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Kanzler Scholz entlässt Lindner „Man kann sich nicht erpressen lassen“: So reagieren Politiker aus Sachsen-Anhalt auf das Ampel-Aus

Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ist am Ende, bereits im März könnte es Neuwahlen in Deutschland geben. „Da führte kein Weg mehr dran vorbei“, sagt der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber über die Entlassung Christian Lindners. Die CDU warnt indes davor, Neuwahlen zu verzögern.

Von Jan Schumann und Hagen Eichler Aktualisiert: 07.11.2024, 13:19
Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend im Bundeskanzleramt in Berlin. Am späten Abend entließ er Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend im Bundeskanzleramt in Berlin. Am späten Abend entließ er Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). (Foto: Hannes P. Albert/dpa)

Berlin/Magdeburg/MZ - Der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber hat mit Verständnis auf die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagiert, Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu entlassen.

Olaf Scholz entlässt Finanzminister Lindner: Reaktionen aus Sachsen-Anhalt

„Ehrlich gesagt hat es mich nicht überrascht, weil das mit der FDP immer schlimmer geworden ist“, sagte Kröber der MZ am Donnerstagmorgen. Er ist Chef der Landesgruppe Sachsen-Anhalt in der SPD-Bundestagsfraktion. Kröbers Wahrnehmung nach gab es beim liberalen Regierungspartner in den letzten Wochen und Monaten „gar kein Interesse mehr, zu Ergebnissen zu kommen“, so der Magdeburger.

Kröber schilderte die Arbeit innerhalb der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP zuletzt als schwierig. „Schon zu Beginn der Leglislatur war mit der FDP alles ein Geschäft“, sagte Kröber. „Aber das hat sich zunehmend dramatisiert.“ Am Ende sei es der FDP nur noch um eigene Partteipolitik gegangen.

Die Spannungen in der Koalition hatten sich in den vergangenen Tage zugespitzt, am Mittwochabend hatte Kanzler Scholz dann Bundesfinanzminister Christian Lindner entlassen. Lindner ist auch FDP-Parteichef. Scholz griff den entlassenen Finanzminister in einem öffentlichen Statement scharf an. Er sprach davon, Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen. Im Januar will Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und so eine Entscheidung über eine vorgezogene Neuwahl ermöglichen. Die Wahl könnte dann im März stattfinden.

Kröber: "Man kann sich nicht von so einem kleinen Koalitionspartner erpressen lassen."

Kröber zeigte am Donnerstagmorgen Verständnis für die Entlassung Lindners. „Da führte kein Weg mehr dran vorbei. Man kann sich nicht von so einem kleinen Koalitionspartner erpressen lassen.“ Auch innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion seien „viele erleichtert, dass der Kanzler auf den Tisch gehauen hat“.

Das Ampel-Aus fällt zusammen mit der Wahl Donald Trumps in den USA. „Natürlich machen sich viele Sorgen“, so Kröber. „Aber wir haben als SPD klargestellt, dass es jetzt nicht um die Befindlichkeiten einzelner Abgeordneter geht, sondern darum, dieses Land zu retten.“ Deutschland müsse einen Weg finden, „die Schuldenbremse auszuhebeln“, einen Industriestrompreis zu etablieren und die Verkehrsinfratruktur zu verbessern. „Dafür braucht es jetzt Geld“, sagte Kröber. An der Schuldenaufnahme hatte sich zuletzt immer wieder Streit in der Ampelkoaliton entzündet.

CDU-Landeschef Schulze: "Es wäre sinnvoll, die Vertrauensfrage sofort zu stellen"

Einige Landespolitiker wollen mit der Neuwahl allerdings nicht bis zum März warten. Sachsen-Anhalts CDU-Landeschef Sven Schulze appelliert an Kanzler Scholz, die Wahl nicht zu verzögern. „Wir haben jetzt eine Zeit des Vakuums, eine rot-grüne Regierung ohne Mehrheit im Bundestag“, sagte Schulze der MZ. „Es wäre sinnvoll, die Vertrauensfrage sofort zu stellen.“ Offenbar wolle Scholz aber aus taktischen Gründen einen späteren Wahltermin, um sich Rückenwind aus der Bürgerschaftswahl in Hamburg zu holen, kritisierte Schulze.

Der CDU-Landesvorsitzende sagte, die Union sei aus staatspolitischer Verantwortung zu Gesprächen mit dem Kanzler bereit. „Wir werden dabei diskutieren, welche Aufgabe sich nicht aufschieben lassen. Dass wir aber einen Haushalt mitbeschließen, sehe ich im Moment nicht. Wir sind die Opposition und haben nicht das Heft des Handelns in der Hand.“ Auch eine Regierungsbeteiligung der CDU ohne vorherige Wahlen werde es nicht geben. „Dass wir in eine Bundesregierung eintreten, das schließe ich aus.“ Schulze ist auch Mitglied des CDU-Präsidiums, das ab dem späten Vormittag über die Lage beraten will.

