SV Halle Lions SV Halle Lions: Flügelspielerin Inken Henningsen ist im Team angekommen
Halle (Saale) - Inken Henningsen muss gar nichts erklären. Grinsend steht sie vor dem Café in der halleschen Innenstadt. Sie trägt Bikerjacke, hat einen Helm in der Hand. Ihre blaue, elf Jahre alte BMW, die hat sie um die Ecke abgestellt. Zum Termin mit der MZ ist sie natürlich mit dem Motorrad gekommen. Eine Frage nach ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung erübrigt sich. Inken Henningsen ist passionierte Bikerin und rast bei Crossfahrten auch schon mal quer durch den Wald.
Ein gefährliches Hobby für eine Profibasketballerin, könnte man meinen. Aber ihr Trainer, René Spandauw, „findet das voll okay“, sagt Henningsen. „Sie könnte sich auch in der Wohnung verletzen und umknicken“, sagt der Coach. Er lässt ihr den Freiraum, obwohl er weiß, dass er sie braucht.
Zuletzt sogar Startformation
Dies allein ist bemerkenswert: René Spandauw braucht Inken Henningsen. Um das nachzuvollziehen, hilft - wie so oft im Basketball - ein Blick auf die Statistiken: Seit 2010 spielt die 22-Jährige für die Lions in der Bundesliga. Mehr als 2:32 Minuten pro Partie im Schnitt waren in all den Jahren nicht drin. Jetzt, in der Saison 2015/16, ist alles anders. In acht Liga-Spielen stand die 1,80 Meter große Flügelspielerin durchschnittlich 13:40 Minuten auf dem Parkett. Mehr noch: In den letzten vier Spielen war sie sogar in der Startformation.
Und das hat viel mit der neuen Rolle der Inken Henningsen zu tun. Wurde sie in den letzten Jahren allein wegen ihres feinen Händchens ab und zu eingewechselt, um sich an Dreipunkte-Würfen zu versuchen, wandelte sich Henningsen unter Spandauw zur robusten Verteidigerin. „Ich bin der Hund“, sagt Henningsen grinsend. Sie muss die gegnerische Aufbauspielerin stören. Eine Aufgabe außerhalb des Rampenlichts. „Das sieht niemand“, sagt Spandauw, aber Henningsen gefällt sich in der Rolle. „Wenn die gegnerischen Spielerinnen zickig werden, weil ich sie permanent verfolge und attackiere und nicht weiter wissen, dann ist das mein Erfolgserlebnis“, erzählt sie. Beim Punkten fehlt ihr noch Fortune. Trotzdem ist sie endlich angekommen in der Bundesliga. Nach vielen persönlich enttäuschenden Spielzeiten.
Warten auf den Durchbruch
Über die letzten Jahre möchte die angehende Kommissarin auch gar nicht viel reden. Nur so viel verrät sie: „René ist endlich ein Trainer, der nach Leistung geht.“ Was den Umkehrschluss zulässt, dass Spandauws Vorgänger das nicht so gehandhabt haben. Henningsen spielte meist in der Regionalliga und wartete auf den Durchbruch.
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Dass sie eine gute Basketballerin ist, die das Niveau für die erste Liga hat, weiß sie. Das zeigte sich im Sommer. „Ich hatte andere Angebote aus der Bundesliga“, sagt Henningsen. „Trainer kamen auf mich zu und haben mich gefragt, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Das sagt viel aus.“ Sie hatte sich in einer anderen Stadt umgesehen und entschloss sich doch, es noch einmal bei den Lions zu probieren. „Ich wollte nicht aufgeben. Ich mag Halle einfach sehr“, sagt sie. „Die Stadt liegt mir total am Herzen, deswegen bin ich noch hier.“ Vor allem wurde der Kämpferinstinkt geweckt, nachdem sie hörte, wer da in Halle anheuerte. An Spandauw hat sie besondere Erinnerungen.
Rückblende: Im Februar 2009 wagt „das Mädchen vom Lande mit dem großen Talent“, wie Spandauw die damals 15-Jährige beschreibt, den großen Schritt. Es wechselt vom Heimatverein BBC Rendsburg, 30 Kilometer von Kiel entfernt, nach Halle. Die richtige Entscheidung, so sieht es auch Spandauw heute. „Ich war immer schon begeistert von ihr“, sagt er. „Aber Rendsburg war eine Sackgasse.“
Henningsen hatte Potenzial. Und Spandauw, damals U-16-Nationalcoach, berief sie in seinen Kader. Testspiel um Testspiel macht das Talent, doch bei der EM im Sommer bekommt sie das Stoppschild. „Du bist zehnmal besser als die anderen, aber du kämpfst zu wenig.“ Spandauws Worte von damals klingen ihr noch heute im Ohr.
Kritik als Schlüsselerlebnis
Heute kann Henningsen darüber schmunzeln, damals war sie getroffen: „Ich war sauer. Aber das hat mich weitergebracht.“ Sie bezeichnet es als Schlüsselerlebnis. In gewisser Weise wurde Henningsen durch Spandauw zu der Spielerin, die sie heute ist: zu einer echten Kämpferin.
Und heute? „Sie ist sehr wichtig geworden und hat sich extrem entwickelt“, meint Spandauw. Es verwundert nicht, wenn Henningsen jetzt sagt: „So viel Spaß hatte ich noch nie am Basketball.“ (mz)