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Österreich Österreich: Hannibals Alpenüberquerung als Freiluftspektakel

Von Cornelia Höhling 24.03.2004, 10:44
Drei Pisten-Bullys fahren vor einem Schattenspiel mit Elefanten bei der Aufführung «Hannibal» über eine Schnee-Piste im östereichischen Sölden. 28 Pistenfahrzeuge, die sonst in den Nachtstunden für Urlauber und Wintersportler den Schnee präparieren, symbolisieren in dem Alpen-Spektakel mit ihren Baggerschaufeln die Kampfelefanten Hannibals. (Foto: ddp)
Drei Pisten-Bullys fahren vor einem Schattenspiel mit Elefanten bei der Aufführung «Hannibal» über eine Schnee-Piste im östereichischen Sölden. 28 Pistenfahrzeuge, die sonst in den Nachtstunden für Urlauber und Wintersportler den Schnee präparieren, symbolisieren in dem Alpen-Spektakel mit ihren Baggerschaufeln die Kampfelefanten Hannibals. (Foto: ddp) ddp

Sölden/ddp. - Ein Bett im Schnee. Darin vergnügen sich Dido und Aeneas. Tausende Augenpaare verfolgen die Szene unter freiem Himmel. Die bizarren Gletscherbrücken des Rettenbachferner oberhalb des österreichischen Sölden bilden die Kulisse für den Prolog zum Schauspiel «Hannibal“, das die Zuschauer in die vorchristliche Geschichte entführt.

Der Held indes scheint sehr modern, wenn er an einem der möglichen Originalschauplätze seiner Alpenüberquerung aus dem Jahr 218 v. Chr. zu Rock, Pop, Rave, Hip-Hop-Klängen und Orchestermusik agiert. Sein Heer - synchron swingende Skifahrer - prescht mit bengalischen Flammen den Berghang hinunter. Eine »Herde“ von 28 Pistenbullys, die sonst in den Nachtstunden für Urlauber und Wintersportler den Schnee präparieren, symbolisieren mit ihren Baggerschaufeln die Kampfelefanten.

«Man braucht die Kälte und die Naturgewalten, um einen Eindruck zu bekommen, wie es war, als Hannibal über die Alpen in den Krieg zog“, sagt Marco aus München, der im weitläufigen Skigebiet von Sölden gerade die eigenen sportlichen Grenzen ausgetestet hat. Denn die Ötztaler Skifreuden wurden mit der neuen BIG3-Rallye komplettiert. Der erste Gipfel, der Gaislachkogel, ist mit 3058 Metern noch verhältnismäßig klein. Mit dem Tiefenbachkogl sind schon 3309 Meter erklommen. Die erst im Oktober 2003 mit einer neuen Einseil-Umlaufbahn erschlossene »Schwarze Schneid“ (3370 Meter) ist eindeutig der Gigant unter Söldens Skibergen.

Auch im April sind am Alpenhauptkamm noch gute Schneeverhältnisse. Wer die großen Drei in einem Durchgang nimmt, genießt das wohl spektakulärste Bergpanorama. «Die Aussichten von den Plattformen der BIG3 werden nur noch durch die 'Hannibal’-Inszenierung auf dem Gletscher übertroffen“, hängt sich Marcos Freund Torsten in das Gespräch. Die geübten Skifahrer haben die Rallye in vier Stunden bewältigt, dabei 10 000 Höhenmeter überwunden und eine Strecke von 50 Kilometern zurückgelegt, davon 35 Kilometer als Abfahrt.

Tausende haben ihren Urlaub so gelegt, dass sie neben der erholsamen Bergluft und den sportlichen Aktivitäten auch ein außergewöhnliches Kulturerlebnis genießen können. Die Söldener Gemeinde und die Veranstalter haben inzwischen ihre Erfahrungen. So bringen zur fünften Aufführung von »Hannibal“ am 16. April Shuttlebusse die Gäste über die 13 Kilometer lange Gletscherstraße auf den Gletscherparkplatz in 2700 Meter Höhe.

Dann wirbeln Helikopter ihnen Schnee ins Gesicht, und die Bergwelt erstrahlt in wechselnden Farben. Fallschirmspringer, die sich normalerweise vom Matterhorn aus in die Tiefe stürzen, drängeln sich mit Feuerlicht am Nachthimmel. "Für uns ist Schnee eine weiße Wand, auf die man verschiedene Dinge projizieren kann“, sagt Regisseur Hubert Lepka, den das historische Thema von Anfang an gefangen nahm. Es in ein einstündiges Theaterstück auf einer Naturbühne in den Tiroler Alpen umzusetzen war eine besondere Herausforderung für den 46-Jährigen aus dem Salzburger Land und die 500 Akteure.

Auch nach vier erfolgreichen Jahren ist allein die Logistik eine Glanzleistung derjenigen, die hinter den Kulissen der bis zu 3300 Meter hohen Berggipfel arbeiten. Die Bühne erstreckt sich auf sechs Quadratkilometern über 300 Höhenmeter, was auch physisch höchste Anforderungen an das Team im alpinen Gelände stellt.

Ausgediente Militärflugzeuge teilen sich mit 45 Paragleitern und zwei Drachenfliegern den Luftraum. Acht Motocross-Maschinen und anderes Gefährt sorgen für weitere Showeffekte und zeigen Lepkas Affinität zu Maschinen und Technik. Im Mittelpunkt des Geschehens immer wieder die 25 Meter hohe Schneepyramide.

Gebannt lauschen die Zuschauer dem Erzähler und wiegen sich gegen die aufkommende Kälte mit der Tanzgruppe im Takt zu den heißen Rhythmen. Der unbesiegbare Römer Scipio hat sein blankes Hinterteil präsentiert. Als die Lawine abgesprengt wird und plötzlich unaufhaltsam auf das Publikum zurollt, geht ein Aufschrei durch die Masse. Den breiten Sicherheitsgraben hat keiner wahrgenommen. Ein pyrotechnisch meisterhaft inszeniertes Feuerwerkfinale begleitet den kopfüber am Seil davonschwebenden Hannibal. Der Held hat den Freitod gewählt.