend - aber nicht unfreundlich. Am Schreibtisch sitzt die Unternehmerin im karierten Hemd, in Jeans und Turnschuhen über Akten gebeugt. Auf einem Stuhl daneben liegt ihr roter Kater. Sie schiebt die Brille auf den Kopf und sagt: „Heute ist wie Montag!?“ „Es funktioniert nicht so, wie es eigentlich soll“, schiebt sie als Erklärung hinterher. Vor allem in der Abfüllung hake es wieder. Seit zwei Jahren führt die preisgekrönte Bierbrauerin die Colbitzer Heide-Brauerei. Mit 20 Mitarbeitern versucht sie, eine der letzten mittelständischen Brauereien in Sachsen-Anhalt wieder auf Vordermann zu bringen. Das ist alles andere als einfach. Doch Haase dürfte die richtige Frau am richtigen Fleck sein.
Seit 1872 wird in Colbitz Bier gebraut. Das einstige Familien-Unternehmen wurde in der DDR verstaatlich, nach der Wende aber wieder erfolgreich privatisiert. Die Biere aus dem Haus erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Zumindest für Außenstehende kam im November 2012 die Nachricht der Insolvenz daher überraschend. Wenn dann wichtige Handelspartner abspringen, kann dies für eine kleine Brauerei schnell das Ende bedeuten.
Jahrzehnte in Altenburg tätig
Als Haase 2013 in den Betrieb kam, fand sie diesen nach eigenen Worten in einem „desolaten Zustand vor“. Das Sudhaus, in dem das Bier gebraut wird, funktionierte nicht mehr, die Abfüllanlagen waren teilweise verschlissen. Dennoch entschied sich das Hofbrauhaus Wolters aus dem niedersächsischen Braunschweig die Traditionsfirma zu übernehmen und zu investieren. Für drei Millionen Euro wurde ein neues Sudhaus errichtet. Ein Großteil der Technik komme von einem Hersteller aus Nordhausen, betont Haase. Die Pumpen aus Artern. „Wir sind ein Unternehmen aus der Region und für die Region“, sagt die Firmenchefin. Colbitzer könne langfristig nur bestehen, wenn es sich zur starken Regionalmarke entwickle.
Der Absatz von Bier in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2015 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,5 Prozent auf 46,9 Millionen Hektoliter gesunken. Pro Person lag der Konsum von alkoholhaltigem und alkoholfreiem Bier im vergangenen Jahr bei rund 107 Liter, teilte der Deutsche Brauer-Bund mit.
Ein leichter Anstieg gegenüber 2013 geht vor allem auf die Fußball-WM und ein freundliches Konsumklima zurück. Viele Experten erwarten, dass der langjährige Trend des rückläufigen Verbrauchs anhält. Trotzdem ist Deutschland mit Abstand die größte Brauerei-Nation in Europa. Insgesamt 1 300 Braustätten stellten 2014 etwa 94,6 Millionen Hektoliter her.
Die Situation im Biergeschäft ist schwierig. Seit Jahren geht der Absatz in Deutschland zurück. Wachstum ist daher nur auf Kosten der Wettbewerber möglich. In Sachsen-Anhalt gibt es neben der Großbrauerei Hasseröder, die zum weltgrößten Brauer AB Inbev gehört, nur noch die Landsberger Brauerei als mittelständischen Betrieb. Zudem brauen ein paar kleinere Hersteller in Magdeburg, Bitterfeld und Wippra. Haase sieht dies als Chance: „Wir wollen das Bier für Sachsen-Anhalt werden.“
Die 58-Jährige hat bereits bewiesen, dass sie eine Brauerei erfolgreich führen kann. Geboren wurde sie in dem Bördedorf Unseburg - 30 Kilometer südlich von Magdeburg. Urgroßvater, Großvater und Vater betrieben dort eine private Brauerei, die Mitte der 70er Jahre ihren Betrieb allerdings einstellte. Haase folgte dennoch der Familien-Tradition und studierte Gärungs- und Getränketechnologie. Anschließend bekam sie eine Stelle bei der Altenburger Bierbrauerei zugewiesen. Als in den wirtschaftlichen Wirren der Wende Altenburg vor dem Aus stand, setzte sie sich mit neuen Ideen für den Erhalt ein. „Ich habe schon immer meine Klappe aufgemacht“, sagt Haase. Das imponierte der Familie Leikeim aus dem fränkischen Altenkunstadt, die die Brauerei übernahm. 1993 rückte Haase in die Geschäftsführung auf. Altenburg setzte als einer der wenigen Bier-Hersteller auf den charakteristischen Bügelverschluss. Das kam bei den Verbrauchern an. Der Absatz erhöhte sich von 10 000 Hektolitern 1991 auf mehr als 180 000. Als Haase 2013 in Altenburg ausschied, suchte sie „neue Herausforderungen“, sagt sie schmunzelnd. „Die Wahrheit ist, wer älter als 55 ist, hat es schwer, noch einen Job zu finden“, sagt sie. „Egal wie erfolgreich man vorher war.“ Familiere Bande in die Wolters-Führung halfen ihr, neue Chefin bei Colbitzer zu werden.
In der Branche wird der Neustart aufmerksam verfolgt: „Frau Haase weiß, wie der Biermarkt funktioniert“, sagt Niklas Other vom Fachmagazin „Getränke Inside“. Mit Wolters habe die Brauerei eine starke Mutter im Rücken, die eine ähnliche Philosophie verfolge. Das Hofbrauhaus löste sich 2006 aus dem Konzern AB Imbev heraus. Seither verdreifachte sich der Absatz des Unternehmens, das auch den Fußballclub Eintracht Braunschweig sponsert, auf 900 000 Hektoliter. „In einer immer stärker globalisierten Welt sehnen sich die Menschen nach Heimat und Authentizität“, sagt Other. Regionale Bierbrauer könnten davon profitieren. Einerseits. Andererseits kaufen gerade in Ostdeutschland viele Menschen sehr preisbewusst ein. Viele Biertrinker greifen nur noch bei Aktionsangeboten - wie drei Kästen zum Preis für zwei - von großen Brauereien zu.
Kapazität gut ausgelastet
Haase muss und will in kleinen Schritten vorangehen. In diesem Jahr wird Colbitzer 25 000 Hektoliter unter eigener Marke produzieren, die vor allem in Supermärkten in Sachsen-Anhalt verkauft werden. Weiter 50 000 Hektoliter werden für einen Handelspartner hergestellt. „Damit haben wir unsere Kapazitäten ganz gut ausgelastet“, sagt sie. Geschmacklich sieht Haase Colbitzer bereits in der ersten Liga. Das Heidewasser sei zu Brauen optimal. Es speise sich aus einem tiefen Untergrundsee. Neben Pils und Edel wird in Colbitz auch ein Bockbier hergestellt. „Unser Starkbier ist ein Aushängeschild für die Brauerei“, sagt sie.
Nach dem Sudhaus muss nach ihren Worten auch die Technik in der Abfüllung modernisiert werden. Auch der Braueikeller soll in den kommenden Jahren als Veranstaltungsraum wieder hergerichtet werden. Haase will das zügig mit ihren Mitarbeitern anpacken: „Die Brauerei muss wieder auf eigenen Beinen stehen.“ Dann kommt ein Anruf, der nächste Termin. Beim Rausgehen ruft sie noch humorvoll: „In zwei, drei Jahren ist der Montag abgeschafft.“
