EM-Krimi EM-Halbfinale: Deutschland schaltet Italien nach Elfmeterschießen aus

Bordeaux - Er war der 18. Schütze dieses dramatischen Elfmeterschießens, Jonas Hector vom 1. FC Köln war an der Reihe. Vor ihm war der Italiener Darmian an Manuel Neuer gescheitert. Ein Tor aus elf Metern, und Deutschland wäre im Viertelfinale dieser EM. Hector lief an, vor ein paar Jahren spielte er noch mit dem SV Auersmacher in der Oberliga, schoss mit links – und traf gegen Gigi Buffon, die Legende in Italiens Tor, zum entscheidenden 7:6 nach Elfmeterschießen.
Es war vollbracht: Deutschland war der erste Sieg über Italien bei einem großen Turnier gelungen. Und Jonas Hector war neben Torhüter Manuel Neuer der Held eines dramatischen Elfmeterschießens. „Es ist gerade schwer in Worte zu fassen, aber ich bin überglücklich, dass er reingegangen ist. Ich kann es gar nicht beschreiben. Es waren nicht mehr viele Leute da, irgendwann muss man dann, und da habe ich das Herz in die Hand genommen“, sagte der Linksverteidiger.
Ein zuvor siegreiches Team nicht verändern – viel kann ein Trainer nicht falsch machen, wenn er sich an diese Regel hält. Dennoch vollzog Joachim Löw nach dem glatten Sieg über die Slowakei einen Systemwechsel: Der Bundestrainer nahm Benedikt Höwedes in seine erste Elf und stellte Italiens zwei Spitzen somit drei statt zwei Innenverteidiger entgegen. Für Höwedes musste einer weichen, es traf den im Achtelfinale gegen die Slowakei noch so herausragenden Julian Draxler.
Von Beginn an erspielte sich die deutsche Mannschaft Ballbesitz in größter Fülle, zeitweise nur 35 Prozent betrug der italienische Anteil am Spiel. Doch das hatte man erwarten können, zumal die Italiener es lieben, dem Gegner den Ball zu überlassen und ihm dann dabei zuzusehen, wie er nichts damit anzufangen weiß.
Khedira musste früh raus
Wenig war auf dem Rasen geschehen, als Sami Khedira nach dem Arzt rief. Der Mittelfeldspieler und Juventus-Kenner war bei einem Ausfallschritt in der 15. Minute unglücklich aufgetreten und hatte sich an die Leiste gegriffen. Nun musste er runter, für ihn kam Bastian Schweinsteiger, der Kapitän, und Löw schien seinem Vorhaben, in Frankreich einfach die WM von 2014 nachzuspielen, einen Schritt nähergekommen zu sein.
Die Deutschen ließen den Ball sicher zirkulieren, kaum ein Pass ging schief. Doch am italienischen Strafraum herrschte Enge, und ohne einen vierten Offensivmann hatten es Thomas Müller, Mesut Özil und Mario Gomez schwer, vor Buffon in Aktion zu treten.
Trotzdem hätte in der 42. Minute das 1:0 für Deutschland fallen können: Ein missglückter Schuss von Toni Kroos erreichte Kimmich, von dem der Ball quer in den Strafraum zu Müller rollte, der solche Situationen eigentlich kommen sieht und zu nutzen weiß. Doch der Münchner war überrascht – und brachte den Ball nur mit wenig Schwung auf Buffons Tor.
Özil besorgte die Führung
Die ersten Offensivaktionen nach der Pause gehörten wieder der deutschen Elf. In der 54. Minute legte Gomez auf Müller ab, dessen Schuss Florenzi artistisch zur Ecke ablenkte. Deutschland gelang es, etwas Druck zu erzeugen, Italien kassierte drei Gelbe Karten in schneller Folge. Es kam Bewegung in die bis dahin so statische Partie. Und in der 65. Minute der erste große Moment des Abends. Manuel Neuer schlug einen Ball lang die linke Seite hinunter, Gomez verzögerte und legte dann quer auf den perfekt einstartenden Hector, der in der Mitte Özil fand – 1:0. Kurz darauf gelang Özil ein Traumpass auf Gomez, dessen Versuch aus wenigen Metern Buffon fantastisch parierte.
Die deutsche Elf hatte nun neben der Kontrolle über den Ball die 1:0-Führung. Es schien keine Gefahr zu drohen. Doch dann flog ein Ball lang von der rechten Seite in den deutschen Strafraum, Boateng stieg hoch, übersprang seinen Gegenspieler mit Leichtigkeit. Doch er hatte die Arme zum Sprung hochgerissen. Der Ball sprang ihm gegen die Hand – Elfmeter, Bonucci verwandelte sicher.
Bitterer Rückschlag für die DFB-Elf
Ein bitterer Rückschlag für die deutsche Elf, die sich die Verlängerung gern erspart hätte. Doch es kam, wie es offenbar hatte kommen müssen. Der Weltmeister setzte noch einmal auf die Offensive, drängte Italien immer tiefer zurück. Aber obwohl beim Gegner die Kräfte schwanden, obgleich der Finalist von 2012 sich bog und ächzte unter der Last, tat sich keine Lücke auf. Die Partie lief unaufhaltsam zu auf das Fernduell zwischen Welttorhüter Manuel Neuer hinaus und einem seiner Vorgänger, dem großen Gigi Buffon im Tor der Italiener. Das Elfmeterschießen musste entscheiden. Nach 120 Minuten Fußball war wieder alles offen.
Schweinsteiger hatte den ersten Matchball, doch er scheiterte wie vor ihm bereits Müller und Özil. Es schien kein Ende zu finden. Doch dann hielt Neuer gegen Darmian – und Hector machte die Nacht von Bordeaux zu einem Fest in Schwarz, Rot und Gold.