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Ausbildungszentrum Bau Holleben Ausbildungszentrum Bau Holleben: Junge Spanier nutzen EU-Förderprogramm

Von Ralf Böhme 02.09.2014, 07:56
Im Berufsausbildungszentrum Bau Holleben bereitet Meister Maik Steinmetz die jungen Spanier Ayman Bouiri, Ruben Perez und Adrian Nieto (von links) auf die Lehre vor, rechts Dolmetscherin Maria Aires.
Im Berufsausbildungszentrum Bau Holleben bereitet Meister Maik Steinmetz die jungen Spanier Ayman Bouiri, Ruben Perez und Adrian Nieto (von links) auf die Lehre vor, rechts Dolmetscherin Maria Aires. Jens Schlüter Lizenz

Halle (Saale)/Leipzig - Das genau ist der Punkt. Jetzt zählt jeder Millimeter. Sonst erreicht die Linie, die auf der weichen Metallplatte zu ziehen ist, nie ihr Ziel. Akribisch genau legen die jungen Männer ihre Lineale an. Nicht nur Adrian Nieto aus Toledo ritzt das Blech so sorgsam, als wäre es pures Gold.

Weil er nicht länger auf Kosten seiner Mutter leben will, sagt der 21-Jährige, ist ihm die Aussicht auf eine Lehrstelle tatsächlich Gold wert. Viele Male habe er sich zu Hause in Kastilien und auch in Madrid beworben, immer erfolglos. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien liege bei über 50 Prozent. Deutschland sei seine große Chance, so Nieto. Mit dem Lehrbeginn am 1. Oktober verfügt er endlich über ein sicheres Einkommen: 564 Euro monatlich, im zweiten Jahr 774 und im dritten sogar knapp 1.000 Euro. „Das ist der Hauptgewinn.“

Entsprechend groß ist schon jetzt bei der Vorbereitung sein Einsatz, bestätigt Meister Maik Steinmetz. Und er sagt auch, diese Haltung vermisse er manchmal bei seinen deutschen Lehrlingen. Der Ausbilder: „Die jungen Leute aus Spanien sind hochmotiviert. Es macht unheimlich viel Spaß mit ihnen zu arbeiten.“

„Bewerbermangel ist allgegenwärtig“

Ein Förderprogramm mit dem sperrigen Namen Mobipro-EU, finanziert aus Brüssel und Berlin, erleichtert den jungen Spaniern, in Sachsen-Anhalt einen Beruf zu erlernen. Noch stehen die jungen Leute laut Steinmetz ganz am Anfang, aber die Aussichten seien bestens. Erst einmal vervollkommnen die künftigen Lehrlinge ihre Deutsch-Kenntnisse und erwerben gleichzeitig erste handwerkliche Grundlagen. All das geschieht im Ausbildungszentrum Bau Holleben (Saalekreis).

Die Initiative dazu geht jedoch von der Isolierungen Leipzig GmbH aus, einem Betrieb der G+H-Gruppe Isolierung. Personalleiter Gerd Buczek erklärt, warum das Unternehmen seinen Nachwuchs in der Ferne sucht: „Industrie-Isolierer sind zwar gefragte Leute, doch der Bewerbermangel ist allgegenwärtig.“ Ohne die Partnerschaft mit Spanien bliebe jede zweite Lehrstelle leer. Aber wer, fragt Buczek, soll dann in einigen Jahren Rohrleitungen in Kraftwerken wie in Schkopau oder in Chemieanlagen wie in Leuna fachgerecht dämmen und schützen? Der Konzern unterhält bundesweit immerhin 50 Niederlassungen, ergänzt durch Tochtergesellschaften in West- und Osteuropa. Buczek ist optimistisch.

Wie viele ausländische Lehrlinge derzeit in Deutschland lernen, lesen Sie auf Seite 2.

Mit Hilfe der Außenhandelskammer in Madrid gelinge es, den demografischen Wandel zu meistern. Inzwischen würden sich Interessenten, die gut rechnen können und gesundheitlich fit sind, vor der Arbeit auf Baustellen nicht mehr fürchten. Sie stehen regelrecht Schlange. Noch in ihrer Heimat absolvieren sie diverse Tests und einen Grundkurs der deutschen Sprache. Freilich sei der Zulauf kein Wunder, sagt Buczek. Jeder wisse schließlich, dass die Jugendarbeitslosigkeit auf der iberischen Halbinsel zehn Mal höher sei als hierzulande.

Ausländische Lehrlinge ins Land zu holen, das erweckt oft noch den Eindruck des Ungewöhnlichen. Dem ist aber nicht so. Gegenwärtig lernen bereits mehr als 20.000 junge Menschen aus EU-Staaten einen Beruf in Deutschland. Und auch das Ausbildungszentrum Bau in Holleben kann auf erste gute Erfahrungen verweisen. Schon im vergangenen Jahr habe es einen Kurs junger Spanier erfolgreich betreut, so Leiterin Marlies Illing. Von den 23 Lehrlingen wechseln ihr zufolge in wenigen Tagen 16 ins zweite Lehrjahr. Die Berufspraxis holen sie sich auf den Baustellen und in den Werkstätten, die fachlichen Grundlagen im Ausbildungszentrum, dem auch ein Internat angeschlossen ist. Für Kosten der Unterbringung und Verpflegung sowie Fahrtkosten während der überbetrieblichen Ausbildung kommt der Lehrbetrieb auf.

Grundstein für eine Karriere

Auch wenn bisher sieben Spanier das Handtuch geworfen hätten, liege die Abbrecherquote damit immer noch niedrig. „Vor allem das Heimweh und zuweilen Bildungslücken machen ihnen manchmal zu schaffen“, sagt die Lehrerin. Zahlreiche gemeinschaftliche Aktivitäten, zum Beispiel Sport und Fahrten nach Berlin, Halle oder Dresden, sollen das Gemeinschaftsgefühl stärken. Die Kosten übernimmt der Ausbildungsbetrieb. Auch eine Dolmetscherin ist jetzt in Holleben engagiert. Maria Aires, eine quirlige junge Frau aus Sevilla, fällt es nicht schwer, schnell den richtigen Ton zu treffen. Gemeinsam mit der jungen Deutschlehrerin Maria Ortwein aus Halle sorgt sie dafür, dass niemand im Kurs sprachlos bleibt.

Der Unterricht erfolgt in Gruppen zu je acht Teilnehmern. Einige der Spanier machen noch keine Pläne. Andere wie Ayman Bouiri oder Ruben Perez legen sich fest, wollen auch später in Deutschland arbeiten und leben. Wer hier gut einschlägt, legt den Grundstein für eine Karriere. Nach der Lehre können weitere betriebliche Qualifikationen folgen, wie etwa eine Weiterbildung zum Werkpolier beziehungsweise zum Meister. Die Isolierungen Leipzig GmbH sieht sich mit dieser Perspektive auf dem richtigen Weg. Personalleiter Buczek: „Gerade erstellen wir die Unterlagen, um auch im kommenden Jahr wieder mindestens 20 junge Spanier hierher holen zu können.“ (mz)

Zahlreiche Ausbildungsstellen gibt es im Internet unter:

www.azubis.de

www.jobboerse.arbeitsagentur.de

www.hwkhalle.de