Klimapolitik im Wahl-Check Bundestagswahl: Klimapolitik im Wahl-Check - Das versprechen die Parteien ihren Wählern?

Der Versammlungsleiter fasste sich kurz. „Ich sehe mich im Saal um und blicke auf positive Reaktionen. Ich höre keinen Widerspruch. Das Pariser Klima-Abkommen ist damit angenommen.“ Im Saal gab es stehende Ovationen, Jubel und Freudentränen.
Ende 2015 war das, Vertreter von fast 200 Nationen hatten sich soeben in der französischen Hauptstadt auf einen neuen Vertrag zum Schutz der Erd-Atmosphäre verständigt. Die Erwärmung soll bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden. Dafür wollen die Staaten ihre Treibhausgas-Emissionen massiv reduzieren.
Merkel ist zuversichtlich
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war ergriffen – und blickte bereits auf die bevorstehenden Mühen der Ebene: „Ungeachtet der Tatsache, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, ist dies ein Zeichen der Hoffnung, dass es uns gelingt, die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen auch in Zukunft zu sichern.“
Spätestens seit der Pariser Konferenz ist der Klimaschutz eines der Top-Themen der internationalen Politik. Doch ausgerechnet die Deutschen, die sich gern als Vorreiter in diesem Feld betrachten, hadern damit.
In Deutschland blieb der große Wurf aus
Man konnte das in der zu Ende gehenden Legislaturperiode ganz gut beobachten: Merkel selbst sorgte 2015 beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau dafür, dass sich die führenden Industriestaaten des Westens auf das Langfrist-Ziel einer kohlenstoffarmen Wirtschaft festlegten. Später in Paris trugen die deutschen Unterhändler erheblich dazu bei, dass die Welt-Klimakonferenz ein Erfolg wurde. Und als US-Präsident Donald Trump Anfang Juni den Ausstieg seines Landes aus dem Klimavertrag verkündete, sorgten Deutschland, Frankreich und China gemeinsam dafür, dass die Front nicht weiter bröckelt.
Daheim in Deutschland aber blieb der große Wurf in der Klimapolitik aus. Die schwarz-rote Koalition verhedderte sich im Widerstreit zwischen guten Absichten und vermeintlichen Sachzwängen in der Wirtschaftspolitik. Der Bundesrepublik gelingt es nicht mehr, ihre Treibhausgas-Emissionen substanziell zu senken. 2016 stiegen diese gegenüber dem Vorjahr sogar wieder leicht an.
Deutschland verfehlt das Ziel
Eigentlich hat sich Deutschland verpflichtet, den Ausstoß der Klimakiller bis 2020 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Dieses Ziel wird nach Lage der Dinge krachend verfehlt. Bis zur Mitte des Jahrhunderts will Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen sogar um bis zu 95 Prozent senken.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) versuchte mit Kurz- und Langfristplänen, dem praktischen Klimaschutz mehr Bedeutung zu verleihen und alle Sektoren stärker in die Pflicht zu nehmen – also etwa die Energiebranche und die Industrie, aber auch Verkehr und Landwirtschaft. Stets bekam sie es mit der geballten Lobbymacht zu tun. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hielt als Wirtschaftsminister seine schützende Hand über die Braunkohlebranche. Der Ausbau der erneuerbaren Energien kam weiter voran, ist aber neuerdings gedeckelt.
Braunkohle-Entscheidung muss gefällt werden
Schwarz-Rot drückte sich in dieser Legislaturperiode um eine Antwort auf die Frage, was aus der klimaschädlichen Kohleverstromung in Deutschland werden soll. Zwar werden einige ältere Braunkohlemeiler vom Netz genommen und als Reservekraftwerke betriebsbereit gehalten. Damit ist aber noch nicht klar, ob und wann sich die Bundesrepublik ganz aus der Kohleverstromung verabschieden will. Der Stromsektor verursacht hierzulande etwa ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen.
Die kommende Regierung wird Entscheidungen zur Braunkohle fällen müssen. Eine unabhängige Kommission soll dazu Vorschläge unterbreiten und auch Ideen für den Strukturwandel in den Revieren entwickeln. Die Branche beschäftigt noch rund 20.000 Mitarbeiter, mit sinkender Tendenz.
