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  7. BGH-Urteil zu Pyrotechnik: Vereine müssen weiter DFB-Geldstrafen für ihre Fans zahlen

Carl Zeiss Jena klagt erfolglos BGH-Urteil stärkt den DFB: Klubs müssen weiter Geldstrafen für ihre Fans bezahlen

Wie umgehen mit Bengalos und Krawallmachern im Fanblock? Der DFB bittet stellvertretend die Vereine zur Kasse - und das ist rechtens, sagt jetzt der BGH.

Aktualisiert: 04.11.2021, 11:54
Aller Fan-Proteste zum Trotz: Der DFB darf auch weiterhin Vereine für Pyrotechnik in den Kurven haftbar machen,
Aller Fan-Proteste zum Trotz: Der DFB darf auch weiterhin Vereine für Pyrotechnik in den Kurven haftbar machen, (Foto: imago images/Karina Hessland)

Karlsruhe/dpa/MZ - Der Deutsche Fußball-Bund darf gegen Vereine weiterhin teils hohe Geldstrafen verhängen, wenn deren Anhänger oder Zuschauer Spiele stören. Rechtlich seien die Strafen als reine Präventivmaßnahmen zu bewerten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe.

Damit seien sie auch dann zulässig, wenn den Vereinen kein eigenes Verschulden vorzuwerfen sei. Die Praxis verletze keine elementaren Grundsätze der Rechtsordnung. Geklagt hatte der Regionalligist FC Carl Zeiss Jena. (Az. I ZB 54/20)

Der DFB sieht im Urteil eine Bestätigung seiner Rechtsauffassung. „Mit diesem Beschluss ist abschließend und zweifelsfrei sichergestellt, dass die DFB-Rechtsorgane einerseits ihre Arbeit auf der Basis der Richtlinie für die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses uneingeschränkt fortsetzen – und dass sie andererseits die Unterstützung und Mitwirkung der Vereine, die anders als der DFB den Zugang zu ihren Anhängern haben, zur Sicherung eines störungsfreien Spielbetriebs einfordern können“, sagte der für Recht zuständige 1. DFB-Vizepräsident und DFB-Interimspräsident Rainer Koch am Donnerstag.

BGH sieht in Geldstrafen des DFB "reine Präventivmaßnahmen"

Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sieht vor, dass die Vereine für das Verhalten ihrer Anhänger und Zuschauer verantwortlich sind. Sie haften „im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art“.

Das bedeutet, dass sie zum Beispiel wegen Bengalos und anderer Pyrotechnik im Fanblock zur Kasse gebeten werden. Je nach Schwere des Vorfalls und Finanzkraft des Vereins kann es um bis zu sechsstellige Summen gehen, das Geld fließt an Stiftungen und Projekte. Die Idee dahinter: Die Fans sollen sich zusammenreißen, um ihrem Verein nicht zu schaden.

BGH-Urteil: Carl Zeiss Jena prüft Gang vor das Bundesverfassungsgericht

Der unterlegene FC Carl Zeiss Jena hat mit Unverständnis auf das Urteil reagiert. „Wir müssen uns jetzt das Urteil ansehen und entscheiden, ob es wert ist, da noch mal das Bundesverfassungsgericht anzufragen“, sagte Chris Förster, der Geschäftsführer des Regionalligisten. „Unsere Argumentation war ja, dass wir für etwas bestraft werden, wofür wir nichts können. Und jetzt hat der BGH erklärt, dass es keine Strafe ist, sondern präventiven Charakter hat.“

„Das müssen wir erst mal akzeptieren und akzeptieren das natürlich auch“, sagte Förster. Die Vereine würden die Geldbußen aber durchaus als Strafe empfinden. „Die Prävention, die damit einhergehen soll, hat sich über die Jahre eben auch nicht eingestellt. Insofern kann man diesen präventiven Charakter durchaus mal in Frage stellen: Der ist nicht von der Praxis gedeckt“, kritisierte er.

Carl Zeiss Jena: Geldstrafen des DFB sind „großer wirtschaftlicher Schaden für uns"

Sein Club mache „alles“, um solche Vorfälle zu verhindern, versicherte Förster. „Ad hoc fällt mir nicht ein, was wir noch an zusätzlichen Maßnahmen tun könnten.“ Die Geldstrafen des DFB seien eine „enorme finanzielle Belastung“ und ein „großer wirtschaftlicher Schaden für uns und auch für viele kleine Vereine. Insofern empfinden wir es schon als Strafe und nicht als Prävention.“

Auch der Dachverband für Fanhilfen hat das Urteil des Bundesgerichtshofs als „fatales Signal“ für die Rechte der Klubs bezeichnet. „Die vom DFB-Sportgericht verhängten Kollektivstrafen gegen Fans und Vereine widersprechen zutiefst dem Grundsatz der demokratischen Rechtsprechung“, sagte Danny Graupner von den Fanhilfen am Donnerstag in einer Stellungnahme.

Nach einem früheren Urteil aus Karlsruhe können sich die Vereine zwar von den Krawallmachern das Geld als Schadenersatz zurückholen. Dafür müssen diese aber erst einmal ausfindig gemacht werden.

Der FC Carl Zeiss, der damals noch in der 3. Liga spielte, muss nun endgültig für Störungen von zwei Heimspielen und einer Auswärtspartie 2018 insgesamt knapp 25.000 Euro zahlen. Der Verein hatte das als ungerecht empfunden.

BGH erklärt: DFB-Geldstrafen sind eigentlich keine Geldstrafen

Die obersten Zivilrichterinnen und -richter des BGH ließen sich davon aber nicht überzeugen. Der Grundsatz, dass jede Strafe oder strafähnliche Sanktion Verschulden voraussetze, habe sogar Verfassungsrang, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Anders, als der Name vermuten lasse, handele es sich bei den Geldstrafen gegen die Vereine aber rein rechtlich gar nicht um Strafen.

Koch erläuterte, dass allein der Zweck entscheidend sei. Hier gehe es nicht darum, ein Fehlverhalten der Vereine zu ahnden. Durch die Geldstrafen sollten diese angehalten werden, einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb zu gewährleisten und auf ihre Anhänger einzuwirken. Damit seien die Strafen eigentlich eine Präventivmaßnahme.

Jena hatte sich vor den Zivilgerichten gegen einen Schiedsspruch des zuständigen Sportgerichts gewehrt. Koch sagte, so ein Schiedsspruch könne nur aufgehoben werden, wenn er gegen die öffentliche Ordnung verstoße. „Das ist eine sehr hohe Hürde.“ Im Juni 2020 war der FCC auch schon vor dem Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) gescheitert.

Der BGH entschied nun in letzter Instanz. Jetzt ist nur noch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht denkbar.