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Leichtathletik Leichtathletik: Manfred Germar wird 70 Jahre

Von Hans-Hermann Mädler 08.03.2005, 16:25
Schlussläufer Manfred Germar durchreißt mit klarem Vorsprung vor seinem britischen Kontrahenten das Zielband, womit die deutsche Staffel den 4x100-m-Wettbewerb bei den Leichtathletik-Europameisterschaften (19. - 24.08.1958) in Stockholm gewinnt und gleichzeitig den Weltrekord einstellt (Archivfoto). Manfred Germar wird am 10. März 70 Jahre alt. (Foto: dpa)
Schlussläufer Manfred Germar durchreißt mit klarem Vorsprung vor seinem britischen Kontrahenten das Zielband, womit die deutsche Staffel den 4x100-m-Wettbewerb bei den Leichtathletik-Europameisterschaften (19. - 24.08.1958) in Stockholm gewinnt und gleichzeitig den Weltrekord einstellt (Archivfoto). Manfred Germar wird am 10. März 70 Jahre alt. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Ein Weisheitszahn ist Schuld daran, dass die großeSprintkarriere von Manfred Germar nicht mit Gold gekrönt wurde. 14Tage vor den Olympischen Spielen 1960 in Rom wurde der Zahn alsUrsache für Muskelprobleme ausgemacht. In einer fünfstündigenOperation verlor der gebürtige Kölner nicht nur den Weisheitszahn,sondern auch seine Form. «Rom, das waren sportlich die bitterstenStunden meines Lebens», erzählt der gebürtige Kölner, der amDonnerstag (10. März) seinen 70. Geburtstag begeht.

Der 23-malige Deutsche Meister schied über 100 m in 11,0 Sekunden(Bestzeit 10,2) ebenso im Vorlauf aus wie über die doppelte Distanzin nicht minder mageren 21,6. «Über 200 m hätte ich mindestens eineMedaille gemacht», ist er noch heute überzeugt. Höhepunkt derrömischen Tragödie war die Staffel, in der er nicht mehr eingesetztwurde. «Ich bin 65 Mal hintereinander Schluss gelaufen. Undausgerechnet, wo ich nicht dabei bin, holen die Gold.» Sein KölnerClubkamerad Martin Lauer ergänzte das Trio Bernd Cullmann, Armin Haryund Walter Mahlendorf. Ein kleiner Trost: «Noch heute glauben manche,ich sei in der Staffel gelaufen.»

Germar hat nahezu ein Jahrzehnt die deutsche und europäischeSprint-Szene geprägt, nachdem der Fußballer und Handballer bei einerSchulstaffel für die Leichtathletik entdeckt und Mitglied des ASVKöln geworden war. Zu seinem ersten deutschen Titel gehört einekuriose Geschichte: Bei der Jugendmeisterschaft 1953 in Delmenhorstwurde er über 100 m in 10,5 Sekunden gestoppt. «Weil das damals einunbegreiflicher Jugend-Rekord war, wurde die Zeit auf 10,7 Sekundenkorrigiert», erzählt der «Sportler des Jahres» von 1957. Heute stehtin den Rekordlisten hinter der 10,7 sogar ein «w» - Wind unterstützt.

1956 in Melbourne wurde Germar als bester Europäer Olympia-Fünfterüber 100 m und holte als Schlussläufer Staffel-Bronze. Ein Jahrspäter war er inoffizieller Weltrekordler über 200 m, als er auf der500-m-Bahn in Köln 20,4 Sekunden rannte. 1958 stellte er mit 20,6Sekunden in Wuppertal den offiziellen 200-m-Weltrekord der US-Olympiasieger Andy Stanfield (1952) und Bob Morrow (1956) ein - underlitt eine schlimme Niederlage: Im 100-m-Finale derEuropameisterschaften von Stockholm musste der hohe Favorit sichHary, den er noch bei der deutschen Meisterschaft glatt besiegthatte, geschlagen geben.

Trotz der Niederlage war diese EM «mein Karrierehöhepunkt». DerLangsamstarter, dessen Markenzeichen der unwiderstehlicheSchlussspurt war, siegte über 200 m von der Spitze weg («Das einzigeMal in meiner Karriere, weil ich unbedingt gewinnen wollte, sonst kamich immer von hinten») und holte auch den Titel mit der Staffel, dieer später in 39,5 Sekunden auch zum Weltrekord führte.

Die Niederlage gegen Hary, den späteren Olympiasieger in Rom, hatGermar in seiner Autobiografie «Die Spuren meiner Spikes»verarbeitet. «Die Niederlage war doppelt heilsam, weil ich ja nichtversagt hatte. Aber Zweiter zählte nicht. Ich wusste, dass mich niewieder der Rausch packen würde - auch nicht in der Minute des größtenSieges. Ich wusste nun, wie wir Menschen wirklich sind, ein bisschengrausam, ein bisschen ahnungslos für das, was im anderen vorgeht, einbisschen gnadenlos.» Die Sätze finden ab und zu noch Eingang inSchulbücher. «Dann werden mir mal wieder vier Mark dreißigüberwiesen.»

Seinen Geburtstag feiert der Diplom-Kaufmann, der 30 Jahre für dasNord-West-Lotto tätig war, fern der Bergisch-Gladbacher Heimat alleinmit Ehefrau Brigitte auf Gran Canaria. «Ich habe mich von fast allenEhrenämtern zurückgezogen. Da passt es auch nicht, groß in derÖffentlichkeit zu feiern», sagt der einstige «Weltrekordler desEhrenamtes», wie ihn Sporthilfe-Chef Hans-Ludwig Grüschow bei derVerleihung der Goldenen Sportpyramide 2003 bezeichnete.

Nicht einmal Tochter Britta ist mit ihrer Familie dabei, weil diebeiden Söhne zur Schule müssen. Besonders schmerzlich für Germar,denn der war, so die Tochter, zwar «ein guter Vater, ist aber einviel besserer Opa». Was der Privatier Germar bestätigt: «Die Jungsund Golf, das sind meine Hobbys.» Dazu engagiert der langjährigePräsident des ASV Köln und Organisator des Sportfestes «Weltklasse inKöln» sich weiter als Gründungsmitglied im Gutachterausschuss derSporthilfe und als persönliches Mitglied im Nationalen OlympischenKomitee.