1. FC Magdeburg 1. FC Magdeburg: André Hainault: Der deutsche Kanadier
Magdeburg - André Hainault hat wenig geschlafen. Todmüde schlurft er am Donnerstagmorgen durch die Gänge im Inneren des Magdeburger Stadions. Am Abend davor spielte sein 1. FC Magdeburg auswärts bei Hansa Rostock. „Ich war erst um 4.30 Uhr zu Hause“, erzählt der Verteidiger. „Und um 7.30 Uhr wurde ich von meiner Tochter geweckt.“ Die ist 14 Monate alt, keine ungewöhnliche Zeit also für einen Papa.
Trotzdem steht der 29-jährige Verteidiger vom Fußball-Drittligisten 1. FC Magdeburg an diesem Morgen wieder im Stadion. Es ist Interviewzeit. Fast entschuldigend beginnt er: „Ich habe nur 15 Minuten Zeit. Reicht das?“ Und es erzählt eine Menge über ihn, dass daraus dann doch fast eine Stunde wird. Hainault verpasst einen Massagetermin, auch den Beginn des Regenerationstrainings.
Pflichtbewusstsein des Kanadiers
Dieses Pflichtbewusstsein des Kanadiers kommt nicht von ungefähr. „Deutschland ist meine Bestimmung“, sagt er. „Hier ist alles organisiert. Die Leute sind pünktlich. Das schätze ich. Aber die Leute können auch lustig sein.“ Er mag nicht nur die geordnete Seriosität der Deutschen. Seine Tochter ist hier geboren, sie soll hier in die Kita gehen. „Das ist vielleicht sogar besser für sie. Die Betreuung ist hier besser als in Kanada.“ Außerdem soll das Mädchen mehrsprachig aufwachsen. Die Eltern sprechen Französisch mit ihr, die Eltern untereinander reden Englisch. „Wir haben vor kurzem einen Spieltisch gekauft“, erzählt Hainault, der übrigens flüssig Deutsch spricht. „Da kann man draufdrücken und dann sagt er zum Beispiel: ,Hallo Du‘“, erzählt er. So könne seine Tochter spielerisch erste deutsche Vokabeln lernen.
Erst zwei Jahre kickt Hainault in Deutschland. Bevor der 40-fache kanadische Nationalspieler nach Magdeburg kam, spielte er zwei Jahre in der zweiten Liga beim VfR Aalen. Schon 2005 wollte er nach Deutschland. Das klappte nicht. Er ging nach Tschechien zu Siad Most in die erste Liga. Ein dunkles Kapitel. Er erzählt von Korruption, monatelang ausbleibenden Gehaltszahlungen. „Die Schiedsrichter waren bestochen“, sagt er und berichtet von einem Spiel, in dem beiden Vereinen ein Unentschieden zum Klassenerhalt reichte. „Wir sind da hingekommen und alles war organisiert. Ich war geschockt.“
Hainault spielte nicht, saß nur auf der Bank. „Zum Glück“, sagt er heute. Das hätte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren können. Er wechselte zu Sparta Prag und dann nach Nordamerika zurück zu Houston Dynamo im heißen Texas. Dort lernte er den Unterschied im Stellenwert des Fußballs kennen. Dort gab es kaum Fans. Umso mehr war der Kanadier erstaunt, als er im August nach Magdeburg kam. „Ich habe noch nie so eine Heim-Atmosphäre erlebt.“
Randsport in den USA
In den USA ist Fußball eben Randsportart. Und das gilt auch in seiner Heimat Kanada, wo Eishockey die unumstrittene Nummer eins ist. „Bis ich neun Jahre alt war, habe ich auch Eishockey gespielt. Aber das ist ein sehr teurer Sport.“ Hainault, im Großraum Montreal aufgewachsen, hat noch drei Brüder. Das Geld, um allen den Sport zu ermöglichen, war nicht da. Also wechselte er zum Fußball. Wie sein kleiner Bruder, der in Schweden spielt.
In Magdeburg ist Hainault auch sportlich angekommen. Trainer Jens Härtel schätzt seine unaufgeregte Art. „Er ist nicht umsonst Nationalspieler. Es ist gut, jemanden da hinten drin zu haben, der nicht zappelig wird“, sagt Härtel.
Übrigens: Am Donnerstag wurde André Hainault von seinem Verband für das Länderspiel gegen Ghana nominiert. Vom 4. bis 14. Oktober wird er dem FCM also fehlen. (mz)