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Tennis Zverevs Ziel: Mit „Eiern“ zum Titel-Glück in Australien

Mehrmals ist Alexander Zverev kurz vor der Erfüllung seines Grand-Slam-Traums gescheitert. In Melbourne nimmt er einen neuen Anlauf. Aber Zverev läuft die Zeit davon, meint Boris Becker.

Von Jörg Soldwisch, dpa Aktualisiert: 09.01.2025, 11:20
Alexander Zverev geht mit guter Laune in die Australian Open.
Alexander Zverev geht mit guter Laune in die Australian Open. Vincent Thian/AP/dpa

Melbourne - Diese Niederlage nahm Alexander Zverev locker mit einem Lächeln. Kurz vor Beginn der Australian Open spielten der Weltranglistenzweite und Novak Djokovic einen Show-Satz unter Flutlicht für die Zuschauer in der Rod Laver Arena. Das 6:7 (6:8) bei der „Nacht mit Novak“ konnte die gute Laune beim Hamburger dabei nicht trüben. „Er sieht gut aus, sein Aufschlag ist stark“, lobte Rekordsieger Djokovic die Form des Kontrahenten.

Der Happy Slam, wie die Australian Open aufgrund der entspannten Atmosphäre am Yarra River im australischen Sommer genannt werden, hat auch Zverevs Herz erobert. „Ich liebe Australien“, sagte der Olympiasieger von 2021 kurz vor Start des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres am Sonntag: „Der Vibe ist einfach großartig, jeder scheint sehr, sehr glücklich zu sein.“

Platz 2 reicht Zverev nicht mehr

Nur für Spaß ist Zverev natürlich nicht um die halbe Welt gereist. Er ist auf einer Mission. Der 27-Jährige gilt zwar als vielleicht bester Spieler der Tennis-Geschichte, der niemals einen Grand-Slam-Sieg gefeiert hat. Doch er selbst sieht das nicht als Kompliment, sondern als Makel. 

„Ich habe viele Turniere gewonnen, von denen ich geträumt habe, dass ich sie gewinne. Ein Traum ist noch offen: der von einem Grand Slam“, sagte Zverev. Deswegen sei die vergangene Saison mit dem Aufstieg zur Nummer zwei der Welt, insgesamt 69 Siegen und Masters-Titeln in Rom und Paris für ihn „am Ende des Tages kein Erfolg“ gewesen.

Die Krönung verpasste Zverev schon mehrmals. Im vergangenen Juni bei den French Open gegen Carlos Alcaraz und 2020 bei den US Open gegen Dominic Thiem verlor er jeweils auf dramatische Weise Fünf-Satz-Finals. Und im Vorjahr bei den Australian Open vergeigte Zverev das Halbfinale gegen den Russen Daniil Medwedew. 

Seitenhieb von Freundin Sophia Thomalla

„Zwei-Satz-Führung gegen Medwedew - das hättest du besser gewonnen“, kritisierte sogar Freundin Sophia Thomalla im Tennischannel-Podcast „A bis Z“. Zverev schaute dabei leicht verlegen zur Seite. Er weiß: Auch wegen verpasster Chancen wie dieser ist der Titel einer RTL-Doku über ihn noch immer eine Prophezeiung: „Zverev - Der Unvollendete“.

Die Auslosung am Donnerstag bot für Zverev keine unliebsamen Überraschungen. Gegen den Franzosen Lucas Pouille, der mit einer Wild Card startet, ist in der ersten Runde ein Sieg Pflicht. In der dritten Runde könnte ein atmosphärisches Duell mit dem Australier Nick Kyrgios warten. Und erst im Halbfinale wäre ein Aufeinandertreffen mit den Mitfavoriten Carlos Alcaraz und Djokovic möglich.

Die Bizeps-Zerrung, die sich Zverev anderthalb Wochen vor Turnierstart während des United Cups zugezogen hat, dürfte ausgeheilt sein. Doch reicht es für den großen Coup?

Becker: Zverev läuft die Zeit davon

Die Zeit wird langsam knapp - findet Boris Becker. „Er ist jetzt in einem Alter, wo er es machen muss“, sagte die deutsche Tennis-Ikone im Podcast „Becker Petkovic“ mit der früheren Topspielerin Andrea Petkovic. „In den nächsten 18 Monaten“ müsse der ersehnte Grand-Slam-Titel her, so Becker, „sonst wird es sehr viel schwieriger“. Zverevs vermeintlich größte Konkurrenten, der italienische Weltranglistenerste Jannik Sinner (23) und Spaniens Tennisass Alcaraz (21), sind deutlich jünger.

Zverev und sein Team hätten bislang zu „99 Prozent alles richtig gemacht. Aber dieses eine Prozent fehlt“, meinte Becker, der den Hamburger hinter Sinner und Alcaraz neben Djokovic zu den vier Turnier-Favoriten zählt. Beckers Rat: eine Art „Supercoach“ neben Trainer und Vater Alexander Zverev Senior installieren. So wie es der 24-malige Grand-Slam-Turniersieger Novak Djokovic aktuell mit Ex-Profi Andy Murray probiert.

Becker selbst wäre dafür theoretisch frei. „Ich liebe Boris und ich glaube auch, dass er fachlich ein unfassbares Wissen hat“, sagte Zverev dem „Tennismagazin“: „Ich weiß aber nicht, wie es mit dem Reisen bei ihm ist.“ Sobald Becker „das gelöst und geklärt hat, kann man darüber reden“. Während der Australian Open arbeitet der dreimalige Wimbledonsieger für TV-Sender Eurosport wieder aus der Ferne als Experte.

Zverev zeigt mit Schläger-Wechsel „Eier“

Für seinen großen Traum scheint Zverev dennoch offen für Neues zu sein. Er will in wichtigen Momenten großer Matches einen offensiveren und aggressiveren Spielstil umsetzen. Und er hat im vergangenen Herbst auf einen komplett neuen Schläger umgestellt. 

„Dazu braucht es auch ein bisschen Eier“, meinte Zverev. „Es ist nicht so, dass ich mich zufriedengebe und sage, ich lehne mich zurück und genieße die Resultate, die ich habe.“ Natürlich sei er „getrieben“, sagte Manager Mischa Zverev über seinen Bruder, für den 2025 „das beste Jahr aller Zeiten“ werden soll. 

Einer der größten Tennisstars ist er schon jetzt. Beim Fotoshooting mit den 428 Ballkindern der Australian Open schauten die jungen Helfer nicht nur wegen der fast zwei Meter Körperlänge zu Zverev auf. Doch ohne Grand-Slam-Titel bleibt er ein Unvollendeter.