Relegation Relegation: Gladbacher Wunder vertagt Bochumer Aufstieg
Berlin/dapd. - Die hart erkämpfte Tatsache, dass BorussiaMönchengladbach weiter der Bundesliga angehört, hinterließ sichtbareSpuren. Thorben Marx und Mike Hanke hielten sie teilweise in denHänden. Die dicken schwarzen Haarbüschel, die dem Kollegen Danteunter Gebrüll in der Umkleidekabine vom Kopf geschoren wurden,hielten sie über den Kopf gestreckt und machten mit den Fans die «LaOla». Das 1:1 (0:1) beim VfL Bochum im Relegationsrückspiel wurdewie ein Sieg gefeiert. Das Remis reichte schließlich nach dem 1:0 imHinspiel, um tatsächlich nach einem langen Leiden dem Totengräbernoch von der Schaufel gesprungen zu sein. Dante, dessen Locken-Mähnein Gladbach als Karnevalsperücke zum Kultobjekt geworden war, winktemit glänzender Glatze dem Borussia-Anhang zu. «Ohne Haare auf demKopf fühlt es sich etwas komisch an. Ich habe etwas Angst, ob dieKinder noch ihren Papa erkennen», sagte der Brasilianer fröhlich,der wie versprochen in der Kabine seinen Kopf hinhalten musste fürden Rasierapparat der Mitspieler.
Favre hält, was er verspricht
Als das weitere Dasein in der ersten Liga gesichert war, fiel vonder Borussia und Gladbach die große Anspannung, die sich über Monateaufgebaut hatte, ab. Die Bochumer Betreuer sorgten in der GladbacherKabine freundlicherweise für Nachschub von frischem Pils, nachdemder fünfmalige Meister den dritten Absturz in die zweite Liga seit1999 verhindern konnte. Dante aber wollte mit frisch geschnittenemund rasiertem Schädel zurück in die Zukunft. «In sieben, achtMonaten gibt es den alten Dante», sagte der Verteidiger und sehntesich nach der alten Schädelpracht zurück. «So gefällt er mir vielbesser», meinte Borussia-Trainer Lucien Favre. «Ich habe esversprochen, also wurde es gehalten», sagte der Geschorene. AuchFavre hatte gehalten, was er versprochen hatte.
20 Punkte aus zwölf Partien
«Es heißt, wir haben den Klassenverbleib geschafft. Ich meine,wir haben ein kleines Wunder geschafft», sagte Sportdirektor MaxEberl und lobte den 53 Jahre alten Trainer aus der Schweiz als Vaterder großen Aufholjagd. Nachdem der Klub mit nur zehn Punkten aus 17Hinrundenspielen schon tot gesagt wurde, holte er allein aus denletzten vier Saisonspielen die gleiche Punktzahl. Insgesamt 20Punkte aus den letzten zwölf Partien unter Favre hievten dieGladbacher kaum noch erwartet in die Playoffs gegen Bochum. Dasbeste Fohlen im Stall war dabei Marco Reus. Der 21-Jährige, der amDonnerstag zur Nationalmannschaft nach Frankfurt fuhr und eventuellam Sonntag gegen Uruguay sein Debüt gibt, schoss das Tor zum 1:1(72.), mit dem er einen Platz für die Ewigkeit in der Vereinschronikerhalten wird. Bis in die letzten Minuten zum Anstoß wurde Reus anseiner im Hinspiel erlittenen Muskelverletzung behandelt. Noch kurzvor seinem Treffer humpelte er. Nach dem Spiel tauschte Reus mit demanderen Torschützen der Partie das Trikot. Es war Gladbachsnorwegischer Mittelfeldspieler Harvard Nordtveit. Der in derWinterpause vom FC Arsenal geholte frühere Nürnberger hatte einEigentor zum 0:1 produziert (24.), als er einen Schuss von ChristophDabrowski ins eigene Netz lenkte.
Favre: «Druck war unglaublich»
Die Partie, spielerisch deutlich schwächer als das Hinspiel,wurde zu einer Nervenschlacht. «Der Druck war einfach unglaublich.Es ging um sehr viel, das war sehr schwer», sagte Favre underklärte, dass er den härtesten Job seines Lebens überstanden hatte.Die Relegation ist fast noch extremer als echte Finalspiele, weilnicht um einen großen Triumph gekämpft wird, sondern weil einVerlierer sehr tief abstürzen kann. Die Bochumer als Zweitligistfanden auch recht schnell ihre Fassung wieder, obwohl sie erstmalsnach fünf Abstiegen nicht direkt nach einem Jahr die Rückkehr in dieerste Liga geschafft hatten.
Funkel: «Meine Mannschaft hat Gorßartiges geleistet»
«Der Aufstieg ist nur aufgeschoben», lautete das VfL-Motto desAbends. Die Stimmung im Stadion war auch noch nach dem Abpfiffprächtig. «Nächste Saison schaffen wir es. Denn wir werden nichtnoch einmal die Probleme haben, die wir zu Anfang dieser Saisonhatten», erklärte Trainer Friedhelm Funkel. «Meine Mannschaft hatGroßartiges geleistet und war zweimal für Gladbach ein absolutebenbürtiger Gegner.» Geschäftsführer Ansgar Schwenken istoptimistisch, das zuletzt wegen Verletzungen dezimierte Teamweitgehend zusammenhalten zu können. «Wir wollen nur wenige Spielerabgeben und drei, vier neue holen. Wichtig ist, dass wir eine ganzandere Stimmung haben als vorige Saison, wo es bei uns einTrümmerfeld war.»
Revolution bleibt wohl aus
Auch die Gladbacher hoffen auf ruhigere Zeiten. «Es war eineharte Zeit, wir haben viel auf die Schnauze bekommen. Daraus, dasswir alles überstanden haben, kann der Verein neue Kraft ziehen»,sagte Eberl und sprach die mit Spannung erwartete Vereinsversammlungam Sonntag an. «Es geht nicht um mich, nicht um unseren PräsidentenKönigs oder Effenberg und Köppel. Es geht um Satzungsänderungen. DieMitglieder sollen kommen und sich alles anhören», erklärte derSportdirektor. Stefan Effenberg und Horst Köppel, die von einervereinsinternen Opposition in Stellung gebracht wurden, kritisieren,dass die bestehende Führung nicht optimal gearbeitet hat und mehraus dem Klub zu machen ist. Doch die allgemeine Stimmung tendiertoffenbar dahin, dass eine Revolution ausbleibt. Der sportlicheAbsturz ist abgewendet, Gladbach ist müde.