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) drängte am Donnerstag auf schnelle Klarheit in der Bundespolitik. "Unser Land steht vor großen Herausforderungen: außenpolitisch, wirtschaftlich, finanziell und gesellschaftlich. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen, nicht morgen oder übermorgen, sondern heute", sagte er in Magdeburg. "Deshalb ist es zwingend notwendig, dass die gegenwärtige Krise ein Ende findet und so schnell wie möglich wieder Klarheit in der Bundespolitik herrscht. Deutschland braucht möglichst schnell eine neue, handlungsfähige Bundesregierung."

Umweltministerin Steffi Lemke aus Dessau bedauert das Aus für die Regierung

Die aus Dessau stammende Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bedauerte am Donnerstagvormittag das vorzeitige Aus der Regierungskoalition. „Wir leben in ernsten und herausfordernden Zeiten, das kann ja jeder sehen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit", sagte sie der MZ. "In einer solch krisenhaften Situation hat die Bundesregierung die Verantwortung, die Probleme zu meistern und für die Menschen in unserem Land Lösungen zu organisieren." Die Grünen-Politikerin erklärte: "Ich bedauere, dass die Ampel-Regierung wegen innerer Konflikte nun vor der Zeit enden wird. Diese Bundesregierung hat, obwohl sie oft zerstritten wirkte, viel vorangebracht, auch im Natur- und Umweltschutz." Zudem habe die Regierung noch einige wichtige Aufgaben zu erledigen. "In diesem Sinne werde ich mit aller Kraft weiterarbeiten.“

FDP kritisiert "verfassungswidrige" Notlagekredite

Die Landesvorsitzende der FDP, Lydia Hüskens, warf Kanzler Scholz indes versuchten Verfassungsbruch vor. „Scholz hat den Bundesfinanzminister aufgefordert, wegen des Ukraine-Kriegs die Notlage zu erklären. Von 15 Milliarden Euro Notlagenkrediten sollten aber nur drei an die Ukraine gehen, alles andere sollte konsumtiv verausgabt werden“, sagte Hüskens der MZ. Das sei verfassungswidrig „und eine Provokation“.

Notlagenkredite seien für die FDP eine „rote Linie“, sagte Hüskens. Gleichzeitig bekräftigte sie, dass die Liberalen Notlagenkrediten auf Landesebene zustimmen wollten. Diese seien anders begründet und daher zulässig, sagte sie. Die kreditfinanzierten Maßnahmen der Landesregierung zielten darauf ab, die Widerstandsfähigkeit gegen künftige Epidemien zu erhöhen.

Liberalen-Chefin Hüskens bangt um Förderprogramme vom Bund

In Sachsen-Anhalt hat der Landtag die Schuldenbremse seit 2020 ausgesetzt. Landesfinanzminister Michael Richter (CDU) hat diesen Schritt auch für das kommende Jahr beantragt.

Mit Blick auf die erhoffte Bundesförderung einer Intel-Ansiedlung in Magdeburg erwartet Hüskens keine Nachteile durch das Ende der Ampel-Regierung. „Intel hat das Projekt auf Pause gestellt. Ich gehe davon aus, dass wir weder 2025 noch 2026 Fördergeld für Intel brauchen werden“, sagte Hüskens. Für viele weitere Förderprogramme des Bundes werde der Bruch der Ampel aber Folgen auch für Sachsen-Anhalt haben, sagte Hüskens.

Linke fordert schnelle Neuwahl des Bundestags

Die oppositionelle AfD in Sachsen-Anhalt sieht das Ende der Ampel-Regierung als "Befreiung Deutschlands von drei Jahren existenzvernichtender Politik". Landespartei-Chef Martin Reichardt sagte der MZ: "Die Abgangsstatements der Kontrahenten Scholz und Lindner offenbaren Reuelosigkeit und Realitätsverlust." Er forderte die CDU zur Kooperation auf. Sie müsse "jetzt die Tür für die vom Volk gewollte Mitte-Rechts-Regierung öffnen und Brandmauern einreißen".

Sachsen-Anhalts Linken-Fraktionschefin Eva von Angern erklärte zum vorzeitigen Aus der Regierung: "Die Ampel ist nicht erst gestern gescheitert." Die Koalition habe es drei Jahre lang nicht geschafft, Sicherheit für die große Mehrheit im Land zu schaffen. "Die FDP wollte es nicht, SPD und Grüne konnten es nicht", so von Angern. "Sie hat das Land kaputtgespart und war damit der größte Treiber der Abstiegsängste. Wir brauchen zeitnah Sicherheit durch Neuwahlen für unser Land."