Spielklassen-Reform in Sachsen-Anhalt Spielklassen-Reform in Sachsen-Anhalt: "Es kann und wird Härtefälle geben"

magdeburg - Seit November 2016 ist Jörg Bihlmeyer wieder Vizepräsident Spielwesen im Fußball-Verband Sachsen-Anhalt. Ein Amt, das der 48-Jährige aus Wörbzig aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld schon von 2008 bis 2012 inne hatte.
In seiner zweiten Amtsperiode warten große Herausforderungen auf Bihlmeyer - so wie auf den gesamten Fußball in Sachsen-Anhalt. Thomas Schaarschmidt hat sich mit Bihlmeyer darüber unterhalten.
Herr Bihlmeyer, wenn man sich die Statistik der Hinrunde anschaut: Hat der Amateur-Fußball in Sachsen-Anhalt ein Zuschauerproblem?
Bihlmeyer: Gefühlsmäßig würde ich sagen, ja. Die Gründe dafür sind vielfältig, das muss man aus ganz verschiedenen Blickwinkeln analysieren. Ein Trend aber ist sichtbar: Derbys, also Spiele von Teams, die geografisch beieinander liegen oder wo es Rivalitäten gibt, ziehen nach wie vor oder sogar noch mehr als bisher, ganz egal, in welcher Spielklasse sie auch stattfinden. Andere Spiele dagegen verlieren deutlich an Fanzuspruch. Das war ja auch ein Argument für die Idee der zukünftig sieben statt sechs Landesklasse-Staffeln mit kürzeren Wegen in kleineren Gebieten.
Im Schnitt 17.000 Fans in Magdeburg, 7.000 beim HFC und über 40.000 in Leipzig - erdrücken die oberen Ligen das Interesse an den unteren?
Man hört ja mittlerweile auch von Spielern, dass sie zum Beispiel lieber zum FCM ins Stadion fahren, als selbst auf dem Platz zu stehen. Die Tendenz ist spürbar. Und wenn du in Verbands- oder Landesligen immer weniger Zuschauer hast, werden diese Spielklassen auch für Spieler immer unattraktiver. Vielleicht müssen wir als Verband überdenken, ob wir nicht in den Regionen, wo die Topclubs zu Hause sind, die unterklassigen Spiele nicht mehr parallel ansetzen.
Was können Sie tun, um die Spielklassen des Landes allgemein attraktiver zu machen?
Das geht nur über Nachwuchsförderung, indem wir die Vereine noch mehr unterstützen, die die eigenen Talente ausbilden und an den Männerbereich heranführen. Wenn du den kennst, der auf dem Platz stehst, wenn er aus dem Ort stammt, aus dem der Verein ist, dann sorgt das für Identifikation. Und natürlich muss man auch ehrlich sagen: Wer gut arbeitet, wird irgendwann erfolgreich sein. Und mit dem Erfolg kommen auch automatisch die Zuschauer.
Spielen nicht auch die zu vielen TV-Übertragungen eine Rolle? Der DFB hat zudem gerade mit Partnern ein Projekt gestartet, mit dem automatische Kameras auch Spiele aus tieferen Ligen live ins Internet übertragen sollen. Schadet das nicht dem Fußball?
Ich persönlich hatte eigentlich das Gefühl, dass gerade das Projekt mit den Kameras eher schädlich ist. Aber die ersten Rückmeldungen haben ergeben, dass auf den Plätzen, von denen es Live-Übertragungen gab, mehr Fans als zuvor waren, weil sie selbst Teil des Live-Erlebnisses sein wollen. Man muss das beobachten, ich selbst aber bin kein Befürworter, Fußballspiele aus solchen unteren Ligen im Internet zu übertragen. Der Amateurbereich gehört auf den Sportplatz, nicht in das Fernsehen. Das ist eine eigene Welt, die man nicht verändern sollte.
Ein anderes heiß diskutiertes Thema ist die Zukunft der Regionalligen. Wie viele davon braucht es in Deutschland?