Das sagen die Parteien
CDU/CSU
CDU und CSU setzen in der Klima- und Energiepolitik im Wesentlichen auf ein „Weiter so“. Sie bekennen sich zum Pariser Klima-Abkommen, zum Atomausstieg und zur Energiewende. Sie wollen aber zugleich sicherstellen, dass Energie bezahlbar bleibt. „Wir müssen beweisen, dass intakte Umwelt, Wachstum und Wohlstand keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille sind“, heißt es im Wahlprogramm.
Der Ausbau der Erneuerbaren soll gebremst fortgesetzt werden, wobei die Union die „marktwirtschaftliche Heranführung“ von Wind, Solar und Co. forcieren will. Dies ist ein Verweis auf die neue Praxis, nach der neue Ökostrom-Anlagen ausgeschrieben werden. Den Zuschlag erhält der billigste Anbieter. Das soll die Kosten im System weiter drücken.
In Bezug auf die Braunkohle ist im Wahlprogramm von einem „langfristigen Ausstieg“ die Rede. Ein Zeitraum oder Ziel-Datum wird nicht genannt. Der Ausstieg müsse „parallel zu einer konkreten neuen Strukturentwicklung“ in den Revieren vonstattengehen.
SPD
Um die Klimaziele zu erreichen, wollen die Sozialdemokraten Deutschland „zur energieeffizientesten Volkswirtschaft der Welt“ machen. Sie haben dabei auch den Gebäudebestand und den Verkehr im Blick, betonen aber zugleich, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht leiden dürfe.
Auf einen Braunkohle-Ausstieg legt sich die SPD nicht ausdrücklich fest. „Der Strukturwandel in der Energiewirtschaft wird sich fortsetzen“, heißt es lediglich. In den Revieren müssten Strukturen auf- und ausgebaut werden, „die an die industrielle Tradition dieser Regionen anknüpfen und gute, tarifvertraglich gesicherte Arbeit fördern“. Dabei will die SPD mit allen Akteuren zusammenarbeiten.
Die Energiewende will die SPD „vollenden“ – wobei sie betont, dass Energie nicht auch bezahlbar sein müsse. Konventionelle Energieträger wie Kohle und Gas hält die Partei bis auf weiteres für unverzichtbar. Spätestens 2050 müsse Energie aber „weitgehend treibhausneutral“ erzeugt werden. Das kann man auch als Hinweis in Sachen Kohlepolitik verstehen.
LINKE
Die Partei will ebenfalls am Pariser Klimaabkommen festhalten. Sie fordert eine ambitionierte Treibhausgas-Minderung. Die Linke tritt für einen Ökostrom-Anteil von 70 Prozent im Jahr 2030 und 100 Prozent im Jahr 2040 ein. Das neu eingeführte Ausschreibungssystem für Ökostrom-Projekte lehnt sie ab und fordert stattdessen eine „strukturelle Reform“ des Erneuerbare-Energien-Gesetzes „mit sozialen Komponenten“.
Für den Erfolg der Energiewende ist nach Auffassung der Linken eine Entmachtung der Energiekonzerne notwendig. Die Versorgung solle „umfassend bürgernah und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge“ organisiert werden. Sie solle dem Gemeinwohl dienen und der Profitgewinnung entzogen werden. Die Strom- und Wärmenetze will die Linke in den öffentliche Hand überführen.
Die Kohleverstromung sollte nach Auffassung der Partei „zügig“ und „sozial abgefedert“ beendet werden. Der Ausstieg soll 2018 beginnen und spätestens 2035 abgeschlossen sein. Zur Unterstützung des Strukturwandels in den Revieren fordert die Linke einen staatlichen Fonds, der jährlich 250 Millionen Euro zur Verfügung haben soll.
