Ex-HFC-Spieler Christopher Schorch Ex-HFC-Spieler Christopher Schorch: Erinnerungen ohne Reue
Halle (Saale)/Cottbus - Ganz gleich in welcher Kabine er in den vergangenen Jahren auch saß, diese eine Frage verfolgte Christopher Schorch überall hin. Die Neugier begleitet ihn. „Wie war das damals eigentlich bei Real Madrid?“ Das wollen all seine Mitspieler wissen. Und: „Ich spreche auch gerne darüber“, sagt der 26 Jahre alte Innenverteidiger, „aber viele Leute denken leider, ich zehre noch immer davon. Wahr ist: Davon, was damals war, kann ich mir heute nichts mehr kaufen.“
Von der großen Fußballwelt ist Christopher Schorch mittlerweile weit entfernt. Seit einigen Wochen kickt der Abwehrmann für den FC Energie Cottbus, am Sonntag tritt der gebürtige Hallenser mit den Lausitzern nun beim Klub seiner Heimatstadt an. Seine ganze Familie wird im Erdgas Sportpark sein. „Seitdem ich in Cottbus bin, sind wir ungeschlagen“, verkündet Schorch stolz, „und das soll auch so bleiben.“
Insel-Wechsel platzt
Seit Mitte Oktober spielt der Innenverteidiger für den kommenden Gegner des Halleschen FC. Unter Neu-Trainer Vasile Miriuta hat er sich einen Stammplatz erkämpft. Abwehrchef in der dritten Liga, das klingt im ersten Moment nicht schlecht. Aber wenn Christopher Schorch so von früher erzählt, verblasst diese Stellenbeschreibung doch ganz schön.
Der gebürtige Hallenser galt einst als der nächste deutsche Defensivkünstler. Nach seinen Anfängen beim Nietlebener SV Askania wechselte er zum Halleschen FC, die heutigen HFC-Spieler Toni Lindenhahn und Sascha Pfeffer kennt er noch aus der Sportschule. Wenig später zog es ihn ins Jugendinternat von Hertha BSC Berlin. Sein Wechsel als 18-Jähriger zu Real Madrid sorgte anschließend bundesweit für Schlagzeilen. Die Königlichen bezahlten 2007 eine Million Euro Ablöse für ihn. „Den Wechsel nach Madrid“, sagt der 26-Jährige, „habe ich nie bereut.“ Heute liegt sein Marktwert bei 200 000 Euro.
Nun ist es keine Neuigkeit, dass sich Christopher Schorch nicht mehr in den selben Sphären wie früher bewegt. In der vergangenen Saison gastierte er mit dem MSV Duisburg bereits beim HFC. Nach dem Zweitliga-Aufstieg planten die Zebras allerdings ohne ihn.
Im vergangenen Sommer war Schorch dann aber doch noch einmal ganz dicht dran am großen Fußballgeschäft. Über einen Monat trainierte er beim englischen Zweitligisten Queens Park Rangers, absolvierte Testspiele gegen europäische Größen wie den AS Monaco oder Schachtjor Donezk. Der Kontakt kam über den gleichen Scout zustande, der ihn damals nach Madrid vermittelt hatte.
Und es sah gut aus. „Ich dachte, dass ich überzeugt habe.“ Also lehnte Schorch sichere Angebote aus der zweiten Bundesliga und auch der dritten Liga ab. Sein Berater flog aus Deutschland ein, alles sah nach einem Engagement auf der Insel aus. Doch am Ende zerschlug sich der Plan. Warum? Schorch meint: „Eine Begründung habe ich bis heute nicht bekommen.“ Aber: „Das Leben musste weitergehen.“ Vereinslos wollte der Innenverteidiger auf keinen Fall bleiben, nach einem Probetraining schloss er sich dem FC Energie Cottbus an. „Wir wollen so schnell wie möglich aus dem Keller kommen“, sagt er. Schorch hat in der Lausitz einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben. Trotz der nicht allzu langen Laufzeit hat er seinen Lebensmittelpunkt nach Cottbus verlagert. Er lebt nicht mehr in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt. Auch wenn beides eng zusammenhängt.
Seine Frau Francesca zum Beispiel hat Schorch kennengelernt, als er von 2009 bis 2011 für den 1. FC Köln kickte. Ihre Eltern hatten und haben in der Domstadt noch immer ein italienisches Restaurant. Wenn Schorch über das Kennenlernen erzählt, gerät er ins Schwärmen. Er erinnert sich noch genau daran, wie er erst Francescas Vater Claudio um Erlaubnis fragte, um mit seiner Tochter auszugehen. Und wie er sich dann nach einem Punktgewinn beim großen FC Bayern München traute, sie anzusprechen. Auf dem Rückflug durfte Schorch in das Cockpit, weil „der Pilot FC-Fan war“. Euphorisiert wieder gelandet, nahm er allen Mut zusammen.
Seit sechs Jahren ist das Paar nun zusammen, seit drei verheiratet, wohnt mit seinen zwei Hunden inzwischen in Cottbus. „Sie- unterstützt mich immer, wo sie nur kann“, schwärmt Schorch, „dank ihr bin ich von meinen Verletzungen immer wieder so stark zurückgekommen.“
Seine Verletzungen. Muskelfaserriss, Kreuzbandriss, Sehnenriss, Knorpelschaden, Patellasehnenriss - der Abwehrmann hat viel durchgemacht. Die unheimliche Verletzungsmisere verhinderte während seiner Erstligazeit beim 1. FC Köln eine stabile Bundesligakarriere. Doch nun ist er seit zweieinhalb Jahren von größeren Pausen verschont geblieben.
Christopher Schorch ist mit sich und seiner Laufbahn im Reinen. Er hat die Erinnerungen an seine zwei Jahre bei Real Madrid, wo er in der zweiten Mannschaft spielte und mit Stars wie Cristiano Ronaldo trainierte. „Das hat jedes fehlende Spiel ersetzt“, meint er. „Ich bin froh, dass diese Station in meiner Vita steht.“
Fischstäbchen bei den Boatengs
Doch verfolgen ihn nicht manchmal Gedankenspiele nach dem Motto: Was wäre gewesen, wenn? Ehemalige Weggefährten haben schließlich eine steile Karriere hingelegt. Mit Jerome Boateng wurde Schorch einst Deutscher Meister, in der B-Jugend war das, mit Hertha BSC Berlin. Beide gingen in die selbe Klasse, hielten auf dem Platz die Hertha-Abwehr zusammen. Christopher in der Innenverteidigung, Jerome auf rechts. „Nach der Schule waren wir oft bei seiner Mama und haben Mittag gegessen“, erzählt Schorch, „Fischstäbchen mit Kartoffelbrei war sein Lieblingsgericht, das weiß ich noch.“
Doch genug in Erinnerungen geschwelgt. Der nächste Gegner heißt Hallescher FC - und nennt mit Sören Bertram und Osayamen Osawe ein Sturmduo sein Eigen, dass liebend gern Abwehrreihen schwindelig spielt. Christopher Schorch beeindruckt das aber nicht. Er weiß, wie das Geschäft läuft: „Wenn sie so gut wären“, meint er, „würden sie nicht in der dritten Liga spielen.“