Ernährung Ernährung: Futtern wie die Weltmeister
Halle (Saale)/MZ. - Es klingt wie ein Mantra, so langsam und prononciert formuliert Marco Spielau diese goldene Regel der Sporternährung: "Essen sollte so wenig wie möglich verarbeitet sein." Lebensmittelqualität nennt das der U23-Ruder-Weltmeister von 2004, der nun am Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung an der Uni Halle (ILUG) Sportler in Sachen Ernährung berät. "Wenn ich noch erkennen kann, was ich esse, mache ich nichts falsch", sagt er. Fehler können sich Leistungssportler natürlich nicht erlauben. Heißt: Gerade sie sollten beispielsweise statt zum panierten Schnitzel oder der Bratwurst lieber zum Minutensteak greifen. Denn natürliche Lebensmittel haben zwei Vorteile: Sie sind nährstoffreich, aber kalorienärmer als ihre Pendants mit Zusätzen - und halten oft länger satt.
Zehn Prozent mehr Leistung
Wie wichtig die optimale Ernährung für Spitzensportler ist, haben die Forscher am ILUG in einer Studie nachgewiesen: Sie testeten die Leistungen von Radsportlern im Training im Labor. Zunächst sollten diese im Vorfeld genauso essen wie gewohnt. Vor dem zweiten Test aber mussten sie sich nach einem auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Speiseplan richten. "Die Leistungsunterschiede lagen durchschnittlich bei mehr als zehn Prozent", berichtet Spielau. Seinem Rat und dem seiner Kollegin Manon Kraus am ILUG vertrauen auch Olympia-Hoffnungen aus Sachsen-Anhalt - wie Diskuswerferin Nadine Müller, Schwimmerin Daniela Schreiber oder Zehnkämpfer Rico Freimuth.
Zwar unterscheiden sich die optimalen Speisepläne von Sportlern je nach Disziplin immens. Eines aber müssen alle beachten: Regelmäßigkeit. "Die Basis sollten drei Mahlzeiten pro Tag sein, dazu nach jedem Training ein Snack, der die Regeneration einläutet", so Spielau. "Der Körper kann Nährstoffe in dieser Phase besonders gut aufnehmen." Er erholt sich schneller. Und wie sieht der perfekte Snack aus? Der sportliche Ernährungswissenschaftler antwortet mit einer Formel: "Er ist fettarm und besteht je Kilo Körpergewicht aus einem Gramm Kohlenhydrat und einem halben Gramm Eiweiß." Das bedeutet: Brot mit Frischkäse etwa, oder Joghurt mit Obst.
Und dabei das Trinken nicht vergessen. 30 Milliliter Flüssigkeit pro Kilo Gewicht braucht der Mensch am Tag. Hinzu kommen bei Sportlern 500 bis 700 Milliliter je Trainingsstunde. Das sonst so hochgelobte Leitungswasser (maximal kontrolliert und null Kalorien) ist für Hochleistungssportler alles andere als geeignet. Es fehlen die Mineralstoffe. Besser: Mineralwasser mit hohem Calcium- und Magnesium-Gehalt. Ausdauerathleten wie Radsportler müssen ihre Getränke sogar oft nachsalzen. Durchs lange Schwitzen geht ihrem Körper viel Natrium verloren. "Eine salzarme Ernährung ist da sogar leistungsmindernd", erklärt Marco Spielau.
Nudeln für die Ausdauer
Ansonsten gilt für die Ausdauersportler, was Nudelpartys vor Marathonläufen suggerieren: Bei ihnen kommt es auf die Kohlenhydrate an. Nach dem Training ist das besonders wichtig. Zum Abendbrot dürfen sie also bei Kartoffeln, Nudeln und Reis zuschlagen. "Auch Eiweiß sollte für sie zu jeder Mahlzeit dazugehören", so Spielau. Bei starken Belastungen holt sich der Körper die Energie nämlich auch aus den Eiweißreserven, also den Muskeln - was ja nicht gewollt ist.
Bei Trainingseinheiten von oft fünf, sechs Stunden am Stück brauchen Radsportler auch zwischendurch einen Snack, damit der Blutzuckerwert nicht abfällt. "Manche Renn-Athleten schwören anderthalb Stunden vor dem Ziel auf Kaffee und Cola", sagt der 30-jährige Ernährungsberater der Sportler schmunzelnd, der im Übrigen kein Fan von Nudelpartys ist - weil man das mit den Kohlenhydraten auch nicht übertreiben sollte. Trotzdem dürfen die Mahlzeiten größer ausfallen. 5 000 Kilokalorien am Tag sind bei einem 75 Kilo schweren Radsportler okay, sagt er.
Ganz anders bei den anmutigen Sportgymnastinnen: Die müssen sich am Abend Kohlenhydrate möglichst verkneifen. Geeignet sind etwa Salate mit Gemüse, Feta, Garnelen oder Hühnchen oder auch gedünsteter Fisch. "Das garantiert einen optimalen Fettstoffwechsel über Nacht", spricht Marco Spielau aus, was den Sportlerinnen oft schwer fällt. "Viele sagen sich: Wenn ich ohnehin so wenig essen darf, gönne ich mir lieber mal etwas Süßes." Bei Spitzensportlern in Disziplinen, wo sehr schlanke Körper gefordert sind, sei die Sache mit der Ernährung ohnehin kompliziert: "Sie dürfen nicht zunehmen, sollen aber gleichzeitig leistungsfähig sein." Zudem müsse man beachten, dass sich viele Athleten etwa im Turnen oder der rhythmischen Sportgymnastik noch im Wachstum befinden. Eine Gymnastin, meist groß und grazil mit 50 bis 60 Kilo, sollte 1 800 bis 2 000 Kilokalorien am Tag zu sich nehmen. Die Lebensmittelqualität sei hier besonders wichtig.
Zwei Steaks am Abend
Gewichtheber müsste man sein: Die können futtern wie die Weltmeister und kriegen dafür noch ein Schulterklopfen. Ob Nüsse oder fetter Tiefseefisch - auf ihrem Speiseplan stehen energiereiche Lebensmittel mit vielen Nährstoffen. "Abends sind auch zwei Steaks mit Kartoffeln kein Problem", so Spielau. Irgendwie müssen sie ja auf ihre Kalorien kommen - 6 000 am Tag sind bei einem 100-Kilo-Mann normal. Dabei sind Eiweiße für den Masseaufbau wichtig. In Sachen Fette eignen sich die "guten" Omega-3-Fettsäuren, etwa in Lachs. "Sie fördern den Heilungsprozess bei verletzten Muskelstrukturen", so der Fachmann.
Und wenn die Sportler vor dem Kalorienbedarf satt sind, decken sie ihn über Getränke. Auch Nahrungsergänzungsmittel in Riegeln oder Gelen werden genutzt. "Richtig dosiert und gezielt eingesetzt, steigern sie die Leistung - aber immer nur als Ergänzung", betont Marco Spielau. Gibt es - außer Doping - Dinge, die für Leistungssportler tabu sind? Er winkt ab. Selbst ein Bier sei mal in Ordnung, nur nicht gerade vorm Wettkampf. "Der Sportler braucht ja auch mal Entspannung für den Kopf."