GRÜNE
Die Ökopartei will, dass Deutschland bereits 2030 seinen Strombedarf komplett aus erneuerbaren Quellen deckt. Die neuen Obergrenzen für den Ökostrom-Ausbau sollen abgeschafft werden. Bis 2050 soll auch die Energieversorgung für Gebäude, Verkehr und Industrie ausschließlich aus Erneuerbaren bestritten werden. „Darum steigen wir zügig in die Verbindung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität ein und nutzen sinnvolle Möglichkeiten der Elektrifizierung“, heißt es im Programm.
Dem Klimaschutz wollen die Grünen mithilfe eines Klimaschutzgesetzes und eines Neustarts des EU-Emissionsrechtehandels auf die Sprünge helfen. Beim Handel mit Verschmutzungsrechten sollen überschüssige Zertifikate gelöscht werden, außerdem strebt die Partei einen Mindestpreis an. Die Einnahmen aus dem Handel sollen wiederum dem Klimaschutz zugutekommen.
Der Ausstieg aus der Braunkohle sollte nach Auffassung der Grünen schnell angegangen werden: Die 20 dreckigsten Kraftwerke will die Partei sofort vom Netz nehmen, für die verbleibenden soll es Emissions-Obergrenzen geben. Der Ausstieg soll bis 2030 abgeschlossen sein – „ökologisch und sozial verträglich“, wie es im Wahlprogramm heißt.
FDP
Für die Freien Demokraten sind erneuerbare Energien ein „wichtiges Element“ im Energiemix der Zukunft. Die Partei lehnt aber konkrete Ausbauziele ab. Stattdessen solle „das Auswahlverfahren des Marktes“ über Investitionen in Netze und Erzeugungskapazitäten entscheiden. Den Einspeisevorrang sowie die Vergütungen für Ökostrom halten die Liberalen für ein „Dauersubventionssystem“, das abgeschafft werden sollte.
Zentraler Hebel für mehr Klimaschutz sollte nach Ansicht der FDP der Handel mit Emissionsrechten sein – „zunächst in der EU, so schnell wie möglich weltweit“. Damit lasse sich die Innovationskraft der Märkte nutzen. Die Liberalen lehnen aber Mindestpreise für Verschmutzungszertifikate ab. Weiter heißt es: „Mit den Erlösen aus der Versteigerung der Emissionszertifikate sollen keine Subventionstöpfe gefüllt werden“.
Fossile Energieträger wie Kohle halten die Liberalen „auf absehbare Zeit“ für unverzichtbar. Sie sprechen sich auch für einen „technologieneutralen Wettbewerb“ unter den Energieträgern aus. Damit lässt die FDP deutliche Sympathien für die konventionelle Stromerzeugung erkennen. Die Formulierungen bieten aber Raum für Kompromisse, sollte es nach der Wahl zu einer Regierungsbeteiligung kommen.
AFD
Den Klimawandel hält die Partei für ein Hirngespinst. Die Aussagen des Weltklimarats, wonach Klima-Änderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind nach Auffassung der AfD „wissenschaftlich nicht gesichert“. Der Beitritt Deutschlands zum Pariser Abkommen sei ein Eingriff in Wirtschaft und Gesellschaft. „Das Pariser Klimaabkommen vom 12.12.2015 ist zu kündigen“, heißt es im Programm. Deutschland solle sich aus allen Klimaschutz-Organisationen zurückziehen.
Die Energiewende überfordert nach Überzeugung der AfD Wirtschaft und Bürger. Das Ökostrom-Gesetz (EEG) will die Partei deshalb ersatzlos streichen. Bis das geschehen ist, solle der Neubau von Wind- und anderen Ökostrom-Anlagen deutlich erschwert werden.
Die Atomkraft hat nach Auffassung der Partei noch eine Zukunft in Deutschland: „Die Laufzeit sicherer Kernkraftwerke muss sich nach der technischen Nutzungsdauer richten“, heißt es im Wahlprogramm. Verwertbarer Reststoffe aus den Meilern sollten rückholbar gelagert werden, so dass sie recycelt werden können. „Zur Erhaltung der kerntechnischen Kompetenz“ solle sich Deutschland auch umfangreich an internationalen Forschungsprojekten beteiligen.