DDR-Luftverkehr DDR-Luftverkehr: Interflug teilte Piloten in drei Zuverlässigkeits-Klassen ein

Berlin/dpa. - Gegründet vor 50 Jahren, beerdigt anno 1991 und acht Jahre lang als Deutsche Lufthansa geflogen: Die Interflug, wie sich die DDR-Lufthansa später nannte, ist ein ganz besonderes Kapiteldeutscher Luftverkehrsgeschichte. Sie legte strengste politischeKriterien bei der Auswahl ihrer Flugzeugführer an - «Mit beidenBeinen fest auf sozialistischem Boden stehen« -, und verlangte im Regelfall die SED-Mitgliedschaft. DDR-Piloten wurden in dreiZuverlässigkeits-Kategorien eingeteilt: 1. K.A.: Kapitalistisches Ausland - 2. N.S.W.: Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet - 3. S. W.: Sozialistisches Wirtschaftsgebiet. Wer im Westen enge Verwandte hatte, durfte nie nach «K. A.» fliegen.
Genau genommen ist die Interflug alias DDR-Lufthansa zwei Malgeboren worden. Am 10. September 1958 wurde das Unternehmen alsBedarfs-Fluggesellschaft gegründet und übernahm am 1. September 1963 alle Rechte und Pflichten der ehemaligen Deutschen Lufthansa der DDR. Zur INTERFLUG gehörten auch die in der DDR stark verbreitete Agrar- und Düngeflieger, alle Flughäfen und die Flugsicherung.
Propagandistisch wurde die Namensänderung der Bevölkerung sodargestellt: «Zur Rationalisierung des Luftverkehrs der DDR und um die Kapazitäten der zivilen Luftfahrt in einem einheitlichenLuftverkehrsunternehmen zusammenzufassen», habe die Lufthansa der DDR ihren Betrieb eingestellt. Die Wahrheit war - wie so oft - natürlich ganz anders. Die Lufthansa-West hatte in langwierigen internationalen Prozessen ihre Rechtsauffassung, allein diesen Namen führen zu dürfen, durchgesetzt. Der DDR blieb nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren, wenn sie international operieren wollte. Ausgerechnet vor dem Obersten Wirtschaftsgericht Serbiens wurde 1963 der teure juristische Streit endgültig beendet.
Am 1. Juli 1955 wurde die erste Betriebsleitung des Unternehmenseingesetzt. Arthur Pieck, der Sohn des ersten Staatspräsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, fungierte als Hauptdirektor. Zum Führungs- Quartett gehörten Fritz Horn, ein ehemaliger Junkers- und Lufthansa- Pilot und dreimaliger Weltrekordflieger, als Direktor für Flugverkehr, Ernst Wendt und Karl Heiland. Seitdem gilt der 1. Juli als eigentlicher Gründungstag der DDR-Lufthansa.
Zum Ende des Monats landete eine Iljuschin Il-14P mit einersowjetischen Besatzung in Berlin-Schönefeld. Die DDR hatte ihr erstes Verkehrsflugzeug. Diese «DDR-ABA« brachte dann eine DDR-Regierungsdelegation mit Ministerpräsident Otto Grotewohl am 16.September 1955 nach Moskau - mit sowjetischen Piloten. Ab1957 übernahmen deutsche Piloten, die zumeist in Uljanowsk an derWolga ausgebildet worden waren, das Kommando in den DDR-Flugzeugen.Noch im Oktober 1990 gehörten der INTERFLUG - ein halbes Jahr vorihrem Exitus und dem letzten Flug einer Tupolew Tu-134A von Berlin-Schönefeld nach Wien am 30. April 1991 - 19 Tupolew Tu-134A, siebenIljuschin Il-18, neun vierstrahlige Langstreckenjets Iljuschin Il-62Mund drei Airbus A310-304.
Mit diesen drei modernen A310 hatte es eine besondere Bewandtnis.Parallel hatten sich INTERFLUG und die polnische Fluggesellschaft LOTaus der in vielen Jahren gewonnen Erfahrung, dass dieunwirtschaftlichen, emissionsstarken und lauten sowjetischen Jets zuhohe Betriebskosten verursachten, dazu durchgerungen, trotz heftigenWiderstandes der Sowjets moderne westliche Flugzeuge erwerben zuwollen. Tatkräftige Schützenhilfe leistete dabei der langjährigeAirbus-Aufsichtsratsvorsitzende Franz Josef Strauß.
Generalleutnant a. D. Klaus Henkes, der international hochangesehene INTERFLUG-Generaldirektor, wurde in einem Privatjet vonBerlin-Schönefeld nach Toulouse geflogen. Und Strauß jubelte: «Wirschreiben eine neues Kapitel Luftfahrtgeschichte.» Erstmals hatteeine östliche Airline West-Flugzeuge bestellt. Rund 420 Millionen DMmusste die devisenarme DDR hinblättern, damit sie - mit Hilfe vonzwei extra für die INTERFLUG in die A310 installierten Zusatztanks -vor allem nach Havanna, Peking und Singapur nonstop fliegen konnte.Alle drei A310 landeten später bei der Flugbereitschaft desVerteidigungsministeriums.