Leichtathletik Leichtathletik: Epstein-Barr-Virus bremst Ingo Schultz
Hamburg/dpa. - Das Epstein-Barr-Virus hat Ingo Schultz ausgerechnet im WM-Jahr tückisch ausgebremst.
«Alle anderen Gerüchte über irgendwelche persönlichen Probleme sind Latrinenparolen. Ich habe zum zweiten Mal seit Ende 2000 das Pfeiffersche Drüsenfieber bekommen. Aber jetzt wissen wir wenigstens, was los ist», sagte der 400-m-Europameister bei einem (auf)klärenden Gespräch in Hamburg. Mit dem Training muss der «Runden-Riese» bis Ende Oktober/Anfang November aussetzen. Nach einer verkürzten Hallensaison beginnt für den 28-Jährigen schon die Vorbereitung auf Olympia 2004 in Athen.
Erst am 5. September, als Schultz schon zum Golden-League-Finale in Brüssel war, habe ihn sein Arzt Dr. Andreas Grothusen von den «katastrophalen Blutwerten» unterrichtet und von einem Start dringend abgeraten. «Die explodierenden Werte deuteten auf einen chronischen Verlauf der Krankheit hin», meinte der Mediziner. «Offenbar hat der Infekt, den sich Ingo beim Höhentrainingslager in St. Moritz eingefangen hat, wie ein Katalysator für den Virus gewirkt.»
Das Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononucleosis infectiosa) tritt laut Grothusen bei Erwachsenen vor allem «bei extremen Leistungsreizen» auf. Und ein 400-m-Läufer erreiche 90 Prozent seines absoluten Leistungsvermögens. Anzeichen seien Müdigkeit und ständige Schlappheit. «In Brüssel habe ich bis um elf durchgeschlafen, das ist mir noch nie passiert», erklärte Schultz. Das beste Rezept sei nun, Seele und Beine baumeln zu lassen. Schultz. «In der Ruhe liegt die Kraft.»
Erst zwei Wochen nach seinem Halbfinal-Aus bei der Leichtathletik-WM in Paris war das Rätsel vom stetigen Leistungsabfall des deutschen 400-m-Meisters gelöst. «Es gab während der Saison keinen Hinweis, man macht diesen Test auch nicht bei jeder Blutuntersuchung», erklärte Grothusen. Der «Hausarzt» von Schultz, sein Trainer Jürgen Krempin und Physiotherapeut Ralf Kanstorf bilden mit dem Vor-Läufer von der TSG Bergedorf seit Jahren ein bewährtes Team. «Ingo kann uns rund um die Uhr anrufen - in 12 bis 24 Stunden müssen wir für jedes Problem eine Lösung finden», meinte Kanstorf, der auch die Hamburg Freezers betreut.
Auch Krempin hat seine Lehren aus der «Seuchen-Saison» gezogen. «Das Höhentraining war für uns Neuland, aber wir haben es nicht aus der hohlen Hand gemacht. In der ersten Woche war auch der Bundestrainer dabei», sagte der Trainer. Bis zum 1. Juli, als Schultz in Rom mit 45,06 Sekunden Bestzeit lief, sei die Saison planmäßig verlaufen. «Wenn wir Fehler gemacht haben», gab Krempin zu, «dann sind sie nicht allein auf meinem Mist gewachsen.» Die Planung sei richtig gewesen, aber die «Krankheit hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht». Und: «Im Moment tendiere ich dazu, im nächsten Jahr nicht wieder in die Höhe zu gehen.»
Dies soll neue Höhenflüge seines Schützlings aber nicht ausschließen. «Mein großes Ziel bleiben die Olympischen Spiele in Athen», bekräftigte Schultz, der sich jetzt etwas erholen und dann erst im Sport wieder loslegen will. Nach dem «Basteln» an der Doktorarbeit sollen zwei Wochen Urlaub mit Freundin Heidi folgen.