Harry Mulisch Harry Mulisch: 75. Geburtstag des Niederländers

Den Haag/dpa. - «Bewunderung ist etwas anderes als Liebe zu seinem Werk», hat einKritiker über die in hoher Auflage verkauften und längst im Lehrplander Schulen verankerten Werke von Mulisch geschrieben. Die Qualitätseiner Arbeiten könne sogar einschüchternd wirken. Andere haben seineFähigkeit als Geschichtenerzähler hervorgehoben und reihen seinevielschichtigen Reflexionen über Universum und Existenz ein in dieWerke der großen Weltliteratur.
Wieder anderen sind die Themen von Mulisch «zu deutsch». Dass ergerade in Deutschland eine große Lesergemeinde gefunden hat, istihnen Bestätigung für ihren niederländischen Vorbehalt. Die Bücherdes Schriftstellers, der auch immer wieder als Kandidat für denLiteratur-Nobelpreis gilt, sind in mehr als 20 Sprachen übersetztworden. «Das Attentat», eine Erzählung aus der deutschenBesatzungszeit, gilt als das am häufigsten übertrageneniederländische Buch des 20. Jahrhunderts. Die Verfilmung wurde miteinem Oscar-Preis ausgezeichnet.
Mulischs Werk kreist vor allem um das Böse, verkörpert von Hitlerund den Nazis. Im Krieg stellt sich für ihn in besonderer Weise dieGefährdung des Individuums durch die Technik dar, die der Menschselbst geschaffen hat. «Ich bin der Zweite Weltkrieg», hat Mulischeinmal gesagt und damit auf seine eigene Verbindung zu den Opfern wiezu den Tätern dieser Zeit angespielt. Er ist der Sohn einerbelgischen Jüdin mit deutschen Vorfahren und eines österreichischenOffiziers, der während der deutschen Besatzung der Niederlande mitden Nazis kollaborierte und dafür später mit drei Jahren Haft büßte.
Sohn Harry, der seine Schulzeit abbrach, um nach eigenemBekenntnis ungehindert lesen zu können, veröffentlichte 1952 seinerstes Buch «Archibald Strohalm». Schon für das Manuskript des Werkserhielt er einen Literaturpreis. Sein Roman über die ZerstörungDresdens mit dem Titel «Das steinerne Brautbett» (1959, deutsch 1960)bildet nach einhelligem Urteil einen ersten Höhepunkt im Schaffen desAutors. Mulischs Reportage über den Eichmann-Prozess, unter dem Titel«Strafsache 40/61» publiziert, wurde in Deutschland als «Meditationeines gescheiten, leidenschaftlichen Mannes» charakterisiert.
Als das wichtigste Werk des Schriftstellers gilt das 1992erschienene Buch «Die Entdeckung des Himmels», in deutscherÜbersetzung 1993 bei Hanser (München) erschienen. Darin fassteMulisch zu seinem 65. Geburtstag auf 900 Seiten romanhaft die Themenseiner Arbeiten zusammen. «Siegfried», sein 2001 erschienener Romanum einen fiktiven Sohn von Adolf Hitler und Eva Braun, wurde von ihmals eine «schwarze Idylle» bezeichnet und von der Kritik alsMeisterwerk gerühmt, in Holland jedoch nicht uneingeschränkt mit Lobbedacht.
Mulisch wurde mit vielen bedeutenden Autoren der Vergangenheitverglichen, nennt selbst Dostojewski und Thomas Mann als seineLehrmeister. Er hat viele Literaturpreise und Orden erhalten. Dassihm im eigenen Land häufig Eitelkeit und Arroganz vorgeworfen wird,stört ihn nach eigenem Bekunden nicht. «Seine Leser lesen ihn, seineTheoretiker entziffern ihn, und der Autor selbst? Er schreibt erhabenweiter an seinem Werk und kümmert sich nicht um die Interpretation»,meinte eine niederländische Wochenzeitschrift.