So viele, dass der, der am Ende oben steht, auch aufsteigen kann, ohne die lästigen und sinnlosen Relegationsspiele. Es werden hier Teams um den Lohn einer ganzen Saison gebracht, das geht nicht. Die Anzahl der Absteiger aus der 3. Liga sollte so groß sein wie die Anzahl der Regionalligen. Der jetzt gefundene Kompromiss kann deshalb nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Durch die Erhöhung von sechs auf sieben Landesklassen steigen in dieser Saison 2017/18 statt wie bisher drei Teams pro Landesklasse-Staffel nun nur zwei Mannschaften ab.
Die Meister der 14 Kreisoberligen steigen alle direkt auf.
Die zukünftig sieben Staffelsieger der Landesklassen steigen ab 2018/19 direkt in die beiden Landesligen auf. Dazu absolvieren die Viertletzten der beiden Landesliga-Staffeln eine zusätzliche fixe Relegation, um den siebten Absteiger in die Landesklasse zu ermitteln.
Sachsen-Anhalt wird im Sommer 2018 seine eigene Spielklassen-Reform bekommen, aus sechs Landesklassen werden zukünftig sieben, mit dann nur noch 14 statt wie bisher 16 Teams pro Staffel. Gab es eigentlich schon Rückmeldungen der Vereine?
Die gibt es, und die meisten sind positiv. Vor allem die Tatsache, dass nun wirklich auch alle 14 Meister der Kreisverbände direkt aufsteigen, wird sehr gut bewertet. Von Beschwerden ist mir nichts bekannt.
Bedeuten kleinere regionalere Landesklassen aber nicht auch eine Konkurrenz für die Kreisoberligen?
Das kann ich so nicht nachvollziehen. Wir haben früher ja schon mal mit neun Landesklassen gespielt, sind dann auf sechs Staffeln zurück und stocken nun wieder auf sieben auf. Wer in der Landesklasse spielt, der will eben dort und nicht im Kreis spielen. Das Niveau unterscheidet sich schon und daher sehe ich keine Konkurrenz-Situation.
Wie werden dann eigentlich im Sommer die sieben neuen Staffeln eingeteilt? Wer ist dafür zuständig? Und wird da mit dem Lineal auf der Landkarte gearbeitet?
(lacht) Vom Reißbrett aus wird das mit Sicherheit nicht geschehen. Der Spielausschuss wird sich nach der Saison zusammensetzen, versuchen, die Wünsche der Vereine zu berücksichtigen und dann ausloten, wie die beste Lösung aussehen könnte. Natürlich können wir nicht alle 98 Vereine glücklich machen, es kann und wird Härtefälle geben. Aber wir werden das transparent und nicht im stillen Kämmerlein durchführen.
In welchem Zeitfenster?
Natürlich können und werden wir zwei oder drei Wochen vor dem Ende der Saison schon mal die ersten Überlegungen anstellen, in welche Richtung es gehen könnte. Mit diesen Gedanken gehen wir dann in die besagte Sitzung des Spielausschusses eine Woche nach Saisonende. Und dort wird es dann final gemacht.
Im Zuge der demografischen Veränderungen kommt immer wieder auch das Thema der Spielgemeinschaften auf den Tisch. Sind diese perspektivisch in den Landesklassen oder Kreisoberligen denkbar?
Im Moment gibt es dazu vom Spielausschuss ein ganz klares Nein, sowohl im Land als auch in den Kreisoberligen. Es gibt da mehrere Schwierigkeiten, vor allem im Hinblick auf die spätere Auflösung solcher Konstrukte. Das brächte einfach zu große Unruhe hinein.
Ist das aktuell existierende Format des Landespokals das ideale?
Für mich ist es ideal. Ich wüsste kein anderes Konzept, das besser wäre und zum Fußball-Land Sachsen-Anhalt passen würde.
Was sind Ihre drei Wünsche für das kommende Jahr?
Ich wünsche mir, dass wir die Einteilung der neuen Landesklassen fair und vernünftig über die Bühne bekommen. Zudem drücke ich den beiden Drittligisten die Daumen für eine hervorragende zweite Halbserie, das Bestmögliche herauszuholen. Und dann wünsche ich mir noch, dass ich irgendwann als Vizepräsident des FSA sagen kann: Ich habe so viele Schiedsrichter zur Verfügung, dass ich alle Spiele gut und vernünftig besetzen kann.
(mz)