Diego Demme im Interview Diego Demme von RB Leipzig kann sich Wechsel nach Italien vorstellen

Leipzig - In fünf von sechs Bundesliga-Spielen stand Diego Demme in der Startelf von RB Leipzig. Im Interview mit Martin Henkel spricht er über seine Entwicklung und seine Herkunft.
Herr Demme, hätte Ihnen vor einem Jahr jemand gesagt, Sie spielen Stamm in der ersten Liga, was hätten Sie geantwortet?
Demme: (überlegt) Das kann ich gar nicht genau sagen. Vermutlich eher nichts. Aber es ist schon immer mein Traum gewesen, Spieler in der ersten Liga zu sein. Und dann im Idealfall auch Stammspieler. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ. Klar, es sind immer Spieler gekommen, die Ansprüche auf Positionen hatten, auf denen ich zu Hause bin. Aber ich habe mich immer durchgesetzt. Und ich habe eigentlich nie daran gezweifelt, dass ich meine Spiele mache.
Gab es einen Spieler, der Ihnen Sorge bereitet hat?
Demme: Sorge nicht. Aber Respekt hatte ich vor jedem, der gekommen ist. Dann habe ich mich gefragt: Wird das jetzt schwer, oder entwickle ich mich weiter und setze mich durch?
Sie sind im Januar 2014 aus Paderborn nach Leipzig gewechselt. Sie waren mal Stammspieler, mal Reservist, mal Rechtsverteidiger, mal Sechser. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Demme: Es hat mich stärker gemacht. Aber eigentlich waren dafür gar nicht so sehr die Trainer oder die wechselnden Positionen verantwortlich, sondern vor allem die Mitspieler, die gekommen sind. Jeder, der neu war, hat Qualität mitgebracht. Und dann ging es im Training richtig zur Sache. Man passt sich an, man hebt sich gegenseitig auf ein neues Level. Und ich bin immer mitgewachsen.
Der jüngste Zugang des Sommers, Oliver Burke, hat dem englischen Guardian erzählt, er hätte vor dem ersten Training gedacht, es mit der U-16 seines früheren Klubs Nottingham Forest zu tun zu haben.
Demme: Wir haben schon gut gelacht, als wir das gelesen haben. Wir sehen ja tatsächlich alle noch sehr jung aus. Und Oliver ist schon ein ziemlicher Bär (lacht). Verständlich, dass der er zunächst diesen Eindruck hatte.
RB stellt den jüngsten Kader der Liga. Vor der Saison ist nicht klar gewesen, ob das ein Vorteil oder ein Nachteil ist.
Demme: Intern war das keine Frage. Ich denke schon, dass das für uns auch charakteristisch ist. Wenn man jung ist, so wie wir, dann hat das jede Menge Vorteile. Es gibt keine Grüppchen, keine starren Hierarchien und alle wollen sich entwickeln, also geben alle im Training und im Spiel richtig Gas. Und wir halten zusammen. Wenn man ungefähr gleich alt ist, dann macht man eben auch privat was zusammen.
Mit allen 22 Kollegen?
Demme: (lacht) Okay, ich hab da schon meine Clique. Mit Rani Khedira, Marcel Sabitzer, Timo Werner gibt es eine Art Stammtisch, wir gehen immer ins selbe Restaurant essen.
Es heißt, dort wurde ein Fanclub gegründet, der ihren Namen trägt.
Demme: Das ist wirklich so. Die Jungs waren dort auch immer essen und irgendwann kamen sie auf die Idee, einen Fanclub gründen zu wollen und nach mir zu benennen. Und dann haben die das tatsächlich durchgezogen.
Die höchste Stufe persönlicher Verehrung hat Diego Maradona in seiner Heimat Argentinien erreicht, dort gibt es eine Kirche, die sich nach ihm benannt hat. Ist ihr gemeinsamer Vorname Zufall oder Anspielung?
Demme: (lacht) Mein Vater ist Italiener, aus Kalabrien, also nicht ganz so weit von Neapel entfernt, wo Maradona gespielt hat. Und zu der Zeit, als ich geboren wurde, war er die Fußballikone. Also ja, mein Vater hat mich wegen Maradona Diego genannt.
Was an Ihnen ist italienisch?
Demme: Fußballerisch würde ich sagen, die Aggressivität. Ich bin schon ein Heißsporn. Und zu Hause: Da stehe ich gerne hinter der Herdplatte.
Was macht ein Italiener hinter der Herdplatte?
Demme: (lacht) Der kocht. Mein Basilikum-Pesto mit einem Mus aus Chasewkernen, mit dem muss ich mich nicht verstecken.
Apropos: Vor der Saison hieß es bei RB, man wolle mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Dann folgten drei Siege, darunter ein 1:0 gegen den BVB, immerhin Champions-League-Teilnehmer, und drei Remis. Es heißt, nicht absteigen zu wollen, sei ein Understatement. Ist das so?
Demme: Es sind erst sechs Spiele gespielt. Wir sind gut gestartet, aber es hat sich nichts geändert. Wir schauen einfach weiter von Spiel zu Spiel. Und dann werden wir sehen, was am Ende für uns herausspringt.
RB ist in keinem Spiel wirklich unterlegen gewesen und gegen manchen Gegner überraschend dominant. Was macht Sie so stark?
Demme: Es gibt mehrere Gründe. Der Kader besteht zu 90 Prozent aus Spielern, die sich aus der Vorsaison kennen. Jeder weiß, wie der andere denkt, wie er läuft, wie er sich bewegt. Die Automatismen funktionieren. Wir haben unseren Stil nicht geändert. Wir haben einen großen Spirit in der Mannschaft. Und wir haben ziemlich viel Qualität im Kader, auch in der Breite. Wir haben immer noch Spieler auf der Bank, die reinkommen und die Partie entscheiden können.
Gab es ein Schlüsselspiel?
Demme: Das gegen den BVB. Nach dem 1:0 ist das Stadion fast explodiert. Das hat uns ganz schön Selbstvertrauen gegeben.
Welches Spiel hat Ihnen am wenigsten Spaß gemacht?
Demme: Spaß hatte ich in jedem Spiel. Aber komisch war Hoffenheim im ersten Spiel – unsere Bundesliga-Premiere. Da war schon noch Nervosität da.
Sie haben bis 2018 Vertrag. Sind Sie dann noch in Leipzig?
Demme: Bis jetzt sind noch keine Gespräche geführt worden. Aber ich fühle mich in der Stadt und bei RB wirklich wohl, ich kann mir schon vorstellen, hier weiter zu spielen.
Was machen Sie, wenn der frühere Maradona-Klub SSC Neapel anruft?
Demme (lacht): Wie gesagt, ich würde gern noch ein paar Jahre bei RB bleiben. Aber irgendwann Italien – das ist auf jeden Fall vorstellbar.